Einblicke in die Arbeit einer Schöffin
Ruth Holländer steht kurz vor ihrem 50. Geburtstag, als sie zum 1.01. des kommenden Jahres als Schöffin ans Landgericht berufen wird. Ihr erster Fall führt sie am 09.01. in den Raum 500 der großen Strafkammer ...
Ruth Holländer steht kurz vor ihrem 50. Geburtstag, als sie zum 1.01. des kommenden Jahres als Schöffin ans Landgericht berufen wird. Ihr erster Fall führt sie am 09.01. in den Raum 500 der großen Strafkammer am Kriminal-gericht Berlin. Hier wird der Mord an einer jungen Kurdin verhandelt. Verdächtigt wird ihr Bruder. Geht es hier wirklich um einen Ehrenmord?
Judith Arendt nimmt mich mit in die äußerst spannende Welt der Gerichts-barkeit. Ich erfahre einiges über Schöffen und ihre Mitarbeit bei Gericht, eine Welt, die mir bisher ganz fremd war.
Ruth Holländer als Schöffin, alleinerziehend mit zwei Kindern und einem kleinen aber feinen französischen Bistro, macht auf mich den Eindruck einer starken, zupackenden Frau und ist mir sehr sympathisch. Im Laufe der Geschichte erfahre ich auch immer wieder Einzelheiten aus ihrem Privat-leben, dem Leben ihrer Eltern, Kinder und ihres Ex-Mannes. Den Kick für einen guten Tag holt sie sich allmorgendlich bei ihrem Besuch auf dem Großmarkt.
Aber auch das Leben des toten Mädchens und seiner Familie wird durch-leuchtet. Immer wieder schwenkt die Geschichte um auf die Zeit als die junge Kurdin noch lebt und vermittelt einen Eindruck über die seelischen Qualen, die Derya erleidet, als sie erfährt, dass sie, wie vor ihr schon ihre Eltern, verheiratet werden soll mit einem Mann, den sie zutiefst widerlich findet. Dabei liebt sie doch ihren Freund in Berlin.
Die dauernden Zeitenwechsel haben der Spannung, die sich von Anfang an aufbaut, keinen Abbruch getan. Im Gegenteil - je mehr ich aus der Vergan-genheit erfahre, umso spannender wird der Fall. Meine Verdächtigungen, die ich zwischendurch immer mal wieder hatte, wurden zerschlagen, bis zum Schluss doch der wahre Täter überführt werden kann.
Authentisch gezeichnete Personen mit ihren kleinen Eigenheiten, Fehlern und Schwächen, aber auch mit ihren Stärken und ihrem Mut geben der Geschichte ein Gesicht. Aber auch die Ortsbeschreibungen in Berlin konnte ich gut nachvollziehen. Mein Kopfkino hatte selten Gelegenheit, sich zu erholen.
Der erste Fall für Schöffin Ruth Holländer bleibt hoffentlich ihr letzter. Ich würde sehr gerne mehr über diese kluge und charismatische Frau lesen.