Krone und Kelch
Mitte August 882. Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein, und dass Wetter passt zur Stimmung von Tankred, dem einst in die Klosterhaft verbannten Grafensohn. Schließlich sieht er einer vielversprechenden ...
Mitte August 882. Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein, und dass Wetter passt zur Stimmung von Tankred, dem einst in die Klosterhaft verbannten Grafensohn. Schließlich sieht er einer vielversprechenden Zukunft entgegen, erneut ist er seinem Ziel, sein Erbe zurückzuerhalten, wieder ein Stück nähergekommen. Das Unrecht, das die vergangenen fünfzehn Jahre seines Lebens vergiftete, wird an diesem Tag rückgängig gemacht, die Gerechtigkeit wiederhergestellt, die Schande ausgelöscht, Wut und Groll besänftigt.
Bischof Franco, mit dessen Urteilsspruch Tankreds Misere vor vielen Jahren begann, überreicht ihm das Pergament, mit dem die Annullierung der Ehe von Tankreds Eltern für null und nichtig und deren beiden Söhne als rechtmäßige Nachfolger erklärt werden.
Tankred ist inzwischen ein bekannter Mann, seine Leistungen werden gewürdigt. Innerhalb von wenigen Monaten ist er von einem Mönch auf der Flucht zu einem Ratgeber des Kaisers geworden, dessen Anführer ihm Gehör schenken und seine Pläne so sehr schätzen, dass sie sie als ihre eigenen ausgeben.
Zwar ist die Dänenplage vorerst vorbei – mit Kisten voller Gold und Silber sind die Invasoren nach jahrelang ertragenen Drangsalierungen der Menschen abgezogen, nachdem sie mehrere Wochen in ihrer Inselfestung Asselt belagert worden waren. Hingegen sitzen Uta und Gerold immer noch auf dem Familienanwesen und werden das Feld nicht freiwillig räumen.
Tankred braucht mithin Unterstützer, die ihm Bewaffnete zur Verfügung stellen. Andererseits hatte es sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet, dass er noch nicht den versprochenen und erforderlichen Beistand in dem Maße erhält, wie er ihn gegen seinen Halbbruder Gerold benötigt.
Vielmehr soll er zunächst einmal im Geheimen eine Gesandtschaft nach Rom führen, die für den Kaiser bei Papst Johannes um die Erfüllung eines delikaten Anliegens nachsucht.
Tankred tritt also eine gefährliche Reise an. Seine Begleiter sind seine Freunde Lupus und Gauzbert sowie Nantbert, ein Mönch aus Fulda, der in theologischen Fragen bewandert ist wie kein Zweiter, und Hunold, ein Priester aus Utrecht, der angeblich sämtliche Erlasse, Dekretalen und Verträge der letzten hundert Jahre sowie den zugehörigen Schriftverkehr im Schlaf runterbeten kann.
So vergeht wieder einige Wochen und Monate, bevor sich Tankred und Gerold endlich gegenüberstehen …
Mit „Krone und Kelch“ finden die Handlung, die in „Weihrauch und Schwert“ ihren Anfang genommen hat und in „Hammer und Kreuz“ weitergeführt wurde, ihren vorläufigen Abschluss.
Allerdings gönnt es Michael Römling seinem Helden Tankred zunächst (noch) nicht, im Privaten erfolgreich zu sein und endgültig zur Ruhe zu kommen. Stattdessen fügt er dem erbitterten Kampf seines Protagonisten mehrere neue Kapitel hinzu und lässt ihn zum wiederholten Male für den Kaiser die Kastanien aus dem Feuer holen oder mit Tankreds Worten ist er wieder derjenige, „der den Karren für den Kaiser aus dem Dreck“ zieht und mit Selbstverständlichkeit sein Leben aufs Spiel setzt.
Es wundert nicht. Schließlich zeichnen unseren Helden Intelligenz, Geistesschärfe und Leidenschaft aus. Seine Bildung befähigt ihn, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er ist loyal, integer und unbestechlich und wechselt nicht mal eben die Fronten, um schneller vorwärtszukommen. Außerdem hat er bewiesen, dass er sich nicht einschüchtern lässt. Gleichwohl ist er nicht fehlerfrei, kehrt so manches Mal den „Graf Neunmalklug“ heraus. Letztlich durchläuft er eine Entwicklung, die für ihn spricht, bei der das Verlangen nach Rache von dem Wunsch nach Gerechtigkeit beiseite gedrängt werden.
Dem Autor hat es sicherlich Vergnügen bereitet, Tankred ein paar Überraschungspäckchen zu schnüren. Und ordentlich „Remmidemmi“ und Verschwörungen zu ersinnen.
Und zwar unter anderem in Rom, in der Machtzentrale der Christenheit. Bereits der Weg dorthin ist beschwerlich. Denn schnell wird offensichtlich, dass die Reise der Gesandtschaft gar nicht so geheim ist wie angenommen. Auf das Leben von Tankred würden seine Begleiter wahrscheinlich keine Münze mehr setzen angesichts der Anschläge, mit denen er konfrontiert wird, und der zahlreichen Bemühungen, ihn zu töten.
Auch im dritten Band greift der Autor auf seine umfangreiche historische Recherche zurück und präsentiert einen bunten Reigen aus tatsächlichen Vorfällen, die sich in den fiktiven Rahmen perfekt einfügen.
Michael Römling hat seinen Sprachrhythmus intensiv verfeinert und prägnant ausgearbeitet, setzt hinsichtlich Tragik und Komik eine gelungene Mischung ein und würzt das Geschehen mit Esprit und Witz, wozu auch ein paar „Sportwiele“ beitragen.
„Krone und Kelch“ setzt einen Schlussstrich unter die „Reise“ von Tankred auf der Suche nach Gerechtigkeit. Während ich die gesamte Reihe mit Begeisterung gelesen habe, ist der dritte Band mein persönlicher Höhepunkt.