Ihre ersten beiden Krimis „Die stille Kammer" und „Das Mädchen im Dunkeln" wurden Bestseller. Nun erscheint mit „Das Böse in deinen Augen" Ihr dritter Roman. Wie fühlt sich das an und was ist Ihr Geheimrezept?
Ich versuche, mich nicht davon beeinflussen zu lassen, wie erfolgreich oder nicht erfolgreich meine bisherigen Romane waren. In dem Moment, in dem ein Buch auf den Markt kommt und damit draußen in der Welt ist, kann ich nicht mehr steuern was als Nächstes passiert. Also schaue ich in diesen Fällen nur noch nach vorn und schreibe meinen nächsten Roman. Ich wünschte, es gäbe irgendein Geheimrezept. Ich schreibe einfach die Art von Buch, die ich selbst gern lese und hoffe, dass andere das dann auch gern lesen.
Ihr neuer Psychothriller ist ein ungemein spannender Roman, in dem es um eine „heilige Kuh" geht: ein – vermeintlich – böses Kind. Was macht es den Menschen so schwer, auch nur die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ein Kind könne von Grund auf böse sein?
Für unsere Begriffe – und das geht uns allen so – sind Kinder reine und unschuldige Wesen, weil sie die unschuldigste Version unserer Selbst sind, die Welt sie noch nicht verdorben hat. Zu akzeptieren, dass ein Kind etwas von Grund auf Böses tun kann, heißt zugleich zu akzeptieren, dass das wahre Böse von Geburt an in uns steckt und das ist furchterregend.
Was war der Auslöser dafür, dass Sie sich für dieses Thema entschieden haben?
Ich wollte zu Anfang über eine Frau schreiben, die nicht an das Böse glaubte sowie darüber, was diesen Unglauben auf die Probe stellen könnte. Dadurch musste ich mir die ultimative Herausforderung einfallen lassen – ein Kind, das die Leute für böse hielten. Konnte man sie davon überzeugen? Was müsste passieren, um sie davon zu überzeugen? Und welche Konsequenzen würde das haben?
In Ihrem Roman zieht die Psychologin Imogen Reid nach einem beruflichen Drama in ihr Heimatdorf Gaunt zurück, um dort für die Einrichtung Place2Be zu arbeiten. Können Sie Ihren deutschen Lesern kurz umreißen, was die Aufgabe dieser Organisation ist?
Place2Be ist im Vereinigten Königreich die führende gemeinnützige Organisation für psychisch kranke Kinder und Jugendliche. Sie bietet Schulen Unterstützung - und zwar sowohl den Schülern, als auch ihren Familien, Lehrern und übrigen Mitarbeitern. Das ist mit dem Sozialdienst vergleichbar nur, dass diese Einrichtung halt in Schulen tätig ist.
Gleich bei ihrer Ankunft in Gaunt begegnet Imogen der 11jährigen Ellie Atkinson. Sie wird von den Dorfbewohnern für eine Hexe gehalten, weil Menschen, denen sie böse ist, die schrecklichsten Dinge passieren. Woher kommt es, dass Menschen selbst heutzutage noch solche Schlussfolgerungen ziehen?
Ich finde Massenhysterie faszinierend, wie völlig vernünftige Menschen dahingehend beeinflusst werden können, etwas Unglaubliches zu glauben. Wir halten unsere heutige Gesellschaft für zivilisierter als die, die Frauen als angebliche Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat, aber mittels der immer häufiger werdenden „Verurteilungen" in den sozialen Netzwerken können Menschen dazu verleitet werden, ohne einen triftigen Grund für oder gegen etwas zu kämpfen. Die Hexenverfolgung gibt es immer noch - lediglich in einer anderen Form.
Ellie hat ihre gesamte Familie bei einem Hausbrand verloren und lebt jetzt als Pflegekind bei den Jeffersons. Sie muss jedoch nicht nur diesen Schicksalsschlag verarbeiten, sie kämpft auch gegen Mobbing in der Schule – und gegen die Gleichgültigkeit und Unwilligkeit der Erwachsenen, ihr zu helfen. Da es so realistisch beschrieben ist: Haben Sie persönliche Erfahrungen mit diesem Thema?
