Sie verstehen meine Sprache nicht mehr
Lucinda, ein 16-jähriger Teenager, die mit ihrer jüngeren Schwester Malina und den Eltern Isa und Frieder in einer gutbürgerlichen Wohngegend im eigenen Haus lebt, steckt voll in der Pubertät. Sie provoziert, ...
Lucinda, ein 16-jähriger Teenager, die mit ihrer jüngeren Schwester Malina und den Eltern Isa und Frieder in einer gutbürgerlichen Wohngegend im eigenen Haus lebt, steckt voll in der Pubertät. Sie provoziert, bestimmt, eckt an, ist frech, vorlaut, arrogant, aber auch kreativ, sensibel, scheut kein Risiko und wird von ihrer kleinen Schwester vergöttert. Die Eltern, die die beiden Mädchen beim Vornamen nennen, kommen langsam an ihre erzieherischen Grenzen. Als der 18-jährige Robert, der sich Jarvis nennt, im Nachbarhaus einzieht, scheint Lucinda, die von allen Jungs bewundert wird, die erste Liebe zu spüren. Aber ihre Zerrissenheit bleibt. Und sie zieht Jarvis mit in ihren Abgrund.
Ich habe mich anfangs beim Lesen etwas schwer getan, da ich nicht wusste, wohin mich die Reise mit Lucinda und Malina, die die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt, führt. Das Thema Pubertät, Liebe und Magersucht wird auch nicht speziell angesprochen – es ist irgendwann einfach fühlbar und da. Ganz langsam werde ich, genau wie Isa und Frieder und vor allem Malina, in Lucindas Leben außerhalb der Spur hinein gezogen. Und obwohl Lucinda unter ihrer Krankheit leidet, habe ich noch mehr mit Malina gefühlt, die zu ahnen scheint, was mit ihrer Schwester passiert, aber nichts dagegen tun kann. Die sich, genau wie die Eltern sorgt, und leidet, auch mit den Eltern. Derweil rutscht Lucinda immer weiter in ihre seelische Krise, will sich aber auch nicht helfen lassen, sieht nur noch schwarz.
Ich erlebe hautnah, wie sich Lucinda immer mehr verändert, immer tiefer abrutscht, im wahrsten Sinn des Wortes immer weniger wird. Und das alles ohne den erhobenen Zeigefinger. Zwei schwarze Seiten im letzten Drittel des Buches vermitteln mir eine Aussicht auf die Trostlosigkeit, die von Lucinda ausgeht und die die ganze Familie zu zerstören droht.
Mit ihrem Debütroman hat mich Lara Schützsack nicht sofort gefangen. Aber als sich die Geschichte verdichtet und ich die Richtung geahnt habe, in die es gehen wird, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich habe einige Romane gelesen, die diese Themen behandelt haben, aber keine der Geschichten hat mich emotional so berührt. Ich denke, die klare Sprache, die knappen Formulierungen werden auch gerade junge Leser/innen ansprechen.
Ein wunderbares Buch voller Poesie, erschreckend, fesselnd, humorvoll, ausdrucksstark, traurig und so voller Liebe, dass ich es nicht nur jungen Lesern ans Herz legen möchte. Mich wird die Geschichte bestimmt noch eine Zeit lang beschäftigen.