Leid. Leid. Leid
Die Grundkonstellation Hotelerbin-Betrüger-Fakeboyfriend hörte sich bekannt, aber interessant an. Leider kommt der "Betrüger" Memphis kaum zur Geltung, stattdessen beschäftigt sich das Buch gefühlt zu ...
Die Grundkonstellation Hotelerbin-Betrüger-Fakeboyfriend hörte sich bekannt, aber interessant an. Leider kommt der "Betrüger" Memphis kaum zur Geltung, stattdessen beschäftigt sich das Buch gefühlt zu 90 % mit der Protagonistin und ihrem Vaterkomplex - oberflächlich.
Interessant ist, dass der Arbeitstitel für das Buch "CinderellER" war - was wesentlich interessanter und prägnanter als der englische (!) austauschbare Titel gewesen wäre. Geht es bei Lügen nicht immer um die Wahrheit dahinter? Und was hat das mit einem Hotel zu tun?
Rezi enthält Spoiler!
Worum geht es?
Noelle hat ein Problem: Ihr Vater hätte lieber einen männlichen Erben gehabt und gibt ihr ständig das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Vor der finalen Präsentation von Boyfriend Daniel erwischt sie diesen in flagranti mit einer Kellnerin. Um vor ihrem Vater gut dazustehen, engagiert sie Memphis, doch der gibt ihr mehr, als sie gedacht hat.
Die Figuren
Noelle hat ein Talent für's Zeichnen, was an einer Stelle sehr gut ausgeführt wird. Ansonsten ein Sinn für Gerechtigkeit und einen Hang das nicht richtig ausdrücken zu können. Außerdem hat sie, ausgelöst durch den psychischen Druck, ein problematisches Essverhalten: Bei Stress isst sie fast nicht. Ich dachte an eine Anorexie, aber da sie am Ende des Buches normal und mit Freude ist, war das wohl eher psychosomatisch.
Memphis hat ein Problem mit seiner Familie und arbeitet in einem Restaurant. Nebenbei verdingt er sich, mehr oder weniger erfolgreich, als Trickbetrüger. Davon sieht man aber wenig. Er ist charmant, fühlt sich aber seinem Bruder unterlegen, was er entweder mit Verdrängung oder Überlegenheit überspielt. Memphis glaubt daran, dass man das Leben annehmen muss und aus jeder Situation rauskommt. Das hilft Noelle.
Wir haben hier wieder die Prinzessin und den edlen Ritter mit Ecken und Kanten. Daher müssen die Figuren nicht tief sein.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Wenig. Noelles Leiden tat weh, aber der Konflikt mit dem Vater bleibt eindimensional. Die anderen Familienmitglieder werden nicht eingebunden. Zu Cousine (?) Sadie hat sie ein gutes Verhältnis, wird von ihr aber nie wirklich unterstützt.
Ein weitere Konflikt angerissen wird, als der Vater im Verdacht steht, eine Mitarbeiterin unrechtmäßig entlassen zu haben. Auch hier wird das Problem einmal angedeutet, danach ist es erledigt. Das passt zu Noelles Passivität, aber es gibt dem Buch nur wenig.
Eine weitere Nebelkerze wird gelegt, als an einer Stelle Ohrringe verschwinden und Memphis im Verdacht steht, sie gestohlen zu haben. Natürlich wird der "Täter" ein paar Seiten später überführt.
Memphis' Problem mit Mutter und Bruder gibt dem Buch Spannung, wird aber nur halb aufgelöst. Wir erleben eine Konfrontation der Brüder, aber Memphis bewältigt seine Vorbehalte und Ängste nicht.
Was mich im Buch extrem gestört hat, war das Selbstmitleid Noelles. Bis 80 % weint und klagt sie und gibt sich für alles die Schuld. Danach kommt es zum ersten Höhepunkt, später eine retardierendes Moment und schließich das Finale. Immerhin funktioniert die Konstellation.
Eine erotische Szene gibt es, es bleibt aber bei Andeutungen und inmitten von Noells Selbstkritik verblasst sie ohnehin.
Auch der Schreibstil ist "normal", die Wortwahl nicht besonders, irgendwie plätschert alles einfach dahin.
Fazit
Liest man die Dankesagung, hätte aus einer interessanten Szene sehr viel werden können. Das, was ich gelesen habe, war es nicht. Die Figuren sind eindimensional, mögliche Tiefe wird im Keim erstickt. Die Handlung hat wenig Dramatik. Emotional hat es mich etwas gepackt, aber als sich der Konflikt totlief, wollte ich es nur noch beenden. Es war nicht schlecht, aber definitiv nicht gut.