Bildung zukunftsfähig machen
Ach das musste ich früher auch in der Schule lernen. Habe ich aber auch nie wieder gebraucht. Diese Sätze hat so oder so ähnlich vermutlich schon jeder von uns gesagt. Erstaunlich, dass daraus niemand ...
Ach das musste ich früher auch in der Schule lernen. Habe ich aber auch nie wieder gebraucht. Diese Sätze hat so oder so ähnlich vermutlich schon jeder von uns gesagt. Erstaunlich, dass daraus niemand wirkliche Handlungskonsequenzen abgeleitet hat. Wir nehmen das irgendwie so hin und schimpfen aber gleichzeitig auch darüber, dass die Schule nicht aufs Leben vorbereitet.
Flo von Schreitter beleuchtet diesen Sachverhalt tiefgehender und nimmt den Leser dabei so fest an die Hand, dass man das Buch nicht mehr weglegen will. Einerseits hält dieses Buch unheimlich bei Laune, weil es so stringent geschrieben ist und der rote Faden nicht verloren geht, andererseits, weil es nicht mehr Seiten als notwendig darauf verwendet, das Problem zu beschreiben. Denn mal ehrlich: Wer möchte schon seitenlange Schimpftiraden auf das aktuelle Bildungssystem lesen – von reiner Problembeschreibung ist schließlich noch nie etwas besser geworden. Dieses Buch hingegen erklärt den Mangel mit dem aktuellen System und leitet dann auch her, warum das so ist: Nämlich weil unser Bildungssystem in einer Zeit entstanden ist, in der die meisten aktuellen Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimawandel und co. noch gar nicht abzusehen waren. Dies geschieht mit vielen Hintergründen und Erklärungen, die für mich als BWLer gut zu verstehen waren, deren Sprache aber durchaus anspruchsvoll ist.
Doch gerade diese neuen Herausforderungen unserer Generation und unseres Zeitalters sollten einbezogen werden, da schließlich das Bildungssystem das vermitteln soll, was zukünftig wichtig wird, um diese Herausforderungen zu lösen. Flo von Schreitter leitet daher aus diesen Herausforderungen und Mega Trends ab, was der zukünftige Mensch braucht, um erfolgreich und glücklich zu sein und beantwortet dann die Frage, was hierzu gelehrt werden muss.
Darauf aufbauend wird einfach, aber klar formuliert, dass unser aktuelles Bildungssystem auf Wissen ausgelegt ist, zukünftig aber auch Emotionen, Fähig- und Fertigkeiten sowie Haltung gefragt sind, die in einem zukünftigen Bildungssystem abgedeckt sein müssen. Das hört sich zunächst trivial an, ist es aber nicht. Jeder einzelne dieser Aspekte wird hinsichtlich seiner Notwendigkeit und wie dieser zu vermitteln ist, beleuchtet. Und besonders die Antwort auf die Frage, wie man dies in einem neuen Bildungssystem an die Lernenden bringen kann, zeichnet das Buch für mich aus. Denn es verlässt die Metaebene und begibt sich hin zu praktischen Überlegungen, wie das gelingen kann. Wobei der Spagat gelingt zwischen nicht zu vielen Details, aber gerade so vielen Informationen, dass man als Leser das Gefühl entwickelt, so könnte es gelingen.
Wer sich also selbst schon einmal dabei ertappt hat, wie er auf die eigene Schulzeit oder die Schulzeit der Kinder geschimpft hat, sollte dieses Buch definitiv lesen. Niemandem von uns ist geholfen, wenn wir weiter im stillen Kämmerlein vor uns hin schimpfen und trotzdem nicht aktiv werden. Und dieses Problem bezieht sich nicht nur auf die klassische Schule, sondern auch Universitäten, Kindergärten und alle Bildungseinrichtungen überhaupt.
Ich jedenfalls habe mich in der Problembeschreibung mehr als wiedergefunden und könnte auf Anhieb mehr als zwei Hände voll Beispiele nennen, auf welche Fähigkeiten und emotionalen Themen mich weder Schule noch Studium vorbereitet haben, die ich aber dringend gebraucht hätte. Es darf nicht selbstverständlich sein, dass man von jedem einzelnen erwartet, dass er sich das schon irgendwie beibringen oder erarbeiten wird und genau hier setzt der Vorschlag für ein neues Bildungsideal an.