Was hat Beziehung mit Arbeit zu tun?
Sehr einfühlsamer, eindringlich geschriebener Ratgeber, der Schattenseiten nicht ausspart und nicht die EINE Lösung anbietet. Exzellent!
Was hat Beziehung mit Arbeit zu tun?
Sehr viel. Man muß an der ...
Sehr einfühlsamer, eindringlich geschriebener Ratgeber, der Schattenseiten nicht ausspart und nicht die EINE Lösung anbietet. Exzellent!
Was hat Beziehung mit Arbeit zu tun?
Sehr viel. Man muß an der Beziehung arbeiten und nicht zu bequem werden. Trott und Alltag, Probleme, mangelnde Wertschätzung, nicht wahrgenommen oder respektiert zu werden, bewußte Geringschätzung usw., kann den Liebestod bewirken und die Beziehung in den Orkus befördern. Wäre das nicht schade, nachdem die erste Verliebtheit so stürmisch war und man es über die erste Hürde der Ernüchterung in die konstantere Liebe geschafft hat? Werfen manche zu schnell die Flinte ins Korn?
Da kommt der Ratgeber von Nele Sehrt wie gerufen. Sie ist Diplom-Psychologin, Sexual-, Paar- und Traumatherapeutin mit eigener Praxis in Hamburg.
In diesem Buch werden schmerzliche und Schattenseiten nicht ausgespart. Genausowenig fehlt es an Hoffnung oder Optimismus, jedoch immer der Realität verhaftet. Es werden keine Wolkenkuckucksheime versprochen oder sonstiges Unmögliche. Sie gibt viele Anregungen, Impulse und Tipps, die äußerst praxisnah sind. Sie betont selber, daß nicht alles bei jedem funktionieren wird. Was dem einen hilft, braucht dem anderen nicht zu helfen und vice versa. Aber bei der Vielfältigkeit kann jeder etwas für sich mitnehmen.
Das Buch richtet sich mitnichten nur an Ehepaare, auch Leute ohne Trauschein können davon profitieren und nicht nur Heterosexuelle. Die Situationen können auf jede und jeden übertragen werden, der sich davon angesprochen fühlt.
Das Buch fängt mit dem Rausch der Verliebtheit an und der zwangsläufigen Ernüchterung. Der Vergleich mit Drogensucht und Manie ist sehr passend sowie wissenschaftlich erwiesen. Die Autorin bezieht den aktuellsten Stand der Forschung mit ein. Sie zeigt auf wie die Beziehung die erste Hürde der Ernüchterung überstehen kann. Sie gebraucht hervorragend Metaphern und ist sehr empathisch.
Die verschiedenen Ebenen des Individuums, des Paares und eventuell Eltern werden beleuchtet, Dynamiken des Streitens, die Psyche und eben der Alltag, wie Emotionen und Logik sich gegenseitig bekämpfen können.
Wie wichtig die Vergangenheit der Partner und die ureigene Genese als Kind war sowie verschiedene Arten von Bindung, auch kontraproduktive kommen zur Sprache.
Wertschätzung, das Sexualleben und überhaupt die Sexualität werden thematisiert. Ich konnte dadurch vieles dazulernen. Mann und Frau sind sogar geschlechtlich gar nicht so unterschiedlich, wie gerne postuliert wird. Außerdem ist die Erregung vor der Stimulation sehr wichtig. Physiologische Abläufe werden verständlich geschildert.
Seitensprünge und Affären sowie ein eigenes Abschlußkapitel über Trennung als auch Neuanfang sind komplex aufbereitet, aber auf nachvollziehbare Weise. Keine Schönfärberei, aber ebensowenig Pessimismus bis zum Ende. Die endgültige Trennung kommt dann doch für jeden, durch den Tod.
Ein rundherum gelungenes Buch, sehr liebevoll und wahrhaftig charmant, liquide und einnehmend, wertvoll und praxistauglich mit vielen Fallbeispielen, die kurz und knackig, aber erhellend sind. Sehr empfehlenswert!