Schönes Jugendbuch, mit wichtiger Thematik!
Immer diese Herzscheiße von Nana Rademacher erzählt die Geschichte von Sarah, die im Stuttgarter Hallschlag groß geworden ist – hoffnungslos und ohne Zukunftsperspektive. Schule interessiert sie nicht, ...
Immer diese Herzscheiße von Nana Rademacher erzählt die Geschichte von Sarah, die im Stuttgarter Hallschlag groß geworden ist – hoffnungslos und ohne Zukunftsperspektive. Schule interessiert sie nicht, die schwänzt sie lieber und ihren großen Bruder mit seinem Spießerleben findet sie richtig doof. Ihr Alltag ist von Alkohol, Drogen und Stehlen geprägt. Und ihr Freundeskreis scheint sie in der Hinsicht lediglich zu bestärken. Bisher ist sie mit ihrem Verhalten immer durchgekommen, doch als sie einen Schritt zu weit geht, muss sie erstmals die Konsequenzen für ihr Handeln tragen und das gefällt ihr zunächst natürlich überhaupt nicht. Von ihrem Lehrer zu einem Theaterprojekt verdonnert, lernt sie zum ersten Mal neue Leute kennen, die nicht aus ihrem normalen Umfeld stammen. Menschen mit den unterschiedlichsten Perspektiven und Neben Katharina, der Vorzeige-Studentin, lernt sie auch Paul kennen, der ihre bisher kleine Welt gehörig durcheinanderwirbelt. Auf einmal scheint eine Zukunft außerhalb Hartz-IV und Schwarzarbeit gar nicht mehr so abwegig. Doch zwischen ihrem alten Freundeskreis, ihrem ärmeren Viertel und der Theatergruppe hin- und hergerissen, fällt es Sarah zunehmend schwer ihren eigenen Weg zu finden.
Cover und Klappentext haben mich direkt angesprochen. Das Cover spiegelt die Hauptperson Sarah sehr gut wieder. Besonders gefällt mir, wie Schrift und Hintergrundbild miteinander harmonieren. Mein Interesse für die Geschichte wurde aufgrund der wichtigen Thematik geweckt. Es ist ein allseits bekanntes Problem, dass Kinder aus ökonomisch schwachen Verhältnissen meist keinen Ausstieg finden und den von den Eltern vorgelebten Lebensstil beibehalten. Ein Durchbrechen dieses Kreislaufes ist für viele nicht leicht. Das persönliche Umfeld spielt hier eine entscheidende Rolle und hat einen großen Einfluss auf junge Menschen, die sich noch in einer Phase der Selbstfindung und Selbstentfaltung befinden. Meist hat der unmittelbare Freundeskreis einer Person sogar größeren Einfluss als es eventuell die Eltern oder Familienmitglieder besitzen.
Und genau diese Problematik thematisiert Nana Rademacher in ihrem Jugendbuch. Sarah besitzt nämlich einen sehr starken Freundeskreis, der ihr das verantwortungslose Verhalten zum Einen vorlebt und sie in ihrem eigenen Handeln unterstützt. Es wird gemeinsam Alkohol getrunken, Schule geschwänzt und Regeln gebrochen.
Sarah war mir jedoch trotz ihres besorgniserregenden Verhaltens äußerst sympathisch. Sie ist witzig, ihren Freunden gegenüber loyal und dabei klug – auch, wenn sie sich das nicht eingestehen will. Zudem macht sie sich viele Sorgen um ihre Großeltern, bei denen sie mit ihrem großen Bruder aufgewachsen ist, nachdem beide von ihrer Mutter verlassen wurden. Sie zeigt eine liebenswerte Seite von sich, die mich doch sehr positiv überrascht hat. So kocht sie sehr gern, am liebsten gemeinsam mit ihrem Opa und macht sich viele Gedanken um ihre Oma, die unter Herzproblemen leidet. Trotz schlechtem Umfeld und ihrem verantwortungslosem Verhalten hat sie zu Hause demnach eine stabile Basis bestehend aus ihren Großeltern, die sich sehr liebevoll um sie kümmern, leider aber nicht immer zu Sarah durchdringen können. Najim, ihr älterer Bruder, hat ebenso Schwierigkeiten im Umgang mit Sarah. In ihren Augen ist er zu einem regelrechten Spaßverderber geworden und das, obwohl er selbst einmal denselben Lebensstil wie Sarah besessen hat. Dass Najim den Absprung geschafft und ein für sich besseres Leben gefunden hat, sieht Sarah allerdings noch nicht.
Dixi, Sarahs beste Freundin, war mir von Beginn an unsympathisch, da sie meiner Meinung nach den größten negativen Einfluss auf Sarah hat. Sie ist leichtsinnig, unreif und oberflächlich. Durch Sarahs aufflammende Freundschaft zu Katharina fühlt sie sich ausgeschlossen und verhält sich nicht wie eine gute Freundin, sondern ist Sarah gegenüber oftmals egoistisch und unfair.
Der restliche Freundeskreis von Sarah verhält sich ihr gegenüber ähnlich. Ihre Freunde verstehen nicht, warum sie zur Theatergruppe geht und machen sich über die Gruppenmitglieder lustig. Sie haben kein Verständnis für Sarahs „uncoole“ Veränderung und fühlen sich im Stich gelassen.
Die Theatergruppe hingegen nimmt Sarah bis auf eine Ausnahme mit offenen Armen auf und bemüht sich sehr um sie. Die Mitglieder bestätigen sie, machen ihr Mut und geben sie nicht auf. Die Theatergruppe und insbesondere Paul werden zu einer wichtigen Konstante in Sarahs Leben, die ihr neue Perspektiven ermöglichen und sie ermutigen von einer ganz anderen Zukunft fern von Hartz VI zu träumen. Doch wird Sarah ihr Leben ändern? Wird sie Verantwortung für ihre Taten übernehmen?
Nana Rademacher hat mit ihrem Jugendbuch „Immer diese Herzscheiße“ einen Roman geschrieben, der anders als der Titel zunächst vermuten lässt kein Liebesroman ist. Es ist vielmehr eine Geschichte über die Selbstfindung eines jungen Mädchens, dass aufgrund ihrer Herkunft mit Hoffnungslosigkeit und Selbstzweifel zu kämpfen hat. Natürlich verliebt sie sich auf ihrem Weg das erste Mal, doch diese Tatsache nimmt eher einen kleineren Bereich im Buch ein. Es wird deutlich, wie wichtig Vorbilder, Zukunftsperspektiven und die richtige und liebevolle Unterstützung für einen jungen Menschen während des Erwachsenwerdens sein können. Zudem sollte man sich die eigenen Ziele nie zu niedrig setzen.
Der Schreibstil der Autorin war locker, leicht und zudem sehr angenehm. Sarahs Sprache wirkte sehr authentisch und real auf mich, da die Autorin ihr eine extreme „Jugendsprache“ gab, die mich zu Beginn des Buches noch leicht störte. Doch im Verlauf der Geschichte konnte ich mich sehr gut in die Protagonistin hineinversetzen und gerade aufgrund ihrer besonderen Ausdrucksweise einen guten Blick in ihre Welt erlangen.
Lediglich zum Schluss hätte ich mir in gewisser Weise ein bisschen mehr Aufklärung gewünscht, allerdings ist dies meine individuelle Meinung.
Im Großen und Ganzen hat mir das Buch wirklich gut gefallen und konnte mir einen etwas anderen Einblick auf das Leben heutiger Jugendlicher gewähren.
Mein Fazit:
Ein schönes Jugendbuch, das zum Nachdenken anregt und mich voll und ganz mitreißen konnte.