Cover-Bild Der Kult
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Heyne
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 21.05.2018
  • ISBN: 9783453677180
Marlon James

Der Kult

Roman
Wolfgang Binder (Übersetzer)

Der Teufel kämpft nicht mit fairen Mitteln

Im Dorf Gibbeah beginnt der Sonntag mit einem bösen Omen: Während der Morgenmesse fliegt ein Geier durch das geschlossene Kirchenfenster und schlägt tot auf der Kanzel auf. Nur wenige Minuten später wirft ein schwarz gekleideter Fremder den Dorfprediger zu Boden und übernimmt die Kontrolle über die Gemeinde. Als selbst ernannter Apostel York predigt er Rache und Verdammnis. Doch der alte Prediger weigert sich, seinen Platz widerstandslos abzugeben. Ein gnadenloser Glaubenskampf beginnt. Das Dorf scheint dem Untergang geweiht.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2018

Marlon James öffnet mit diesem Buch die Augen und sagt dem Fanatismus, der Bestrafung Ungläubiger den Kampf an, ganz nach dem Motto: Auge um Auge.

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Nachdem Marlon James vor einer Weile mit seinem Wälzer „Eine kurze Geschichte von sieben Morden“ etwas im Spotlight war, wurde ich doch irgendwie erst mit seinem neuen Buch, „Der Kult“, aufmerksam. Es ...

Nachdem Marlon James vor einer Weile mit seinem Wälzer „Eine kurze Geschichte von sieben Morden“ etwas im Spotlight war, wurde ich doch irgendwie erst mit seinem neuen Buch, „Der Kult“, aufmerksam. Es geht um ein Dörfchen mitten im Nirgendwo, das eine aktive Kirchengemeinde hat. Eines Tages wird Pastor Bligh, der wegen seines Alkolkonsums nur „Rumpfarrer“ genannt wird, gewaltsam aus der Kirche vertrieben, als der sich selbst als Apostel bezeichnende Pfarrer York ins Dorf kommt. Ganz Gibbeah ist außer sich, aber auch von den andersartigen Predigten vom Apostel in den Bann gezogen. Während Pastor Bligh seine Wunden leckt und in ein tiefes Loch aus Depressionen und noch mehr Alkohol fällt, ruft Apostel York seine Lämmchen zu immer gewaltsameren Taten auf, stiftet sie zu Verbrechen aus Hass an und hetzt im Grunde genommen die gesamte Gemeinde gegeneinander auf. Trotzdem sind die Anwohner Gibbeahs folgsam. Bis sie sich eines Tages an die ruhigen Zeiten unter Leitung des Rumpriesters sehnen. Dafür ist es nun allerdings zu spät. Oder?

"Wer ist bereit, für den HERRN Gewalt anzuwenden?"

„Der Kult“ ist nicht zu vergleichen mit irgendeinem Buch, das ich bisher gelesen habe. Während ich diese Worte schreibe, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich es mochte oder nicht. Ich konnte den Wahn nicht ganz nachvollziehen. Apostel York ist aber ein sehr starker und auch sehr fanatischer Charakter, der das Dorf von allem „Unreinen“ befreien möchte, und es schafft, das Dorf in seinen Bann zu ziehen. Durch seine „Reinigungen“ werden beispielsweise auch eine Ehefrau und ihr Liebhaber bestraft, die gemeinsam Ehebruch begangen haben. Nach der „angemessenen“ Bestrafung kann die „sündige“ Ehefrau im Dorf nicht einmal mehr Mehl und Butter kaufen, ohne beschimpft zu werden — nicht, dass ihr nach der Sache noch irgendetwas verkauft würde! Der Irrsinn Yorks nimmt also immer schlimmere Ausmaße an und lässt ein Sekten-Gefühl aufkommen.

Während York nun mit seinem teilweise kranken Wahn immer weitere Kreise zieht, erholt sich Bligh bei der Witwe Greenfield von den ihm zugefügten Verletzungen (ja, das Buch ist sehr gewalttätig!) und plant im Alkoholentzug seine Rache an York. Alles spitzt sich immer mehr zu und wird nur durch mehrere kleine Stelldicheins zwischen York und Bligh „aufgelockert“, die sich die Seele aus dem Leib prügeln.

Marlon James erzählt seine Geschichte aus mehreren Perspektiven: aus der Sicht Pastor Blighs und der Witwe Greenfield, die aufgrund eines angeblichen „Lebens in Sünde“ auch vom Apostel verschrien werden; aus den Augen von Lucinda, die als einziger Charakter nicht mit Nachnamen angesprochen wird, die ein euphorischer Anhänger Yorks ist; und aus der Perspektive der Gemeinde, die allerdings keine Namen haben, sondern mehr die Masse widerspiegeln sollen.

