Ein Stück Geschichte
„Als Erwachsene weiß ich eigentlich, dass ich alles allein machen muss:
Alles selbst einrühren, alles selbst durchstehen, alles selbst ausbaden.
Ich muss die Suppe auslöffeln, die ich mir vorher eingebrockt ...
„Als Erwachsene weiß ich eigentlich, dass ich alles allein machen muss:
Alles selbst einrühren, alles selbst durchstehen, alles selbst ausbaden.
Ich muss die Suppe auslöffeln, die ich mir vorher eingebrockt habe.
Als Erwachsene weiß ich, dass ich Konkurrenten und Neider habe, die hinter meinem Rücken ihre Fallstricke legen.“ (S. 45)
Treffender könnte ein Titel nicht gewählt sein: In „Vom Aufstehen – Ein Leben in Geschichten“ erzählt die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Helga Schubert in 29 Erzählungen aus ihrem Leben. Nachdenklich und drückend skizziert sie Episoden aus ihrer Kindheit, den Leiden der Nachkriegsgeneration, ihrem Leben als Autorin in der DDR und den damit verbundenen Ängsten und Hindernissen – bis hin zur Mauerfall, der auch in ihr einen Befreiungsschlag auslöste. Man spürt förmlich den Druck, der auf ihren Schultern lastet, den Einfluss der Stasi auf ihr Schaffen, den sie durch die lakonischen Darstellungen, die Wiederholungen erzeugt. Umso freimütiger, leichter – quasi als Aufmunterung, als Hoffnungsschimmer – werden die längeren biographisch-historischen Erzählungen von kurzen Sinneseindrücken, Momenten der Fröhlichkeit, der Wertschätzung des Lebens abgewechselt: So schreibt sie herrlich selbstironisch von den Tücken des Alterns in der modernisierten Welt, von der Hängematte im Garten ihrer Großeltern, von den Düften der Blumen in ihrem Garten. Diese Passagen, die mit klug gesetzten Absätzen und bildhaften Darstellungen Zeit zum Verweilen und Reflektieren geben, haben mir besonders gefallen. Zu diesem Wohlgefühl zuträglich ist, dass alle Erzählungen aus der Ich-Perspektive geschrieben sind, was die Erlebnisse und Eindrücke noch nachvollziehbarer, empathischer macht. Sie hält sich nicht mit unnötigen Ausschmückungen auf, sondern bringt klar auf den Punkt, was sie ausdrücken möchte, benutzt lediglich Wiederholungen zur Verstärkung, aber beruht sich sonst auf die Aussagekraft des Wortes selbst.
Die Titelgeschichte bildet den krönenden Abschluss des Erzählbandes, der an Schwermut nicht zu übertreffen ist: [...]