Lassen sich Reminiszenzen auszirkeln und topographisch darstellen?
Schonungslose Selbstanalyse in poetischen Sätzen verwoben mit der ( fiktionalisierten ? ) Lebensgeschichte des Amerikaners M. im Iran!
Knud Romer hat immer davon geträumt, beim Insel Verlag veröffentlicht ...
Schonungslose Selbstanalyse in poetischen Sätzen verwoben mit der ( fiktionalisierten ? ) Lebensgeschichte des Amerikaners M. im Iran!
Knud Romer hat immer davon geträumt, beim Insel Verlag veröffentlicht zu werden und offensichtlich ist ihm das gelungen, obwohl er selbst schon nicht mehr daran geglaubt hatte. Er ist mit den klassischen Autoren ebenjenes Verlages aufgewachsen. Er liebt Rilke, Hoffmansthal, Novalis, Lord Dunsany und viele andere.
Sein Vater ist Däne und die Mutter Deutsche, deren ehemaliger Verlobter im Dritten Reich bei "Der roten Kapelle" aktiv war und umgebracht wurde. Knud ist schon allein dadurch bilingual und hat Verwandte in Deutschland, die immer wieder besucht werden. So wächst er in Falster im Spannungsfeld zweier Kulturen auf, die sich zwar ähneln und trotzdem unterscheiden.
Er verspürt den brennenden Wunsch Autor zu werden und fängt an Literaturwissenschaft zu studieren. Er ist erstaunt, wie weltfremd, einseitig orientiert und teils lieraturfeindlich diese Akademiker doch sind. Sie lehnen snobistisch rundweg manche Genres ab, zum Beispiel Fantasy und verachten "Herr der Ringe" ( ! ).
Im Grunde genommen fühlt sich Knud dort nicht wirklich wohl. Er flüchtet in Alkohol und Drogen. Nach zwölf Jahren hat er immer noch keinen Abschluß und hört auf. Es macht keinen Sinn mehr, weil keines seiner komplexen Thematiken akzeptiert wird. Er hat zum Beispiel eine Abhandlung über Stuhlgang, Latrinen und derer kultursozialen Bedeutung sowie der Sublimierung dieser Ausscheidungen und damit auch Sexualität des Bürgertums sehr anschaulich beschrieben.
In den 80er Jahren war Knud so hedonistisch wie dieses Jahrzehnt und er gibt ausgezeichnet wieder, wie kalt diese Dekade doch war.
In den Neunziger Jahren wird er via Seiteneinstieg Werbefachmann, mit durchschlagendem kreativen Erfolg und anwachsendem Gehalt.
Er bekommt sogar eine Rolle in Lars von Triers " Idioten", lernt die Croisette und Cannes lernen, aber spricht dem weißen Pulver etwas zu sehr zu.
Nach dem Milleniumswechsel verliert er Job und Wohnung. Letztere hat er total verwahrlosen lassen. Eklig!
Nachdem schon seine Mutter verstorben war, verliert er seinen dementen, im Pflegeheim lebenden Vater an den Tod. Er beschreibt das berührend und in großer Trauer.
Endlich lernt er eine tolle Frau kennen, Rebekka, Musikerin und sein Inseltraum wird wahr! Er darf die geheiligten Hallen der Suhrkamp- Inselgruppe betreten als auch die Villa Unseld.
In die Geschichte sind immer wieder Erzählstränge rund um den heranwachsenden ( fiktiven? ) ( Alter ego? ) Amerikaner M. eingewoben. Sein Vater, vordergründig Diplomat, aber CIA - Agent lebt mit den zwei Söhnen, den Zwillingsschwestern und der russischen Ehefrau erst in der Türkei, dann im Iran Anfang der Siebziger mit dem Regime des Schahs und die Geheimpolizei terrorisieren die Bevölkerung. Dank einer unzulässigen, aber typischen Einmischung der USA in innere iranische Angelegenheiten kam jener Schah überhaupt an die Macht. Die zeitgeschichtliche Historie im Iran ist sehr authentisch und erschreckend wiedergegeben. Hunde gelten im Islam offenbar als unrein und werden erschossen, aber hinterher trifft das dann die Zweibeiner. Die Amerikaner führen sich großkotzig im Iran auf. Etwas Unvorhergesehenes passiert...
In dieser Autofiktion analysiert sich Knud Romer gnadenlos. Er seziert sich und sein Inneres auf äußert schmerzhafte Weise. Sein Abstieg in die eigene Hölle mit Alkohol und Drogen. Seine zerplatzten Träume, sein Empfinden, ein Fremdkörper in der Gesellschaft zu sein, ein Ausgestoßener, ein Außenseiter, weil er nicht nützlich ist, kein Geld verdient.
Ein assoziatives, poetisches Buch mit der Unsicherheit und der Unschärferelation, ob und wie man Reminiszenzen vertrauen kann. Durch die Zeitsprünge versteht es der Autor, die Funktion des Gedächtnis ausgezeichnet zu illuminieren, das ebenso nicht unbedingt chronologisch arbeitet, sondern auch zwischen den Erinnerungen "hüpft". Wir sind nun einmal Erinnerung, wenn man es auf diese Formel herunterbricht. Die Populärkultur mit all der Musik und Filmen ( vor allem mein Lieblingsfilm "Der Hexenjäger" mit Vincent Price vom britischen Regisseur Michael Reeves, der jung Suizid beging, findet Erwähnung! ) wird von dem Autoren eingebunden.
Ein sehr persönlicher Roman mit lyrischem anspruchsvollen Ausdruck in starker Prosa. Ich kann gar nicht nachvollziehen, warum seine Poeme abgelehnt wurden! Eine Seele, die entblößt daliegt und Empathie beim Leser / in weckt! Ein wundervolles Meisterwerk von einem Buch! Danke Knud Romer! Danke Insel!