Aufsichtsrätin und Mutter Fränzi Kühne bietet eine überraschende und unterhaltsame Perspektive auf das, was in Sachen Gleichberechtigung immer noch falsch läuft.
»Herr Maas, Sie tragen meist Anzug und Krawatte – das ist Standard in der Politik, oder?« »Mussten Sie sich zwischen Kindern und Ihrem Start-up entscheiden, Herr Zeiler?« Warum klingen diese Fragen seltsam? Weil sie sonst nur Frauen gestellt werden.
Ich habe das am eigenen Leib erfahren, als ich jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands wurde. Aber statt mich zu ärgern, habe ich mir einen Spaß gemacht und den Spieß einfach umgedreht: Jetzt stelle ich Männern all die Fragen, mit denen ich sonst konfrontiert werde. Das Ergebnis hat mich überrascht. Aber lesen Sie selbst…
»Fränzi hat mich eingeschüchtert, verunsichert und beleidigt. Bis ich verstanden habe, dass ihr exakt diese Fragen gestellt wurden. Unfassbar.«
Fynn Kliemann
Fränzi fragt, diese Männer antworten: Jürgen Bornschein, Axel Bosse, Jörg Eigendorf, Rainer Esser, Holger Friedrich, Gregor Gysi, Lars Hellmeyer, Joe Kaeser, Friedrich Kautz, Fynn Kliemann, Frater Rafael Maria Klose, Heiko Maas, Christoph Mönnikes, Julian Otto alias Bausa, Christian Rach, Frank Thelen, Helmut Thoma, Ole von Beust, Jean-Remy von Matt, Frank-Peter Weiß, Peter Wittkamp und Waldemar Zeiler
Wie oft bekommt man es mit, dass Frauen in Interviews sehr persönliche Fragen gestellt werden, Männer hingegen eher fachliche Fragen gestellt bekommen? Selten hört man, wie ein Interviewer von einem Mann ...
Wie oft bekommt man es mit, dass Frauen in Interviews sehr persönliche Fragen gestellt werden, Männer hingegen eher fachliche Fragen gestellt bekommen? Selten hört man, wie ein Interviewer von einem Mann wissen will, wie er denn seine Karriere mit der Familie vereinbart. Bei Frauen ist das jedoch die absolute Standardfrage. Daher finde ich es eine grandios Idee, den Spieß hier einmal umzudrehen. Leider hat das hier nur bedingt geklappt, denn die Männer wussten vorher genau Bescheid, um was sich das Interview drehen wird und waren demnach auf die problematische Thematik vorbereitet. Hinzu kam, dass die Autorin laut eigenen Aussagen keine geschulte Interviewerin war und ich das Gefühl hatte, dass sie den Männer gegenüber sympathisch wirken wollte, anstatt sie stärker zu konfrontieren. Hinzu kommt natürlich der Intervieweffekt: die Männer wissen ganz genau, dass ihre Aussagen in einem Buch abgedruckt sein werden und antworten daher bedachter, als wenn die Frage zb in einem Fernsehinterview spontan gestellt worden wäre. Nichtsdestotrotz zeigt das Buch auf, wie unterschiedlich Fragen wahrgenommen werden und wie absurd manche Fragen scheinen, je nachdem, an welches Geschlecht sie gestellt werden. Die Biografie der Autorin war ebenso sehr interessant, sie berichtet auch von persönlichen Erfahrungen, die teils wirklich schockierend sein.
Ein Buch mit genialer Idee, dass die Absurdität von klischeebehafteten Fragen Frauen gegenüber aufzeigen soll, dessen Umsetzung an einigen Stellen jedoch noch ausbaufähig war.
Dieses Buch hatte mich vor allem durch seine aktuelle Thematik gereizt. Gerade in Bewerbungsgesprächen bez. dem Berufsalltag allgemein spielt die Familienplanung bei Frauen eine abnorm große Rolle, während ...
Dieses Buch hatte mich vor allem durch seine aktuelle Thematik gereizt. Gerade in Bewerbungsgesprächen bez. dem Berufsalltag allgemein spielt die Familienplanung bei Frauen eine abnorm große Rolle, während Männer zumeist noch nicht mal danach gefragt werden. Ebenso wird leider in der medialen Berichterstattung über Frauen immer noch mehr über Äußerlichkeiten geschrieben, als über Leistungen.
"Die Rolle eines Mannes als Vater, Anzugträger oder Ehemann rückt dann in den Fokus, wenn es darum geht, ihn als Vater, Anzugträger oder Ehemann zu porträtieren. Bei einer Frau dagegen sind Klamotten, Aussehen und Familienpflichten immer ganz automatisch und ohne jede Überleitung Thema."
(Was Männer nie gefragt werden von Fränzi Kühne, Fischer Verlag, 2021, S. 15.)
Umso interessanter fand ich den Ansatz dieses Buches diese unangenehmen bis übergriffigen Fragen mal Männern zu stellen.
