Dat war nichts :(
Kelly Oram erzählt auch die Geschichte von Val wieder sehr greifbar und lebendig. Durch ihren flüssigen, angenehmen Schreibstil rauscht man nur so durchs Geschehen, kann sich dabei aber alles wunderbar ...
Kelly Oram erzählt auch die Geschichte von Val wieder sehr greifbar und lebendig. Durch ihren flüssigen, angenehmen Schreibstil rauscht man nur so durchs Geschehen, kann sich dabei aber alles wunderbar leicht vor Augen führen. Auf großartige Beschreibungen wird verzichtet, dafür wird auf Atmosphäre und ein zügiges Tempo gesetzt. Zuletzt habe ich den Stil der Autorin mit dem von Brittainy C. Cherry und Colleen Hoover verglichen – um dem stimme ich auch heute noch größtenteils zu. Gefühlvoll, echt und voller Emotionen – aber dabei trotzdem nicht zu anspruchsvoll. Selbst die Dialoge glänzen wieder, in dem sie glaubhaft und realistisch gehalten sind, ungezwungen wirken und Spaß machen. Allgemein gibt es nichts, was man in Bezug auf den Schreibstil und die Wortwahl, die passend für die Zielgruppe ausfiel, kritisieren könnte. Gut gemacht! Wieder einmal!
Corinna Dorenkamp als Sprecherin macht dabei auch einen wunderbaren Job. Ihre Stimme klingt jung und frisch, sehr dynamisch und sie verleiht der Geschichte zusätzlich Lebendigkeit und Authensität. Die verschiedenen Tonlagen und Geschwindigkeiten sind ideal gewählt und sorgen für das Auf und Ab während des Lesens. Die Dialoge sind spritzig und durch die Ich-Perspektive erschien es oft so, als würde Val tatsächlich selbst zu uns Lesern sprechen. Obwohl ich Corinna Dorenkamp bisher nicht kannte, konnte sie mich doch gleich auf Anhieb überzeugen und bleibt positiv in Erinnerung. Es hätten wohl nicht viele so gut gepasst, um Val’s Geschichte so realistisch zu vertonen.
Und genau hier endet das Lob. Die Idee an und für sich hätte noch Potential gehabt, um so richtig einzuschlagen – doch die Umsetzung scheiterte kläglich. Anfänglich kann die Handlung definitiv noch neugierig machen, doch es schien fast so, als würde sie sich schon nach wenigen Seiten selbst verlieren. Kelly Oram konnte sich wohl nicht so recht entscheiden, ob aus „V is for virgin“ nun ein tiefgründiger, aussagekräftiger Roman mit einer starken Protagonistin werden soll, oder doch lieber eine seichte Rockstar-Lovestory mit möglichst heißem Protagonist. So schwankte das Augenmerk immer wieder hin und her – und beides wirkte dementsprechend unausgereift. Die Kampagne rund um das Thema Jungfräulichkeit war grundsätzlich nämlich keineswegs schlecht! Kelly Oram hat es geschafft, dass Val trotz ihrer Radikalität kein Slutshaming betreibt. Sie animiert lediglich dazu, sich Gedanken darum zu machen, wem man „sein erstes Mal“ schenkt oder wen man allgemein an sich heranlässt; mit wem man so intim werden möchte. Und dass man es nicht tun muss, wenn man nicht bereit dafür ist. Trotzdem verurteilt die Story niemanden, der anderer Meinung ist und das ist in meinen Augen ein riesiger Pluspunkt! Die Message dahinter ist also top, blieb aber irgendwo zwischen nervigen Protagonisten, sexsüchtigen Teenagern, fehlenden Emotionen und zu viel Zickenkrieg zurück. Es wäre deutlich klüger gewesen, aus Kyle einen ganz normalen Kerl zu machen, anstatt eines Rockstars. Es gab keinen richtigen Spannungsbogen, das Interesse an der Handlung verblasst automatisch durch zu viel Teenie-Drama und die eigentlich schöne Aussage hinter dem Buch wirkt immer unwichtiger. Ich hätte mir klarere Linien gewünscht, weniger Liebe, weniger Rockstar und dafür mehr Ausdruck. Mehr „on point“, wenn ihr versteht, was ich meine. Mehr Tiefe innerhalb der Umsetzung und mehr Realität hätte so einiges rausreißen können, doch so war es manchmal ganz okay, manchmal einfach nervtötend. Vieles erschien unwirklich, überzogen und wenig glaubhaft. Zu viele Zufälle und zu viel Glück nahmen der Geschichte den Wind aus den Segeln.
Und das Ende.. ja das Ende. Schon kurz zuvor geschahen 2-3 Dinge, die zwar recht überraschend kamen, aber eher negativ ins Auge stachen. Und dann passierte alles so schnell und so aprupt, dass man kaum glauben konnte, dass es nun vorbei ist mit dem Buch. Wo bitte blieben die Emotionen? Das Mitfiebern? Der große Showdown. Es fühlte sich viel mehr so an, als wäre gerade eine Seifenblase geplatzt: plopp – weg.
