Tolles sprachgewandes Buch!
“Sie ist ein guter Mensch mit einem schlechten Gewissen. Alles Unrecht der Welt lastet auf ihr, als wäre es ihre Schuld.” S 17
Was für ein famoses Buch! Ich habe es mächtig gerne gelesen und kann es allen ...
“Sie ist ein guter Mensch mit einem schlechten Gewissen. Alles Unrecht der Welt lastet auf ihr, als wäre es ihre Schuld.” S 17
Was für ein famoses Buch! Ich habe es mächtig gerne gelesen und kann es allen Sprachafinen und diskussionsliebenden Menschen an Herz legen. Allen, die echten Bedarf haben Argumente zu wälzen und die Absurdität der Extreme erkennen.
Im Mittelpunkt steht Frau Dr. Nora Rischer, Professorin für Soziallinguistik. Wir kreisen um sie mit ihren Gedanken und mit uns kreisen da viele Kopfstimmen der Rischler mit. Wir lesen auch Anmerkungen von Involvierten im Schreibprozesses. Ein Buch das in sich eine Metaeben ist und das nur in Rischlers Kopf.
„Es ist sehr schwierig, sicher zu sein, dass man etwas nicht tun wird. Etwas zu tun, ist viel leichter.“ (S. 199)
Was sich anstrengend anhört, macht Spaß zu lesen, ist getränkt von schwarzem Humor (da gebe ich dem Klappentext recht) und ist einfach herrlich zu lesen.
Wir lesende tauchen in Frau Rischlers Kopf ab. Sie bekommt eine Email, da es an ihrem Institut einen rassistischen Vorfall gegeben haben soll. Sogleich erinnert sich die stets nach Perfektion strebende und regelkonforme Professorin an eine Situation, die in ihrem Seminar passierte und passen könnte. So und nun Kopfkino an! Entlang dieses Vorwurfs entspinnt sich vieles, auch andere Themen rund um die akademische Bubble und dem Leben in diskussionswürdigen Zeiten der Angemessenheit.
Mir hat die Art wie Jana Scheerer schreibt absolut gut gefallen. Diese verschiedensten Ebenen zu verbinden, die Diskussionen und argumentativen Auseinandersetzungen, sehr gelungen. Und als Nicht-Geisteswissenschaflerin, ich oute mich, ich kann rechnen… fand ich es sehr erfrischend so viel fachliches Knowhow der Linguistik im Roman zu entdecken. Die Autorin nutzt das Spektrum ihres germanischen Fachvokabulars ausführlich und treffend, wie interlingualen Interferenzen oder Phoneminventar oder diskursive Konstruktion von Entschuldigungen.
„Prototypensemantik. Dahinter steckt die Idee, dass jeder Begriff im Zentrum einen sehr typischen Vertreter hat und an den Rändern Exemplare, die als weniger typisch gelten.“ (S 155)
Alle die Sprache lieben, sollten diesen Roman lesen!