Das ist Fränzi Kühnes Buch
Ich muss zugeben, als ich das Buch begann, war ich zuerst etwas überrascht. Ich hatte eine Sammlung von Interviews erwartet und dann eventuell eine daran anschließende Auswertung und Einordnung. Doch Autorin Fränzi Kühne baut ihr Buch anders auf. Statt die kompletten Interviews wiederzugeben, behandelt jedes Kapitel einen Abschnitt des Fragenkatalogs. Die Autorin fasst dann dort die Antworten der Befragten zusammen, geht auf einige ausgewählte Aussagen kommentierend ein und äußert zugleich ihre eigenen Gedanken und Einschätzungen zu der jeweiligen Thematik. Dadurch verschiebt sich meiner Meinung nach der Fokus des Buches etwas. Weg von den Interviewten und hin zur Autorin. Zu ihren Gedanken, Überlegungen und Einstellungen. Es ist durch und durch Fränzis Buch. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die zahlreichen Anekdoten der Autorin.
Prinzipiell fand ich das nicht so schlimm, nachdem man sich erst von der ursprünglichen Erwartung verabschiedet und darauf eingelassen hat, denn mir persönlich war Fränzi Kühen sehr sympathsich. Ihre offene, lockere Art spiegelt sich auch in ihrem Schreibstil wieder, was das Lesen dieses Buches durchaus angenehm und unterhaltsam macht.
Zu wenig Konfrontation
Doch so gerne ich mal mit der Autorin einen Tee trinken gehen würde um zu plaudern, ich bin mir nicht sicher, ob sie für die Umsetzung ihrer Idee nicht jemand anderes ins Boot hätte holen sollen. Fränzi führt alle Interviews selbst, hat aber bis dato solche nur in der Rolle der Befragten geführt und dementsprechend überhaupt keine Erfahrung als Interviewführende und das merkt man leider deutlich. Es geht leider sogar so weit, das man spürt, dass ihr diese Rolle eher unangenehm ist, und sie viel Wert darauf legt, dass auch das Gespräch freundlich, nett und “angenehm” bleibt. Damit verschenkt sie jedoch eine Menge von dem Potenzial der ursprünglichen Idee, nämlich Männern mit sexistischen Fragen zu konfrontieren. Von einer Konfrontation kann nämlich kaum noch gesprochen werden. Fränzi stellt ihre Fragen sehr umsichtig und vorsichtig und gibt den Interviewten viel Raum und Zeit sich ihre Antworten zurechtzulegen und sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Hier hätte es in meinen Augen jemand mit journalistischer Erfahrung gebraucht, der die Männer aus der Reserve gelockt hätte. Der mehr nachgehackt hätte und ja, auch aggressiver gewesen wäre (natürlich immer noch im Rahmen journalistisch ethischer Richtlinien).
Die fehlende Konfrontation und Vehemenz während des Interviews zeigt sich dann auch deutlich bei der letzten gestellten Frage. Die interviewten Männer wurden gefragt, ob sie das Interview als unangenehm empfanden. Fast alle verneinten es und stellten lediglich fest, dass sie über manche der Fragen noch nie nachgedacht haben. Sexismus oder Übergriffigkeit, die viele Frauen in Interviews empfinden, spürten die Männer nicht und das lag in meinen Augen weniger an der Einstellung der Männer, so wie es sich die Autorin erklärt, sondern vielmehr an der soften Interviewführung und den harmlosen Fragen.
Interessante Überlegungen, jedoch durcheinander
Nun ist es nicht so, dass man aus der Lektüre dieses Buches so gar nichts mitnehmen könnte. Sowohl von der Autorin, als auch von einigen Interviewten kommen interessante Einschätzungen zum weiblichen Rollenbild, der Familienplanung und der Stellung der Frau im Berufsalltag. Einige Sätze von Fränzi Kühne decken die Missstände dabei sehr pointiert und deutlich auf, so z.B. wenn sie zusammenfasst, warum sich Frauen immer wieder für das Erreichen von Leistungen oder ihre Eignung für ein Amt/berufliche Position rechtfertigen müssen:
"Von Männern lässt man sich die Welt erklären, Frauen dagegen müssen beweisen, dass sie die Welt verstanden haben."
(Was Männer nie gefragt werden von Fränzi Kühne, Fischer Verlag, 2021, S. 186.)
Solche treffenden Aussagen sind Lichtblicke in diesem Buch, leider muss man sie mitunter etwas suchen. Denn auch wenn die Gedankengänge der Autorin nicht uninteressant sind, verliert sich doch gerade ab der Hälfte des Buches hin und wieder ihren Fokus und fängt an sich unnötig lange an Nichtigkeiten aufzuhalten. Es mag dem grundlegenden Aufbau dieses Buches geschuldet sein, dennoch etwas mehr roter Faden, wäre schön gewesen, dann hätten die Kernaussagen mehr Wucht gehabt.
Fazit:
Die Idee hinter diesem Buch finde ich immer noch genial und sehe es weiterhin als eine Auseinandersetzung die durchgeführt werden muss. In der Umsetzung schwächelt dies jedoch, was vor allem an der mangelnden journalistischen Erfahrung der Autorin und dem Aufbau des Buches lag. Das Buch bietet durchaus einige interessante Einblicke in die Denkweise mancher Männer und auch einige treffende Erkenntnisse zum Rollenbild der Frau, gerade in der Berufswelt, die zwar nicht zwangsweise neu, aber dafür pointiert und aussagekräftig sind, weswegen ich trotz Kritik dazu rate dieses Buch mal zu lesen und sich damit auseinander zu setzten.