Alice Marinn wurde, seitdem sie als Kind an einer Gehirnhautentzündung litt, stets von ihren Eltern vorgezogen und bemuttert. Sehr zum Verdruss der stillen und lieben, älteren Schwester Lucy, die das Verhalten ihrer Eltern immer schmerzte. Mittlerweile erwachsen denkt Lucy nur noch selten über ihre egozentrische, kaltherzige Schwester nach- bis zu dem Zeitpunkt, als ihr Freund Kevin ihr eröffnet, dass er sich von Lucy trennen möchte und zu allem Überfluss auch noch vor hat, Lucys Schwester zu heiraten. Dermaßen abserviert zu werden und dann auch noch in dem Gefühl, dass ihre eigene Schwester keinerlei Skrupel hatte, sie zu hintergehen, braucht Lucy erst einmal Luft und begegnet bei einem einsamen Spaziergang am Meer einem attraktiven Fremden.
Sam Nolan, ein ortsansässiger Winzer, lebt zusammen mit seinem Bruder Mark und Holly, die kleine Nichte der beiden Männer, in einem wunderschönen alten Haus im viktorianischen Stil. Er hätte die perfekte Lösung für Lucy parat die händeringend eine neue Bleibe sucht, da Marks alte Wohnung noch leer steht. Bei einer gemeinsamen Wohnungsbesichtigung spüren beide gleich eine starke Anziehungskraft, doch sowohl Sam als auch Lucy steht der Kopf nicht nach einer festen Beziehung. Besonders Sam ist nach der katastrophalen Ehe seiner alkoholkranken Eltern fürs Leben geschädigt. Er lässt sich lediglich auf zwanglose Flirts und One-Night- Stands ein und selbst die Tatsache, dass sein Bruder Mark bereits die Liebe seines Lebens gefunden hat, kann ihn nicht zum Umdenken bewegen.
Doch Lucy ist eine Frau mit vielen Talenten und mit viel Herz und Sensibilität geschaffen. Wird es ihr gelingen Sams äußeren Panzer zu knacken?
Lisa Kleypas gehört seit vielen Jahren zu meinen Lieblingsautorinnen im Historical-Genre und so war es für mich auch keine Frage, dass ich auch bei ihrem Genrewechsel ins Contemporaryfach mitzog. Der erste Teil der „Friday Harbor“ Reihe entpuppte sich zwar durchaus als nette Unterhaltungslektüre, doch all die Zutaten, die Lisa Kleypas Historicals so einzigartig machen, wie tiefgründige Charakterisierung der Protagonisten plus Wohlfühlatmosphäre fehlten hier über weite Strecken, so dass ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht war vom „Winterwunder von Friday Harbor“. Dennoch wollte ich, auch weil die Leseprobe im ersten Band zum zweiten Teil so interessant klang, unbedingt wissen wie es weitergeht in Friday Harbor und bin nun, nachdem ich „Zaubersommer in Friday Harbor“ ausgelesen habe, froh darüber der Autorin in Sachen Contemporary noch eine weitere Chance gegeben zu haben, denn dieser Roman ist wieder ein typischer Kleypas so wie ich ihn mir erhofft habe. Zudem umfasst diese Story auch einige Seitenzahlen mehr (297), als es beim Vorgängerband der Fall war und so bot sich der Autorin diesmal mehr Raum zur Entfaltung ihrer Haupt und Nebenfiguren, was sehr viel ausmachte.
Daneben stimmt zwischen Lucy und Sam auf Anhieb die Chemie. Beide sind zwei sehr sympathische Akteure, die dazu auch noch mit interessanten Berufen aufwarten können. Nebenher lässt Lisa Kleypas sowohl Interessantes über den Weinbau als auch über die Glaskunst in ihre Story miteinfließen; allerdings wohldosiert; dass auch Leser, die an diesen Themen weniger interessiert sind, sich voll und ganz auf die Liebesgeschichte konzentrieren können.
Die angesprochene Wohlfühlatmosphäre kommt im zweiten Teil endlich wieder voll zum Tragen und durch Sams Brüder, die niedliche Holly und Lucys Freundinnen, gelingt es der Autorin dazu humorvolle Akzente in ihrem aktuellen Buch zu setzen. Zugegeben, ich hätte mir das Ende des Romans ein wenig ausgedehnter und eindrucksvoller beschrieben gewünscht und auch die Sache mit Alice wurde mir eine Spur zu lieblos und unspektakulär abgehandelt (Eine Heldin, die nicht richtig aus der Haut fährt, wenn ihre Schwester ihr den Mann ausspannt?), doch in Sachen Schreibstil und Romantik hat Lisa Kleypas im Vergleich zu ihrem Contemporary- Erstlingswerk einen großen Sprung gemacht und so sind meine Kritikpunkte eigentlich eher nebensächlich.
Kurz gefasst: In „Zaubersommer in Friday Harbor“ zeigt die Autorin endlich wieder, was sie zu den ganz Großen im Liebesromansektor werden lassen hat: Eine romantische Love Story, Wohlfühlatmosphäre und liebenswerte Haupt und Nebenfiguren machen das Buch zu einem echten Lesevergnügen.