Eine sehr bewegende Geschichte
Auf sieben Beinen von Fine Sturm
Franzi ist ein ganz normales Mädchen, besucht die 10. Klasse des Gymnasiums als ein tragisches Unglück ihr ganzes Leben verändert. Ein Hundebiss führt dazu dass man ihren ...
Auf sieben Beinen von Fine Sturm
Franzi ist ein ganz normales Mädchen, besucht die 10. Klasse des Gymnasiums als ein tragisches Unglück ihr ganzes Leben verändert. Ein Hundebiss führt dazu dass man ihren Unterschenkel amputieren muss. 10 Jahre später hat sie sich noch immer nicht von dem Schicksalsschlag erholt. Sie hat panische Angst vor Hunden, führt ein zurückgezogenes Leben und hat Angst das jemand etwas von ihrer Behinderung, die sie selbst noch nicht akzeptiert hat, erfährt. Dann schlägt das Schicksal wieder zu, es führt ihr Jan über den Weg und sie entwickelt Gefühle für ihn. Immer wieder treffen sich die beiden und die Schmetterlinge in Franzis Bauch werden immer mehr. Jan interessiert sich für sie. Franzi fühlt sich in die Enge getrieben, denn Jans bester Freund kommt auf vier Beinen daher und sie hat Angst das er von ihrer Behinderung erfährt.
Meine Meinung:
Fine Sturm hat eine wunderschönen und gefühlsvollen Roman geschrieben der mit dem tragischen Unfall beginnt. Man ist hautnah dabei, erlebt wie Franzi im Krankenhaus aufwacht und wie sie nach der OP zu sich kommt und erkennt das ihr etwas fehlt. Ich bekomme Gänsehaut, denn alles ist so authentisch geschrieben das man das Gefühl hat als wäre man mit dabei.
Danach gibt es einen Zeitsprung, 10 Jahre rücken ins Land. Franzi geht auf die 30 zu, aber ihr Leben hat sich komplett verändert. Sie führt ein zurückgezogenes Leben, einzig und allein ihre Eltern und ihre beste Freundin Kicki haben Zugang zu ihr. Man spürt recht bald das Franzi den Unfall nicht verarbeitet hat, aber auch das sie ihr neues ICH nicht akzeptiert. Dann lernt sie durch einen Zufall Jan kennen und immer wieder läuft ihr dieser, rein zufällig, über den Weg. Er gefällt ihr und irgendwann nimmt sie eine Einladung von ihm an. Ihr erstes Date und man spürt das sie aufgeregt ist, aber auch das sie Angst hat. Jan kitzelt eine bislang unbekannte Seite an ihr wach, sie erkennt was sie in den letzten Jahren alles aufgegeben hat, aber auch was ihr fehlt. Durch Jan findet sie wieder ins Leben zurück, aber sie hat Angst ihm von ihrer Behinderung zu erzählen. Man spürt immerzu das sie es möchte, aber wie kann sie über etwas reden das sie selbst noch nicht akzeptiert hat? Wie soll Jan sie so akzeptieren, wenn sie es selbst nicht kann? Das Leben geht manchmal unergründliche Wege und Franzi bekommt unerwartet eine Chance auf ein neues Leben.
Mir hat das Buch richtig gut gefallen, denn dadurch das man das Buch aus Sicht von Franzi liest ist man ganz nah an ihr ran. Es gibt viele bewegende Momente und die Gefühle fahren Achterbahn. Man fragt sich oft ob man sich an Franzis Stelle genauso gefühlt hätte, genauso gehandelt hätte, aber letztendlich ist es wohl einfach darüber zu urteilen wenn man sich nicht genau in der gleichen Lage befindet. Mir hat gefallen das sich mit Jan vieles in Franzis Leben geändert hat, das sie erkannt hat das sie selbst es in der Hand hat die Weichen für die Zukunft zu stellen. Es ist ein langer Prozess, aber alleine schon das sie sich dem Problem stellt und es nicht verdrängt ist für sie ein großer Fortschritt. Franzis Schockstarre löst sich auf, sie nimmt sich wieder als Mensch wahr und langsam, Schritt für Schritt wagt sie sich wieder ins Leben. Sie entwickelt sich weiter und erkennt das auch ein Leben mit einem Bein lebenswert ist.