In Sachen Charaktere kann „V is for virgin“ leider auch in keinster Weise mit Cinder und Ella mithalten. Während man sich damals wie im Sturm Hals über Kopf in die Protagonisten verliebte, ist es hier allenfalls ein laues Lüftchen, was da aufkommt. Keiner, wirklich keiner in dieser Geschichte hier überzeugt bedingungslos – außer vielleicht Jason (hieß er so?) aber es sind ja schließlich immer die Guten, die letztlich verlieren. Wie dem auch sei – Valerie jedenfalls konnte mich nicht für sich gewinnen. Sie schien stellenweise sehr radikal, ihre Beweggründe waren in keinster Weise nachvollziehbar und ihr Verhalten oft genau so wenig. Sie ging regelrecht mit Scheuklappen durchs Leben und reagierte oft seltsam innerhalb der Handlung. Blindlinks lief sie ohne Nachzudenken immer weiter ins Verderben und beschwerte sich dann letztlich darüber, was sie da alles erleben musste. Sie war sympathisch, das lässt sich nicht leugnen, doch viel mehr passierte da nicht. Eine Verbindung zu ihr herzustellen, gelang mir trotz aller Mühen leider überhaupt nicht – und das kann durchaus der Tatsache geschuldet sein, dass wir einfach grundverschieden ticken und ich das „Wieso und Warum“ überhaupt nicht verstand. Trotzdem hätte durchaus sowas wie ein Draht zueinander entstehen können, wenn sie einfach greifbarer gewesen wäre. An manchen Stellen glaubte man kurzzeitig mal mit ihr mitzuleiden, aber das verpuffte so schnell wieder, das es gut und gerne auch Einbildung hätte sein können. Auch die Entwicklung fehlte auf ganzer Linie. Keiner verlangt, dass sie ihre Prinzipien über Bord wirft und mit dem nächstbesten Kerl ins Bett springt! NEIN! Aber ein gewisses Maß an Verständnis für ihr Umfeld hätte irgendwann aufkommen sollen.
Kyle erschien mir währendessen etwas normaler (nein, nicht deshalb, weil er Valerie’s Ansichten nicht teilt, sondern weil er für einen Rockstar ein erstaunlich bodenständiger Charakter war). Trotzdem konnte er mein Herz lange Zeit genau so wenig erobern, wie Val. Dafür hätte einfach mehr da sein müssen als sein heißes Aussehen und sein sarkastischer Humor (der wiederum echt gut getroffen wurde). Was er aber definitiv aufwies, was die Weiterentwicklung, die man bei Valerie so schmerzlich vermisst hatte. Er wandelte sich und irgendwann wurde er dann doch noch zu einem akzeptablen Protagonisten für die Geschichte.
Ein paar Worte muss ich allerdings auch über Val’s beste Freundin loswerden. Cara war wirklich der Inbegriff von furchtbar. Was genau stimmte mit diesem Mädchen nicht? Völlig ichbezogen und selbstverliebt, ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer zieht sie ihr Ding durch und stößt jeden vor den Kopf, der nicht schnell genug in Deckung gehen kann. Also ehrlich: hätte ich eine solche Freundin.. obwohl nein, so eine Freundin hätte ich nicht, weil solche Menschen keine Freunde verdienen. Eine absolut katastrophale Figur, die der Geschichte nicht gut tat sondern immer wieder dafür sorgte, dass man tief durchatmen musste.
Alle anderen Figuren, wie Schulkameraden, Band-Mitglieder und Eltern sind aber wenigstens gut getroffen worden und ergeben insgesamt eine schöne Auswahl. Ihre Charakterzüge und Persönlichkeiten unterscheiden sich deutlich voneinander und die Abwechslung passte sehr gut ins Geschehen. Jeder trug seinen Teil zur Handlung bei und bereicherte sie mit seinem Auftreten.
FAZIT:
„V is for virgin“ von Kelly Oram zählt wohl zu den größten Enttäuschungen des Jahres – und warum? Weil die Erwartungen an die Geschichte derart weit oben lagen, dass sie eigentlich kaum zu erfüllen waren. Ich bin mir sicher, die Geschichte ist nicht schlecht, aber sie ist um Längen schlechter als „Cinder und Ella“. Da ich die beiden aber nicht großartig vergleichen möchte, konzentriere ich mich auf die Kritikpunkte, die mir hier begegnet sind: absolut schwache Charakter-Gestaltung bei den Protagonisten, eine schwammige Handlung und ein zutiefst enttäuschendes Ende. Und wo bitte waren die Emotionen?? Die fehlten leider komplett. Das alles überwiegt leider deutlich über den doch sehr angenehmen Stil, die gute Idee und die tolle Sprecherin. Schade. Ich hab mir viel mehr versprochen.