Ich glaube, wir sind alle erfahren genug, um zu wissen wie es ist, wenn man das Gefühl hat nicht dazuzugehören. Erwachsene haben dabei aber keinen richtigen Einblick in die Welt eines Kindes. Ich habe das Glück gehabt niemals durchmachen zu müssen, was Ellie ertragen musste. Ich habe aber selber Kinder und glaube, dass sich jeder Vater und jede Mutter das Schlimmste ausmalen kann.
Imogen Reid setzt alles daran Ellie zu helfen, bis auch ihr etwas Entsetzliches passiert. Was ist die besondere innere Verbindung, die sie zu dem Mädchen hat?
In ihrer Kindheit war Imogen diejenige, die ‚anders' war und nicht dazugehörte, die man schikaniert und ignoriert hat. Imogen entwickelt sofort einen inneren Draht zu dem Mädchen. Als sie Ellie zum ersten Mal in Gaunt sieht, wo sie starr vor Furcht da steht, von einer erwachsenen Frau dämonisiert und als Ellies Name dann in ihren Patientenakten auftaucht weiß sie, dass sie bei diesem Kind wiedergutmachen kann, was sie selbst in der Vergangenheit getan hat.
Imogen und Ellie sind die beiden Protagonisten in „Das Böse in deinen Augen", aber auch jede einzelne Nebenfigur ist bis ins Detail durchdacht und ausgearbeitet. Hatten Sie einen besonderen Liebling? Und wenn ja, wen und warum?
Meine Lieblingsfigur war Ellie. Genau wie Imogen hatte ich so viel Mitleid mit ihr, dass ich sie am liebsten in die Arme genommen und fest gedrückt hätte, aber ich habe zugleich die Finsternis gespürt, die wie ein Gezeitenstrom in ihr toste. Auch Dan habe ich sehr gemocht. Er erinnert mich an meinen Ehemann, weil er ein wirklich loyaler und liebevoller Mann ist, wie man ihn in der Kriminalliteratur nicht häufig findet!
Sie haben bereits mit elf Jahren angefangen zu schreiben. Um was für ein Werk handelte es sich damals und was hat Sie schon in so jungen Jahren am Schreiben fasziniert?
Damals habe ich romantische Liebesgeschichten über und für Teenager geschrieben, die nur niemals fertig wurden. Ich habe das Ende nicht hinbekommen; das mit dem ‚Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende' kann ich nämlich nicht gerade gut. Neulich habe ich eine Kurzgeschichte gefunden, die ich mal für den Englischunterricht schreiben musste, und das war ein Thriller über einen Serienmörder, der eine ganz unerwartete und abgefahrene Wendung nimmt.
Was hat Sie veranlasst, Thriller zu schreiben?
Ich lese sehr gern Thriller, und ich liebe Rätsel und mag es, Puzzleteile zusammenzufügen. Ich habe versucht, andere Dinge zu schreiben, aber irgendjemand lügt immer bei mir, und bei mir stirbt auch immer jemand.
Sie haben zwei noch sehr kleine Kinder. Wie kommen Sie da überhaupt zum Schreiben?
Dazu kommt man nicht, die Zeit, die man dafür braucht, muss man sich nehmen! Ich habe seit August des vergangenen Jahres das Glück, hauptberuflich schreiben zu können, was enorm geholfen hat – woher ich mir die Zeit vorher genommen habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht.
Sie haben Psychologie studiert. Ist das Fachwissen hilfreich beim Schreiben oder ist es zuweilen auch hinderlich?
Gute Frage! Ich glaube, ein psychologischer Hintergrund ist hilfreich, um Figuren und ihre Beweggründe zu verstehen. Überdies hilft er ein Interesse dafür zu entwickeln, wie der menschliche Verstand arbeitet und das hat wiederum zur Folge, dass die Personen glaubhaft werden und bleiben.
Zum Schluss die Frage aller Fragen: Arbeiten Sie bereits an einem neuen Buch und wenn ja, worauf dürfen Ihre Fans sich freuen?
Mein nächstes Buch heißt ‚The Night She Died', und darin geht es um eine Frau, die in ihrer Hochzeitsnacht stirbt, und ihre beste Freundin und ihr Ehemann stellen fest, dass sie nicht der Mensch ist, für den man sie gehalten hat.