Eine gelungene Ausgabe des Klassikers und vor allem für Einsteiger geeignet
Die eine ist voller Lebenslust und Temperament, die andere beherrscht und vernünftig … Marianne Dashwood ist das genaue Gegenteil ihrer älteren Schwester Elinor, und so stürzt sie sich nach dem Tod ihres ...
Die eine ist voller Lebenslust und Temperament, die andere beherrscht und vernünftig … Marianne Dashwood ist das genaue Gegenteil ihrer älteren Schwester Elinor, und so stürzt sie sich nach dem Tod ihres Vaters kopflos in eine Romanze mit dem begehrten Frauenschwarm John Willoughby – und wird bitter enttäuscht. Doch als auch Elinor entdeckt, dass sie von dem Mann ihres Herzens hintergangen wurde, müssen die ungleichen Schwestern lernen, dass sie den Weg der Liebe nur mit Unterstützung der jeweils anderen finden können ... (Klappentext)
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"Die Familie Dashwood war schon lange in Sussex ansässig. Von Nachbarn und Bekannten allgemein geachtet, lebte sie seit Generationen ehrbar und anständig auf Norland Park, dem herrschaftlichen Wohnhaus inmitten ihres großen Anwesens."
(S. 5 - Der berühmte erste Satz)
Elinor und Marianne Dashwood sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Marianne, 16 Jahre, ist die Impulsive, welche sich nur allzu gern von ihren Gefühlen leiten lässt und auch keinen Hehl daraus macht was sie fühlt. Elinor,19 Jahre, ist hingegen von ruhigem Gemüt und die Rationale, welche denkt, bevor sie spricht und lieber manches ungesagt lässt.
Als ihr Vater überraschend stirbt, bricht für die Familie Dashwood eine Welt zusammen. Die bis dahin gut situierte und gut behütete Familie erlebt den sozialen Abstieg, da der Großteil des Erbes an den älteren Stiefsohn geht und dieser sich dazu bemüssigt fühlt nur das Notwendigste für die Stiefmutter und die Halbschwestern zu tun. Seine Frau sieht das Anwesen gleich als das ihre an, zieht ein und möchte Schwiegermutter und Schwägerinnen so schnell wie möglich aus dem Hause haben. Während Mutter und Marianne ihrem Leid und ihrer Trauer fröhnen, versucht Elinor das Beste daraus zu machen.
Das fällt ihr besonders leicht, als Edward, der Bruder ihrer Schwägerin, häufiger zu Besuch ist und sie sich in ihn verliebt. Es werden die ersten zarten Bande geknüpft, doch Edward hat ein Geheimnis.
Auch bei Marianne geht es liebestechnisch zur Sache, denn das Mädchen verliebt sich Hals über Kopf in den gutaussehenden Willoughby und beide machen keinen Hehl daraus, wie sehr es zwischen ihnen funkt. Ein Skandal! Vor allem als sich herausstellt, dass dieser ein ziemlicher Hallodri ist und Marianne für eine bessere Partie sitzen lässt.
Vorbei ist es mit der Hoffnung im Hause Dashwood und das Drama nimmt seinen Lauf ... im wahrsten Sinne.
">>Elinor, Elinor, wer nur wenig leidet, darf nach Herzenslust stolz und unabhängig sein, darf sich gegen Beleidigungen wehren und Kränkungen heimzahlen, ich kann es nicht. Ich muss Gefühle haben, ich muss unglücklich sein, und von mir aus soll sich daran ergötzen, wer will.<<"
(S. 191)
"Vernunft und Gefühl" wurde von Jane Austen bereits im Alter von zwanzig Jahren begonnen und erschien erstmals 1811. Wie in all ihren Romanen geht es auch hier um Liebe, Heirat, Gesellschaftszwänge und das liebe Geld. Hier werden, wie der Titel schon vermuten lässt, Vernunft und Gefühl gegenübergestellt, welche von den beiden Schwestern Elinor und Marianne verkörpert werden. Dies auf die typisch überspitzte Weise, die Jane Austen so eigen ist.
