Die Dupin-Reihe des Wahlbretonen Jean-Luc Bannalec aka Jörg Bong lese ich nicht wegen der Krimihandlung, die, wie auch in „Bretonische Idylle“, üblicherweise nach den klassischen Mustern aufgebaut ist und kaum Überraschungen bietet. Womit der Autor punktet, sind die detaillierten und tiefgehenden Beschreibungen der verschiedenen Handlungsorte. In jedem Band sucht sich der Autor eine andere Region aus, nimmt uns mit und bringt uns nicht nur die Landschaft sondern auch die Eigenheiten dieser Landstriche nahe. Und das macht er sehr gut, teilweise weitaus besser als die meisten Reiseführer, die meist an der Oberfläche bleiben, auf Landschaftsbeschreibungen fokussiert sind, und sich weniger um jahrzehntelang gewachsene Strukturen kümmern. Also eine Krimi-Reihe mit Mehrwert, insbesondere dann, wenn man ein Faible für den Nordwesten Frankreichs und/oder Meerweh hat.
Im vorliegenden 10. Fall ermittelt Kommissar Dupin, unterstützt von dem Insel-Commandanten und natürlich seinen Kollegen Kadeg und Riwal, auf der größten bretonischen Insel Belle-Île-en-Mer. Riwal stammt von dort und versorgt seinen Vorgesetzten mit allerhand Informationen, nicht nur zu deren Geschichte und Mythen sondern auch zu den persönlichen Beziehungen und Animositäten der Inselbewohner. Und letztere sind in dem aktuellen Mordfall zur Genüge vorhanden, denn das Mordopfer war beileibe kein angenehmer Zeitgenosse. Der vermögende Schafbaron Patric Provost lag offenbar mit jedem Insulaner im Clinch, sperrte sich gegen Neuerungen und setzte den Einfluss, den ihm Geld und Ländereien boten, gnadenlos zum Nachteil seiner Nachbarn und Pächter ein. Aber dann geschieht ein weiterer Mord…
Die Story an sich ist eher mäßig spannend und behäbig. Der Handlungsort ist ein geschlossenes System, ein „closed room“, die Anzahl der Verdächtigen ist übersichtlich, Motive sind reichlich vorhanden, laufen aber immer wieder auf das gleiche hinaus, die Auflösung nicht überraschend, aber stimmig.
Dem gegenüber stehen die atmosphärischen Beschreibungen von allem, was dieses bretonische Kleinod zu bieten hat. Die Menhire und die Strände, die unterschiedlichen Vegetationen und die Fauna, alles sehr bildhaft in Szene gesetzt. Eine engagierte Werbung des passionierten Wahlbretonen, die die Begehrlichkeit der Leserin weckt, diese schöne Gegend mit eigenen Augen zu sehen. Und offenbar hat auch der Regionalrat der Bretagne erkannt, dass der Autor ein engagierter Botschafter für die Region ist und ihm deshalb bereits 2016 den Titel „Mäzen der Bretagne“ verliehen.