"Nachdem der Apostel zu Ende gesprochen hatte, waren wir bereit, den sündigen Mann und die sündige Frau sofort umzubringen, sodass wir erst mal bis zehn zählen mussten und dann gleich noch mal. Der Apostel ist sehr hart zu uns, aber die Wahrheit ist auch hart."

Fazit: Dieses Buch ist nichts für Zartbesaitete! Explizit wird hier beschrieben, wie Apostel York seinen Kult um sich schart und wie seine Methoden aussehen. Auch der Wahnsinn, der York und nach und nach Gibbeah beherrscht, ist nicht leicht „mitanzulesen“. Dennoch (oder gerade deswegen) ist der Kampf um die Kirchengemeinde des kleinen Örtchens spannend und aufgrund der angenehmen Schreibe von Marlon James gut zu lesen. Ein ungewöhnliches Buch. Ich glaub, ich mag’s.

Veröffentlicht am 22.04.2019

Kann nicht gänzlich überzeugen

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"Der Kult" von Marlon James hat mich aufgrund der Kurzbeschreibung so neugierig gemacht, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Dank einiger Rezensionen, die ich bereits im Vorfeld gelesen habe, war ...

"Der Kult" von Marlon James hat mich aufgrund der Kurzbeschreibung so neugierig gemacht, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Dank einiger Rezensionen, die ich bereits im Vorfeld gelesen habe, war mir bewusst, dass das Buch vielleicht hier und da durchaus bei mir anecken könnte, allerdings habe ich mich dennoch auf dieses Werk sehr gefreut. Leider konnte mich das Buch jedoch nicht gänzlich überzeugen.

Marlon James hat hier zwar ein sehr interessantes Setting geschaffen, das durchaus eine gute und dichte Atmosphäre mit sich bringt, allerdings hatte ich mit dem Schreibstil und den Figuren dennoch hier und da meine Probleme. Die Figuren waren mir leider durchweg nicht sympathisch genug, um wirklich mit ihnen mitfiebern könnte. Beim Schreibstil war für mich eher das Problem, dass hier sehr viele Bibelzitate enthalten sind. Das kann zwar durchaus interessant sein und auch zur Atmosphäre passen, allerdings waren einige Zitate dann doch eher unpassend und viele Szenen haben sich dazu gezogen wie Kaugummi.

Dennoch ist hier nicht alles schlecht, denn das Buch weiß auch durchaus zu unterhalten und besticht besonders mit den Machtkämpfen zwischen Pastor Bligh und dem selbsternannten Apostel York. Während Pastor Bligh immer mehr aus seiner eigenen Gemeinde vertrieben wird und York mehr und mehr die Macht an sich reißt, erlebt man hier auf interessante Art und Weise, wie sehr sich Menschen doch durch die Kirche, bzw. ihren Glauben beeinflussen lassen, was stellenweise für Unverständnis bei mir gesorgt hat.

Kurz gesagt: "Der Kult" ist sicherlich nicht perfekt und alles andere als eine Lektüre für zwischendurch, allerdings durchaus auch interessant für alle, die sich gerne mit Religionen und Kulten beschäftigen.

Veröffentlicht am 27.05.2023

Tod und Teufel in Gibbeah

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Wer vorhat das Buch (mit dem deutschen, aber nicht gut passenden Titel) „Der Kult“ von Marlon James zu lesen, sollte, um es gänzlich erfassen zu können, ziemlich bibelfest sein. Dieser alttestamentarisch ...

Wer vorhat das Buch (mit dem deutschen, aber nicht gut passenden Titel) „Der Kult“ von Marlon James zu lesen, sollte, um es gänzlich erfassen zu können, ziemlich bibelfest sein. Dieser alttestamentarisch anmutende Text strotzt nur so vor biblischen Bedeutungen. Ach ja, und einen stabilen Magen sollte man auch mitbringen.

Lokalisiert ist die Geschichte um das kleine, fiktive Städtchen Gibbaeh örtlich auf Jamaika und zeitlich in 1957. Der Ort, so erfährt man, sei gegründet worden von freigelassenen Sklaven der Zuckerfarmen Jamaikas. Die Bewohner des Örtchens sind eher mittelmäßig religiös und erfreuen sich viel mehr am Klatsch und Tratsch über ihren Pastor. Dieser ist dem Alkohol sehr zugetan und wird, obwohl er Whiskey bevorzugt, „der Rumpastor“ genannt. Eines Tages kommt der sich selbst so ernannte Apostel York in die Gemeinde, verjagt effektvoll den Rumpastor von der Kanzel und nimmt dessen Platz ein. Mit diesem christlichen Personalwechsel beginnt die brutal-magische Geschichte über die Verführung zur gewaltsamen Selbstjustiz eines ganzen Ortes.

