Märchen werden...gebloggt.
Liebe Daffy,
du kennst meine Cinderella-Leidenschaft, weshalb es dich ganz sicher nicht verwundert, dass ich dir heute wieder einmal von einer Adaption schreiben möchte: Kelly Orams Cinder & Ella, erschienen ...
Liebe Daffy,
du kennst meine Cinderella-Leidenschaft, weshalb es dich ganz sicher nicht verwundert, dass ich dir heute wieder einmal von einer Adaption schreiben möchte: Kelly Orams Cinder & Ella, erschienen 2018 bei One, hat mich schon seit Ewigkeiten angelacht und endlich bin ich dazu gekommen, in die Geschichte einzutauchen. Die Autorin hat das Buch unter dem gleichen Titel 2014 im Selfpublishing herausgebracht. Nun haben wir eine Übersetzung von Fabienne Pfeiffer vor uns und ich kann kaum erwarten, dir mehr zu berichten.
Inhalt
Ella ist Buchbloggerin mit Leib und Seele. Durch ihren Blog hat sie Cinder kennen gelernt, der aufgrund ihrer Rezensionen auf sie aufmerksam wurde. Die beiden sind die besten (Chat) Freunde geworden und schreiben sich seit Jahren Nachrichten, ohne die Identität des anderen zu kennen. Als Ellas Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt und Ella mit schrecklichen Verletzungen gerade so überlebt, stellt sich ihr gesamtes Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Sie muss ihr Zuhause in Boston verlassen und zu ihrem Vater, den sie kaum kennt, nach L.A. ziehen. Dieser hat mittlerweile ein neues Leben mit neuer Frau und zwei Töchtern, in welches Ella nicht zu passen scheint. Physisch und mental gezeichnet fängt Ella also einen neuen Lebensabschnitt an, der ihr mehr Steine in den Weg legt, als sie ertragen kann. Einzig der Chatkontakt zu Cinder hält sie aufrecht. Doch was Ella nicht weiß: Er ist nicht nur einfach irgendein Buchnerd, er ist Hollywoods begehrtester Jungschauspieler.
Another Cinderella Story?
Was haben wir hier für eine Geschichte vor uns? Du wirst es an meiner Zusammenfassung gemerkt haben, es erinnert stark an Grimms Aschenputtel – und es ist fürwahr eine Aschenputtel-Adaption. Nachdem ich große Schwierigkeiten hatte, in die Geschichte zu kommen, packte es mich circa bei Seite 120 und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Ich kann gar nicht festmachen, woran es lag, dass ich so schwer Zugang gefunden habe. Kelly Oram hat eine rundum tolle Märchenadaption geschaffen und sie sehr solide in der heutigen Zeit verankert.
Ella wirkt auf den ersten Blick wie eine stereotypische Jugendbuchfigur, die gern liest, hübsch und intelligent ist. Doch es gibt so viele Facetten, die mich überzeugt haben, dass Ella nicht nur das ist. Das Offensichtlichste ist wohl ihr Autounfall, bei dem sie schwer verletzt wird und dadurch körperlich entstellt wird und fortan mit Behinderungen leben muss, die ihr das Leben sehr schwer machen. Sie ist nicht nur physisch gezeichnet, auch mental geht es Ella nicht gut. Kelly Oram hat es ausgezeichnet herausgearbeitet, wie die psychischen Probleme bei Ella zustande gekommen sind und wie es sie tagtäglich vor neue Herausforderungen stellt – und sie nimmt die Hürden. Das habe ich sehr an ihr bewundert. Egal, wie oft sie fällt, sie hangelt sich wieder hoch und versucht es von vorn. Dabei steht sie sich manchmal selbst im Weg, oftmals sieht sie sich aber auch mit Problemen von außen konfrontiert.
An dieser Stelle möchte ich die Figurenkonstellation im Buch als Ganzes loben. Wir haben es hier nicht mit einem Jugendbuch zu tun, bei dem es zwar Eltern gibt, die aber eine nebensächliche Rolle spielen, während die Jugendlichen die Welt ganz auf eigene Faust retten. Nein. Die erwachsenen Figuren sind dicht in die Handlung verwoben und für die Entwicklung maßgeblich mitverantwortlich – im positiven wie im negativen Sinne. Jede Figur macht eine Entwicklung durch. Ich habe lange kein Buch mehr gelesen, dem das gelingt.
