In dem Sommer, in dem Mina dem achtzehnjährigen Vetko näherkommt, verändert sich für sie alles: Sie merkt, dass sie anders ist als der Rest des Dorfs. Was sich anfühlt wie ein Defekt, ein Fehler im System, wird für Mina bald der Punkt, um den sich ihr Leben dreht. Während Vetko und sie eine Verbindung zwischen Lust und Schmerz herstellen und Vetkos Forderungen immer existenzieller werden, sieht sie sich zusehends vor die Entscheidung gestellt, wie weit sie noch gehen soll. Duldet der Weg, den sie eingeschlagen hat, überhaupt einen Kompromiss?
Leona Stahlmann erzählt in außergewöhnlicher, sinnlicher Sprache vom Aufwachsen mit einer von der Norm abweichenden Sexualität und von den Rissen in unseren Begriffen von Heimat und Identität. Sie erzählt von Mensch und Natur und von der Wucht, wenn sie in ihrer Rohheit aufeinandertreffen.
"Aber Körper sind dafür gemacht, dass wir sie abnutzen. Bearbeiten. Leben darin aufbewahren. Wir können Gefühle haltbar machen, nur mit unseren Körpern.“ (ZITAT)
In dem Sommer, in dem Mina dem achtzehnjährigen ...
"Aber Körper sind dafür gemacht, dass wir sie abnutzen. Bearbeiten. Leben darin aufbewahren. Wir können Gefühle haltbar machen, nur mit unseren Körpern.“ (ZITAT)
In dem Sommer, in dem Mina dem achtzehnjährigen Vetko näherkommt, verändert sich für sie alles: Sie merkt, dass sie anders ist als der Rest des Dorfs. Was sich anfühlt wie ein Defekt, ein Fehler im System, wird für Mina bald der Punkt, um den sich ihr Leben dreht. Während Vetko und sie eine Verbindung zwischen Lust und Schmerz herstellen und Vetkos Forderungen immer existenzieller werden, sieht sie sich zusehends vor die Entscheidung gestellt, wie weit sie noch gehen soll. Duldet der Weg, den sie eingeschlagen hat, überhaupt einen Kompromiss?
Stahlmann hat meiner Meinung nach einen ganz außergewöhnlichen Schreibstil, der mich gleich zu Beginn gefesselt hat. Sie schreibt sehr sinnlich und flüssig vom Aufwachsen mit einer von der Norm abweichenden Sexualität und von den Rissen in unseren Begriffen von Heimat und Identität. Sie erzählt von Mensch und Natur und von der Wucht, wenn sie in ihrer Rohheit aufeinandertreffen. Zeitgleich sind viele Passagen auch hart geschildert.Nicht nur das, was an verletzenden Körperlichkeiten zwischen den beiden geschieht. Was ihren Roman zum Leseerlebnis macht, ist nicht die Drastik der Geschehnisse, die sie beschreibt, sondern der diametrale Kontrast ihrer Sprache zum Geschehen.
Das Cover gefällt mir wirklich ausgesprochen gut.
Klare Leseempfehlung meinerseits.
"Bestimmte Wörter ziehen Mina schon als Kind an, als sie das Lexikon ihrer Eltern aufschlägt: Wörter wie ORDNUNG, STRAFE, DISZIPLIN. Jahre später werden sie ihr, in Variationen und Rekombinationen, in der Abkürzung BDSM wiederbegegnen: Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism." (ZITAT)
Leona Stahlmann, geboren 1988, lebt in Hamburg und arbeitet als Autorin, Journalistin und Veranstalterin. 2017 gewann sie den Hamburger Förderpreis für Literatur, 2018 war sie Stipendiatin der Romanwerkstatt des Literaturforums im Brecht-Haus in Berlin und gewann den ersten Wortmeldungen-Förderpreis. »Der Defekt« ist ihr Debütroman.
Ein sehr spezielles und verstörendes Buch, welches mit einem absolut wunderbaren literarischen Schreibstil überzeugt. Dennoch kein Buch für jedermann und in meinen Augen eines, welches eine zweite Lektüre ...
Ein sehr spezielles und verstörendes Buch, welches mit einem absolut wunderbaren literarischen Schreibstil überzeugt. Dennoch kein Buch für jedermann und in meinen Augen eines, welches eine zweite Lektüre erfordert, um alles in seiner Gänze verstehen zu können.
Mina ist 16 Jahre alt, als sie mit dem zwei Jahre älteren Vetko zusammenkommt. Sie weiß selbst nicht so genau, wie das passiert ist. Sie haben sich einander schleichend angenähert, verbunden durch heimliche ...
Mina ist 16 Jahre alt, als sie mit dem zwei Jahre älteren Vetko zusammenkommt. Sie weiß selbst nicht so genau, wie das passiert ist. Sie haben sich einander schleichend angenähert, verbunden durch heimliche Momente am Wasser. Mina macht ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit ihm und bald stellt sich heraus, dass sie auf dieser Ebene sehr viel gemeinsam haben. Sie passen perfekt zusammen. Sie beide fühlen sich zur dunklen Seite der Liebe hingezogen. Doch kann das richtig und gut sein, wenn es doch in ihrem Heimatdorf nicht normal ist? Nicht das ist, was alle anderen tun?