Dieser Roman, der nach 78 (!) Verlagsabsagen 2005 unter dem Titel „John Crow‘s Devil“ erstmals veröffentlicht wurde und auch in Deutschland einen zweiten Anlauf und eine Neuübersetzung innerhalb von nur 10 Jahren nach Erstübersetzung brauchte, nachdem er 2008 bereits unter dem Titel „Tod und Teufel in Gibbeah“ erschienen ist, hatte einen langen Weg hinter sich, um dann 2018 in der vorliegenden Fassung bei Heyne Hardcore zu erscheinen. Die neuerliche Veröffentlichung kam nur wenige Jahre nach dem Gewinn des Booker Prize von James mit dem Roman „Eine kurze Geschichte von sieben Morden“; ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nun ist die große Frage, ob sich das ganze Hin und Her gelohnt hat und man ein lesenswertes Buch in dieser Ausgabe in Händen hält.

Vor allem der zweite Teil des Namens des deutschen Verlags scheint jedenfalls für dieses Buch Programm zu sein, Hardcore. Denn diese in bedeutungsschwangere, alttestamentarische Sprache gekleidete Geschichte ist vor allem eins: brutal. Was zumindest für die Nähe zur Bibel spricht. So wirfst schon der gewählte Name für den Handlungsort einen Schatten über die Geschehnisse im Buch. Durch Internetrecherchen (nicht eigene Bibelfestigkeit!) erfährt man, dass das „Gibea Sauls“ schon im „Originaltext“ eine archaische Geschichte hat. So soll ein Levit mit seiner Frau auf der Durchreise mit seiner Frau in Gibea übernachten wollen, sei aber bei einem alten Mann aus Ephraim untergekommen. Und hier zitiere ich von der Seite bibelwissenschaft.de, weil ich es selbst nicht besser ausdrücken kann und will: „Die Bewohner der Stadt fordern von ihm, den Leviten auszuliefern, um ihn zu erkennen, d.h. zu vergewaltigen; sie geben sich aber mit dessen Frau zufrieden. Diese vergewaltigen sie die ganze Nacht, bis sie tot zusammenbricht. Der Levit zerteilt die Leiche seiner Frau in zwölf Stücke und verschickt diese im ganzen Land, um Israel gegen Gibea zu mobilisieren.“ Und damit haben wir die Ausprägungen der Brutalität im vorliegenden Roman schon einmal durch die Namenswahl des Handlungsortes wunderbar skizziert.

In „Der Kult“ wird vergewaltigt, gefoltert, gemordet was das Zeug hält. Das Ganze passiert in einer vom Aufbau her zwar magisch-biblischen Sprache, allerdings mit Wörtern, die an Derbheit nichts vermissen lassen. Noch nie habe ich ein Buch gelesen, in welchem so häufig von Pisse, Scheiße, Penissen, Schwänzen, Muschis, Mösen, Pussys, Vaginas (ich wahr schon fast erleichtert auch mal dieses Wort zu lesen), zerschlagenen Schädeln (aus denen Gehirnmasse quillt), abgeschlagenen Körperteilen, Vergewaltigungen, gefickten Ziegen und Kühen und was weiß ich, die Rede ist. Das muss man aushalten können. Aber ganz ehrlich, selbst wenn man es aushält, gibt leider die Geschichte an sich nicht so viel an Erkenntnissen her, dass es sich wirklich lohnt, durchzuhalten. Denn dafür, was ich hier sprachlich und inhaltlich durchlebt habe, ist mir die Moral von der Geschicht über Verführung der Massen hin zu unmenschlichen Taten als Mittel der Bestrafung von Sünden zu schwach.

Vielleicht liegt der Reiz an diesem Buch ja in der Deutung aller alttestamentarischer und gleichermaßen magischer Voodoo-Spiritualität sowie Bibelzitaten im Text; und das ist einfach nicht meins. Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen, wenn dieser Roman zunächst von so vielen Verlagen abgelehnt wurde, zwei Anläufe in kurzer Zeit auf dem deutschen Buchmarkt und zur Unterstützung einen Booker Prize brauchte, um den Weg in die Hände von potentiellen Lesenden zu finden.

Letztlich kann ich persönlich leider nicht zu einer Lektüre raten, außer man ist der Typ von Person, die es sich gern abends mit einem Band des Alten Testaments und einem schönen Glas Wein gemütlich macht, um bei Kerzenschein in diese unwiderstehlich faszinierende Welt einzutauchen.

2,5/5 Sterne

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