Emotionale Science Fiction mit Anspruch und Denkanstößen – ein Highlight
Dies ist ein Science-Fiction-/Nahe-Zukunft-Thriller, der virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, genetische und technische Optimierung des Menschen und eine abgründige Arbeitswelt in den Mittelpunkt ...
Dies ist ein Science-Fiction-/Nahe-Zukunft-Thriller, der virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, genetische und technische Optimierung des Menschen und eine abgründige Arbeitswelt in den Mittelpunkt stellt. Präsentiert wird ein Feuerwerk an futuristischen Ideen, großen Gefühlen, Spannung, Atmosphäre und Denkanstößen.
Bestens geeignet für Fans der Verfilmungen „Tron“, „Gattaca“, „eXistenZ“ und „Snowpiercer“ und der Romane „Ready Player One“ (Ernest Cline), „Hologrammatica“ (Tom Hillenbrand), „Singularity“ (William Hertling), „Die Schwärmer“ (Willi Hetze), „Bios“ (Daniel Suarez) und „Helix“ (Marc Elsberg). Joshua Tree hat hiermit seinen bis dato besten Roman abgeliefert, der am ehesten seiner Trilogie „Das Signal“ ähnelt.
Kapitelweise wechselnd schlüpft man in die Perspektive von a. Hausdiener James, b. Genetikerin Rhea und c. 12-jähriger „Überflüssiger“ Adam. Umfeld und Intellekt unterscheiden sich stark.
Die Hauptfiguren sind individuell gezeichnet. Es bildet einen prägenden Teil der Handlung, mysteriöse Vergangenheiten und Geheimnisse zu ergründen. Ich erfreute mich daran, aufmerksam zu lesen, mal falschen Fährten zu folgen und mal mit Vermutungen richtig zu liegen.
Die Perspektive a. empfand ich als besonders gehaltvoll und aufgrund der fachlichen Ausführungen und Verstrickungen teils anstrengend zu lesen. Ich liebe James‘ Scharfsinn und trockenen Humor. Er ist ein schwer auszurechnender Charakter. Seine Wahrnehmungen u. a. zu Familienbildern schockieren und regen zum Nachdenken an. Die Perspektive b. ist etwas kühler gehalten und fügt spannende Rätsel, Informationen und Eindrücke hinzu. Perspektive c. steht im Zeichen großer Gefühle. Sprachlich passend gestaltet lassen Adams Erlebnisse mitfühlen, sie erschüttern und gehen zu Herzen.
Das Zusammenspiel der drei Erzählstränge ergibt mehr als die Summe ihrer Teile. Eine ganz tolle Komposition. Es ist aufregend, die futuristische Welt kennenzulernen. Einerseits insbesondere auf technischer Ebene inspirierend, andererseits abstoßend, dystopisch.
Entwicklungen sind schwer vorhersehbar. Es erfreuen diverse Wow-Effekte.
Die Geschichte zeichnet aus, nicht nur großartig zu unterhalten, sondern auch wichtige Zukunftsthemen anzuschneiden und Potenzial zum Sinnieren zu bieten, auch Tage später. Kommunikationsbarrieren und die Verdrängung von Menschen vom Arbeitsmarkt durch Künstliche Intelligenz, Maschinen und Genmodifizierungen werden vergegenwärtigt. Was bedeutet das für das Selbstwertgefühl, den freien Willen, die Familienplanung und Erziehung? Wie geht man mit dem (drohenden) sozialen Abstieg um? Was geschieht mit Menschen, welche die Gesellschaft nicht braucht? Wie erstrebenswert ist ewiges Leben? Was zeichnet Menschsein gegenüber künstlicher Intelligenz aus? …
Der Roman endet abgeschlossen. Zwischen echter und virtueller Welt schwebend, dürfte (sensibilisiert für ganz andere Details) auch mehrfaches Lesen interessant sein. Für Neulinge im Genre eine Herausforderung, die es lohnt, auf sich zu nehmen. Es unterstützen ein Glossar und ein Personenverzeichnis. Eines der besten Bücher, die ich kenne. Komplex, einfühlsam, dramatisch, nachhallend. Absolute Leseempfehlung!