Wie auch die anderen Jane Austen-Romane, lebt auch dieser von seinen Figuren, wobei man mit manchen mitleidet (was bei mir definitiv nicht Marianne war) und mitfiebert, während man andere am liebsten quer durch das Buch schütteln würde. Austen spielt auch hier mit den Extremen und man erlebt viel Drama mit Tränen und Herzeleid, begegnet aber auch skurrilen Figuren und der ein oder anderen Situationskomik.
"Lady Middleton hätte nicht höflicher sein können, auch wenn sie Elinor und Marianne in Wirklichkeit nicht leiden mochte. Da die beiden weder ihr noch ihren Kindern schmeichelten, hielt sie sie für unfreundlich, und weil sie gern lasen, für satirisch - freilich ohne recht zu wissen, was 'satirisch' eigentlich bedeutete, aber das war unwichtig. Es war ein geläufiger Tadel, und er wurde gern erteilt."
(S. 250)
Ich muss zugeben, dass ich nur bei Literaturklassikern hin und wieder zu Büchern mit romantischer Handlung greife, während ich bei zeitgenössischen Romanen diesbezüglich einen großen Bogen darum mache.
Vor allem die Romane von Jane Austen haben es mir hierbei angetan, was an ihrer Erzählweise liegt. Diese enthält nämlich immer parodistische und humoristische Züge und sie macht auch vor Gesellschaftskritik nicht Halt. Mit spitzer Zunge und mit so mancher Übertreibung wird hier manches angeprangert und aufs Korn genommen, was damals in der patriarchischen Gesellschaft Gang und Gäbe war.
Vieles ist also mit einem Augenzwinkern zu verstehen und so manches sollte man sich zu Herzen nehmen, vor allem was es zur damaligen Zeit bedeutete eine Frau zu sein.
">>... Wir konnten uns nie auf die Wahl eines Berufs für mich einigen. Mir wäre die Kirche am liebsten gewesen - bis heute. Aber das war meiner Familie nicht flott genug. Sie rieten mir zur Armee, was wiederum mir viel zu flott war.<<"
(S. 105)
Wie auch schon "Stolz und Vorurteil" aus dem Penguin-Verlag, wurde auch dieser von Andrea Ott übersetzt. "Vernunft und Gefühl" wird also ebenso etwas modernisiert und verständlicher an die LeserInnen gebracht und eignet sich daher vor allem für Jane Austen-Beginner, welche mit dem altbackenen Schreibstil des Originals nicht ganz klar kommen. Falls man dieses Buch also z.B. für die Schule lesen und besprechen soll, ist diese Ausgabe genau das Richtige.
Für diejenigen, welche den klassischen Schreibstil des Originals bevorzugen, empfehle ich die Ausgabe aus dem dtv-Verlag, mit der Übersetzung von Helga Schulz.
Fazit:
Obwohl weiterhin "Stolz und Vorurteil" zu meinen absoluten Favoriten unter den Jane Austen-Romanen zählt, besitze ich auch von "Verstand und Gefühl" mehrere Ausgaben. Trotzdem war es auch diesmal wieder ein Vergnügen die Dramen im Hause Dashwood zu verfolgen. Ich habe geseufzt,, mit den Augen gerollt und gelacht. Dies lag nicht nur an der gelungenen Story und Jane Austens typisch frechen Schreibstil, sondern auch an der gelungenen modernisierten Übersetzung.
Andrea Ott zeigt, dass moderne Übersetzungen von Literaturklassikern nicht immer das Original kaputt machen müssen, sondern dies ebenso auf behutsame Weise erfolgen kann.
Ich bin gespannt, welche Austen-Romane noch im Penguin-Verlag von dieser Übersetzerin erscheinen, denn so erreicht man auch LeserInnen, welche vom klassischen Schreibstil des Originals eher abgeschreckt werden.
© Pink Anemone (inkl. Book-Soundtrack, Leseprobe)