Alle Figuren haben ihre eigene Sprachmelodie bekommen, was ein wunderbar vielschichtiges Leseerlebnis abgibt. In all dem steht Ella mit ihrer sarkastischen Art im Mittelpunkt der Handlung und wir lachen und weinen zusammen mit ihr.
Die meisten Kapitel sind auch aus ihrer Sicht geschrieben, weshalb wir sehr nah an ihr dran sind. Doch einige Kapitel lesen wir aus der Perspektive ihres Chatfreundes Cinder. Die LeserInnen wissen sehr früh, wer Cinder in Wahrheit ist und haben somit einen Wissensvorsprung im Gegensatz zu Ella. Wir fiebern mit, wann er ihr endlich sagt, wer er ist und ob sie sich denn endlich einmal treffen werden. Die Beziehung zwischen Ella und Cinder ist sehr gut ausgearbeitet und nicht vom Himmel gefallen wie in vielen anderen Büchern. Bevor das Buch in die Handlung einsetzt, haben Ella und Cinder schon über mehrere Jahre hinweg gechattet. Sie sind also absolut keine Fremden mehr – wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass sie ihre Identitäten stets geheimgehalten haben. Auch Cinder weiß nicht, wer Ella ist oder wie sie aussieht. Das gibt der Geschichte eine wundervolle Note. Es geht durch Ellas Unfall auf vielen Seiten um das Aussehen und den Umstand wenn dieses entstellt ist. Ella und Cinder wissen nicht wie der andere aussieht. Sie verlieben sich in die geschriebenen Worte des anderen, in die Meinungen, die sie austauschen und die kleinen Geheimnisse, die sie sich anvertrauen. Ja, er ist der super heiße Schauspieler, ein Bad Boy schlechthin, das Jugendbuchklischee scheint erfüllt zu sein. Doch durch das Nichtwissen Ellas wird die Geschichte besonders und das hat mir super gefallen.
Du fragst dich nun sicher, warum ich hier schwärme und schwärme und dem Buch doch nur vier Sterne gebe.
Es hat mich gestört, dass mich diese Geschichte in zwei Punkten zu sehr an andere Cinderella-Adaptionen erinnert hat. Ellas körperliche Beeinträchtigungen waren mir denen von Cinder in The Lunar Chronicles, zu Deutsch Die Luna-Chroniken von Marissa Meyer zu ähnlich. Die Umsetzung, wie es Ellas Leben beeinträchtigt war klasse herausgearbeitet, aber die Idee war nicht innovativ. Genauso wie die Chatbekanntschaft von Cinder und Ella meiner Meinung nach zu dicht an der des Films A Cinderella Story war. Ich finde es toll, dass Kelly Oram ein Jugendbuch geschaffen hat, bei dem gezeigt wird, dass Liebe viel tiefer geht, als sich vom Fleck weg in den Schulschwarm zu verlieben, sobald man als neue Schülerin den Schulflur betreten hat; und er verliebt sich natürlich auch unsterblich in die graue Maus, die da nun vor ihrem Spind rot anläuft. Doch in einer Cinderella-Adaption gab es das anonyme Chatten nun mal schon und das kann ich nicht ignorieren.
Außerdem waren mir einige Stellen – und das sage ich als großer Märchenfan – zu kitschig. Doch all das macht nicht den Großteil meiner Haltung zum Buch aus und deshalb gebe ich dem Buch guten Gewissens vier von fünf Sternen.
Ich kann gar nicht erwarten, dass der zweite Teil auf Deutsch erscheint – schlicht, weil mir die Cover der deutschen Ausgaben besser gefallen und ich diese Sammlung im Regal stehen haben möchte. Bis dahin kann ich dir den ersten Teil nur wärmstens empfehlen und wir hören uns auf jeden Fall, wenn ich den Brief zum zweiten Band schicke.
Im Zeichen der Freundschaft,
Daisy