Minas Leben ist geprägt von den Verboten seitens ihrer Mutter. So ziemlich alles ist verboten. Irgendwie ist sie in die Beziehung mit Vetko hineingerutscht. Doch sie halten sie geheim. Ebenso, wie ihre sexuellen Vorlieben, die so „unnormal“ sind. Mina überlässt Vetko immer mehr die Kontrolle über ihren Körper und erlebt Lust durch Schmerz.
Ich finde es ist ein sehr mutiges Buch. Zwei Jugendliche, die ihren Weg suchen und feststellen, dass er nicht der Norm entspricht, sich davon aber nicht abhalten wollen. Es gibt viele Andeutungen in Richtung Sex, aber nur wenige Szenen, in denen tatsächlich etwas passiert. Mina deutet fast alles immer nur an. Was daran aber stört ist, dass sie oft unglaublich weit ausholt. Sie beschreibt ihr Dorf und seine Bewohner und das was „normal“ ist immer und immer und immer wieder. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, jeden Dorfbewohner zu kennen, weil die Beschreibung oberflächlich bleibt. Durch diese weitschweifige Erzählung muss man extrem aufpassen, nicht wegzudriften.
Die Haupthandlung rund um Mina und Vetko finde ich sehr gelungen. Doch die vielen Gedanken von Mina, später auch von Vetko waren mir zu verworren. Ich kam einfach nicht mehr mit. Ein Gleichnis jagt die nächste Metapher und verliert sich kurz darauf in hochtrabenden Gedankengängen. Die Handlung rund um Mina und Vetko nimmt vielleicht 20-30% des Buches ein, der Rest sind weitschweifende Gedanken, denen ich oft einfach nicht folgen kann. Ich finde es schade, weil das Buch echt viel Potential hat.
Es ging um Jugendliche, die ihre Sexualität entdecken und feststellen, dass sie „anders“ sind. Dass ihre Vorstellung vom Leben nicht „normal“ ist in ihrem Dorf. Gleichzeitig müssen sie sich darüber klar werden, was sie wollen. Was wollen sie von der Zukunft, von einander und können sie es schaffen auch das auszuleben, ohne schlechtes Gewissen oder Angst.
All das wird aber irgendwann überlagert von diesen verworrenen Gedanken. Da finden sich Naturbeschreibungen von Pflanzen und Tieren, von der Umgebung des Dorfes, von Plänen der Dörfler und noch vieles anderes. Dieser Teil der Handlung hat mich leider extrem gelangweilt. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass unter all den Gedankengängen, den Gleichnissen und Metaphern die sexuellen Handlungen der beiden Protagonisten versteckt werden sollten. Da auch diese oft nur angedeutet wurden, musste man sehr aufpassen, um sie nicht einfach zu überlesen. Ich musste allgemein sehr aufpassen, um das Buch nicht einfach nur quer zu lesen.
Fazit: Das Buch hat unheimlich viel Potential. Es behandelt ein Thema das, unter Erwachsenen, modern ist, unter Jugendlichen aber tabuisiert wird. Wir alle haben schon von Fifty Shades gehört, man mag davon halten, was man will, aber diese Bücher haben dafür gesorgt, dass ein Thema ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt und Tabus abgebaut wurden. Dieses Buch versucht ähnliches, aber deutlich weniger explizit. Es geht um zwei Jugendliche, die miteinander eine andere Form der Sexualität teilen, als alle anderen in ihrem kleinen Dorf. Eine dunkle Form. Doch sie wird fast immer nur andeutet und selten in klare Worte gefasst. Ich finde es ist ein sehr wichtiges Thema. Es gibt viele, die schon in jungen Jahren ihre sexuelle Identität suchen und finden, sich aber nicht trauen das vor anderen oder auch vor sich selbst zu bekennen, weil sie von der „Norm“ abweicht. Ihnen wird klar vorgegeben was „richtig“ und „normal“ ist und weichen sie dann davon ab und sei es nur in ihren Fantasien und Gedanken, fühlen sie sich oft schuldig und schmutzig oder gar pervers. In dieser Hinsicht finde ich es wichtig, dass dieses Buch das Thema behandelt.
Was ich allerdings sehr schade finde ist, dass dieses wichtige Thema unter geht, erschlagen wird von ausufernden Gedankengängen, gespickt mit jede Menge Gleichnissen und Metaphern. Irgendwann werden es so viele, dass man die eigentliche Handlung kaum noch erahnen kann. Diese Gedankengänge empfand ich als sehr verworren und extrem langweilig. Ich musste mich wirklich zwingen weiterzulesen und nicht abzudriften. Ich wollte aber wissen, wie es für die beiden Protagonisten aus geht.
Von mir bekommt das Buch 2,5 Sterne, mehr ist leider einfach nicht drin. Schade! Es hatte wirklich viel Potential.