Ach, wie schade.
Ich hatte meine Hoffnungen auf diese Geschichte gesetzt und mich sehr über das Rezensionsexemplar gefreut (danke an den Verlag!), aber entgegen der Bewertungen, die ich im Vorfeld schon ein bisschen durchgestöbert hatte, ist diese Geschichte leider nichts Besonderes, sondern genau das, was man hinter dem Cover eben vermutet: eine total typische High-School-Romanze, bei der so richtig ordentlich tief in die Klischeekiste gegriffen wurde.
Alle Charaktere waren für mich eindimensionale Stereotype.
Wir haben die offenbar aus den 50ern stammende Mutter, die in Blümchenschürze das Essen bereithält, dem hart arbeitenden Dad an der Tür die Jacke abnimmt, total gefühlsduselig ist und bei jedem Pups feuchte Augen bekommt.
Wir haben lauter ältere Herren, die den Protagonisten mögen und ihm mit Rat oder Sprüchen zur Seite stehen: der Opa, der Verkäufer im Zooladen, der Lehrer - der übrigens an einer Stelle über die anderen Schüler sagt, sie wären "intellektuell obdachlos"... ich meine, wie widerlich ist das? Jemand der so über die Menschen denkt, die er unterrichten soll, ist vermutlich kein besonders guter Lehrer.
Mal ganz abgesehen davon, wie das Wort "obdachlos" hier verwendet wurde.
Wir haben die Schul-Zicke Rachel, die ständig "hysterisch keift". Mit diesem Wording hat man Frauen ja schon immer gern den Irrational-Stempel aufgedrückt.
Wir haben den Bully Mason, groß, Sportler und doof wie Brot.
Wir haben den Love-Interest, der sich so aufdringlich benimmt wie im Genre leider üblich und der außerdem in einer Beziehung mit einem Mädchen ist, über das er nicht grade nett spricht. Ihn nervt es, dass es immer um die "heilige Hannah" geht, obwohl er sie ja eher als Schwester sieht. Ja, blöd nur, dass sie davon nichts weiß, weil er (anfangs) nicht den Hintern in der Hose hat, es ihr zu sagen... und trotzdem scheint er deswegen auf irgendeine Art wütend auf sie zu sein, vielleicht, weil er davon ausgeht, dass sie Gedanken lesen kann und nur noch aus Bosheit mit ihm zusammen ist, wer weiß.
Und natürlich haben wir unseren Protagonisten.
Sam ist was ganz besonderes und wirklich vollkommen anders, als alle anderen in seinem Alter. Ganz ehrlich. Und damit wir das nicht vergessen, sagt er uns das immer und immer wieder.
Was ihn so anders macht? Er hat seinen besten Freund bei einem Unfall verloren, liest gerne und hat keine Lust, sich zu betrinken.
So einen hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben!
Spaß beiseite, ich will ja auch gar nicht gemein sein, aber Sam war für mich nur schwer erträglich. Dabei mochte ich ihn ganz zu Anfang noch, denn ich habe eine große Schwäche für zartbesaitete, schüchterne und gefühlvolle Männer und Jungs.
Leider zeigt sich dann aber schnell Sams wahres Gesicht, denn er hält sich definitiv für was Besseres. Er guckt wieder und wieder auf andere runter und steckt sie in winzige Schubladen.
Mal ein kleiner Tipp: Die Tatsache, dass man gerne Bücher liest, macht einen weder besonders noch besser. Und das sage ich als absoluter Bücherwurm. Menschen haben unterschiedliche Hobbies, die alle in Ordnung sind und lesen bereitet nicht allen Freude.
Beim Schreibstil ist noch viel Luft nach oben (das ist der Fluch der Vielleserin, man hat so wahnsinnig viele Vergleichsmöglichkeiten).
Manche Stellen waren langweilig, einiges hölzern und Sam, der uns seine Geschichte in der Ich-Form erzählt, klingt überhaupt nicht wie ein 17jähriger, wenn er sich beispielsweise auf die "Besorgung seines Snacks" konzentriert oder "keinen Bedarf an Gesprächen" hat.
Bei der wörtlichen Rede dachte ich immer wieder, dass so doch keine normale Unterhaltung zwischen Schülern klingt. Es fühlte sich teilweise eher an, als würden zwei Geschäftsmänner einen Text vorlesen.
Hinzu kommt, dass die Tagebucheinträge des Großvaters genauso klingen wie Sam selbst.
Da es sich hier um ein Erstlingswerk handelt, bin ich mir sicher, dass der Autor sich da im Laufe der Zeit noch verbessern wird.
Wer eine klischeehafte High-School-Romanze sucht, in der Themen wie Mobbing und Trauerbewältigung angerissen werden, wird mit diesem Buch sicher zufrieden sein.
Es hat ja bereits viele positive Bewertungen und das ist gut so.
Auch wenn mein persönlicher Geschmack hier nicht getroffen wurde, wünsche ich dem Autor alles Gute und seinen Fans weiterhin schöne Leseerlebnisse mit seinen Geschichten!