Jan hat mir auch richtig gut gefallen, er hat es nicht leicht. Franzi verwirrt ihn und da er ein sehr sensibler Kerl ist spürt er das in der Vergangenheit etwas vorgefallen sein muss. Er stellt Vermutungen an, aber kann natürlich nicht ahnen was genau ihr Problem ist. Er hat es nicht leicht, aber er weiß das er in Franzi die Frau fürs Leben gefunden hat und versucht alles um ihr Vertrauen zu gewinnen. Das sein Hund Hansi, der sich auf den ersten Blick in Franzi verliebt hat, ein Problem ist ahnt er natürlich nicht. Aber Hansi macht sein eigenes Ding, er hat Franzi in sein Herz geschlossen und möchte sie nicht mehr missen, auch wenn sie ihn nicht besonders zu mögen scheint, er weiß was er will.
Besonders gut gefallen hat mir auch Kicky, Franzis beste Freundin. Sie kennt die Freundin von Kindheitsbeinen an und ihr gefällt nicht wie sie sich in den letzten Jahren zurückgezogen hat, vereinsamt ist. Sie ist eine tolle Freundin und sie sagt ihr immer offen und ehrlich was sie denkt, versucht die Freundin immer wieder aus dem Schneckenhaus zu holen, aber erst als Jan in deren Leben tritt bewegt sich etwas.
Auch Franzis Eltern spielen in der Geschichte eine große Rolle. Man spürt das auch diese den Unfall nicht verarbeitet haben, das sie in Franzi immer noch den verletzten Teenager sehen und das sie teilweise vor Sorge vergehen. Für sie ist es toll zu sehen das sich Franzi nun endlich weiterentwickelt, allerdings müssen sie nun auch loslassen und das fällt ihnen nicht immer leicht.
Die Geschichte zeigt wie wichtig es ist das man Schicksalsschläge verarbeitet, das man über seine Gefühle redet und das man sich Selbsthilfegruppen anschliessen sollte. Franzi hat das nicht getan und wie falsch das war merkt sie im Laufe der Zeit. Sie erkennt das sich ihr Leben in eine ganz andere Richtung entwickelt hätte wenn sie sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen hätte. Dort hätte man sie ohne viele Worte verstanden und genau das wäre es gewesen was sie nach dem Unfall gebraucht hätte. Menschen die sie verstehen und die ihr, durch das eigene Schicksal, den Weg weisen.
Auf sieben Beinen ist eine Geschichte die wahnsinnig authentisch geschrieben ist und bei dem die Gefühle Achterbahn fahren. Man kann sich gut in die einzelnen Charaktere rein versetzen und überlegt immerzu wie man selbst, in der ein oder anderen Situation, gehandelt hätte. Es gibt viele Momente die einen schmunzeln lassen, aber auch viele die einen mitten ins Herz treffen. Mich hat die Geschichte um Franzi vom ersten Moment an in den Bann gezogen und der flüssige Schreibstil hat dafür gesorgt das ich mich nicht mehr von dem Buch lösen konnte. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse, das war mir dann etwas zu heftig und hat (für mich) nicht mehr, zu der ansonsten authentischen, Geschichte gepasst. Meiner Meinung nach hätte es das auch gar nicht gebraucht, aber vielleicht musste Franzi auch sehen das das Schicksal die Fäden in der Hand hält und einfach wahllos zuschlagen kann. Ansonsten kann man sagen das sich am Ende der Kreis schliesst.
„Auf sieben Beinen“ ist eine Geschichte die zum Nachdenken anregt, aber auch Hoffnung bringt.
Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung und 4,5 Sterne.