In dem abgelegenen kleinen Fischerdorf St. Piran in Cornwall herrscht Aufregung: Mit der Flut wurden ein Wal und ein nackter junger Mann angespült. Mit vereinten Kräften beleben die 307 Dorfbewohner den jungen Joe, der auf die Rettung des gestrandeten Wals drängt. Das Schicksal des Wals erscheint diesem untrennbar mit seinem verknüpft. Doch was hat den jungen, erfolgreichen Analysten aus der City ins Wasser getrieben? Nach und nach gibt er Preis, daß er an der Entwicklung eines Analyseprogramms namens Cassandra, kurz Cassie, mitgewirkt hat, daß absolut sichere Zukunftsprognosen für die nächsten Tage treffen kann. Doch es wurde manipuliert und kann nun nicht mehr gestoppt werden. Auf die Menschheit rollt die Apokalypse zu und er fühlt sich schuldig und benutzt. Joe warnt die Bewohner, fühlt sich aber selbst wie die Antike Seherin, der niemand Glauben schenken wollte. Die Dorfbewohner sind ihm mittlerweile ans Herz gewachsen, viel mehr, als sonst jemand, seit dem Tod seiner Mutter. Also beschließt er seine Retter zu retten und selbst Vorkehrungen für die nahende Katastrophe zu treffen. Erst wird er skeptisch und ein wenig mitleidig beäugt, aber dann...
Ich hatte keine klare Vorstellung von dem, was mich erwarten würde, aber ich mag die Stimme von Johann von Bülow und seine Wandelbarkeit, auch die Aufmachung sprach mich auch an. Zumindest würde es mal was anderes sein. Das war es auch, auch wenn ich nichts erwartet habe, war ich nicht auf das gefasst was kommen würde. Zuerst war ich akustisch erschlagen, von der unglaublichen Personenvielzahl z.T. mit cornischen Namen, Familienmitglieder und Mitarbeiter der Londoner City. Beim Hören eine Überforderung, bei der es wirklich hilft das beiliegende Booklet mit Personenverzeichnis vor dem ersten Hören und nach oder während der ersten CD zu hören. Es sind so viele, da lohnt es sich, die Liste mal schnell mehrfach durchzugehen. Nachdem ich das Personenkonsortium für mich sortiert hatte, packte mich die Geschichte mit ihren doch bisweilen sehr eigenen Charakteren. Was ich von Joe halten sollte war mir anfangs nicht so klar, aber in diesem Dorf ist wie auch sonst im Leben. Es lassen sich nicht immer alle in Schubladen von Gut und Böse einteilen, die einen sind mal so, mal so, wie es das Leben halt gerade mit sich bringt. Gerade in ihrer Ausgestaltung liegt für mich die absolute Stärke der Geschichte.
Das Dilemma in welchem Joe sich befindet, mutet aber erschreckend real an. Die Macht und den Einfluss von Prognoseprogrammen auf den Weltmarkt mag ich mir nicht vorstellen. Doch bei nahender Apokalypse, denken die meisten eher an Atomkatastrophen, Krieg, Klimakatastrophe, aber so was alljährliches wie die Grippe? Und doch sterben jedes Jahr Millionen Menschen weltweit an ihren Folgen.... und es gibt nie genügend Schutzimpfungen für alle und auch hier kann die Prognose, wie sich der diesjährige Erregerstamm entwickeln wird, irren. Dann gibt es keinen Schutz. Oder doch? Was wäre, wenn man in einem Dorf am Ende der Welt leben würde, ist das heute noch möglich? Was wäre bei völliger Isolation und Quarantäne das größte Problem? Die Nahrung, mangelnder Strom, fehlendes fließendes Wasser, Dorfkoller? Die Hürden und Schwierigkeiten sind mannigfaltig. Welche dieser Probleme sind lösbar und welche eigentlich eher unbedeutend und wie spielt der menschliche Faktor eine Rolle? Immerhin kennt in einem Dorf jeder jeden und das auch schon seit Ewigkeiten. Die menschliche Komponente des gestrandeten Fremden in einer festen, alteingesessenen Gemeinschaft inmitten einer Katastrophe ungekannten Ausmaßes und unvorhersehbarer Dauer macht diese Geschichte so fesselnd. Wie würde man selbst reagieren? Würde man über sich hinauswachsen oder zum absoluten Egoisten mutieren? Welche Rolle spielt der Wal, der immer wieder mahnend in der Bucht auftaucht? Nicht nur der streng logische Analyst verändert sich und erstaunt sich selbst. Die Dorfgemeinschaft überrascht den Trader und den Hörer und gibt Hoffnung auf die Menschlichkeit der Menschheit, in Zeiten, in denen es nicht selbstverständlich ist. Doch ist Joe nicht einfach eine strahlende Gestalt, er ist bisweilen auch etwas naiv. Man lernt aber auch seine Hintergründe kennen und die Analystin des Dorfes, durchschaut ihn besser als er die Märkte und sich selbst. Das macht sie unglaublich sympathisch auf schmunzelnde Art und Weise und dennoch lässt mich das Ende ein wenig ratlos zurück. Es ist wirklich ein hoffnungsfrohes Ende. Aber sind die Menschen tatsächlich so? Schön wäre es, ich bin da ein wenig unschlüssig. Während mich nach einem etwas überforderten Anfang das nahende Ende der Welt und seine möglichen einzigen Überlebenden wirklich fesselten und bannten, so machte mich das Ende etwas ratlos. Ist es das Ende, dass ich mir gewünscht hätte? Ich weiß es nicht, es macht mich zumindest nachdenklich und wird mich diese Geschichte nicht so schnell vergessen lassen, Cornwall und sein Wal werden noch eine Weile durch meine Hirnwindungen spuken. Dennoch dämpft es meine zwischenzeitliche absolute Begeisterung für diese mahnende Vision.
Johann von Bülow liest absolut fesselnd und wandelbar. In seiner Unaufgeregtheit spürt man die erdende Ruhe Cornwalls, mit seinen tiefen Wurzeln und noch tieferen Gefühlen, die überraschen und vor allen Unwägbarkeiten Halt bieten. Seine Stimme klingt diesmal erstaunlich mild und weich und gar nicht so tief und gebieterisch bestimmend, wie man es von ihm bisweilen kennt. Kein Hauch von Sherlock Holmes ist in der Stimme zu hören, sondern Mitgefühl und Ratlosigkeit. Es ist überraschend und dennoch glaubhaft zu hören.
Die Aufmachung in einer soliden Pappbox mit 3 MP3 und einem Booklet finde ich sehr ansprechend, haptisch angenehm und sehr edel.
Ein wirklich besonderes Hörbuch mit kleinen Schwächen.