Vom Urteilen über Menschen
Nick Hornby ist wieder da und mit ihm sein charmanter, unverwechselbarer Sound über Zwischenmenschliches, Musik, Fußball und dem alltäglichen Beobachten. In „Just Like You“ findet ein Pärchen zusammen, ...
Nick Hornby ist wieder da und mit ihm sein charmanter, unverwechselbarer Sound über Zwischenmenschliches, Musik, Fußball und dem alltäglichen Beobachten. In „Just Like You“ findet ein Pärchen zusammen, das gefühlt Welten auseinander liegt. Akademikerin und Lehrerin Lucy ist 42, ihre Ehe mit Paul ist wegen dessen Drogen- und Alkoholsucht gescheitert, sie haben zwei Söhne. In der angesagten Bio-Metzgerei ihres wohlhabenden Londoner Viertels lernt sie Joseph hinter der Theke kennen – 20, Schwarz, mehrere Aushilfsjobs, etwas ziellos, möchte aber eigene Musik entwerfen und DJ werden. Als er bei Lucy babysittet, kommen sich die beiden näher und die Anziehungskraft ist auf beiden Seiten vorhanden, aber es dauert noch, bis beide trotz aller Unterschiedlichkeiten ein Paar werden.
Kurzweilig und routiniert entwirft Hornby hier eine Liebesgeschichte mitten aus dem Leben, die trotz dem streckenweise aufblitzenden Humor ernste Kernthemen behandelt: Rassismus, Klassen, Milieus und – Politik: das Brexit-Votum steht vor der Tür. Und so schlittern auch Lucy und Joseph neben ihrem Altersunterschied und ihrem Bildungsgefälle durch schwierige Umstände wie Racial Profiling, das Beurteilen ihrer Beziehung von anderen, politische Ansichten, aber auch innere Konflikte wie Scham, Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. Beide wollen auch ihrem Milieu und ihren Prinzipien treu bleiben und müssten erst herausfinden, dass es außerhalb ihrer Wohlfühlblase im Haus Kompromisse gibt, die sie eingehen müssen: Klubbesuche, Dinnerpartys, Theaterabende, Familienbesuche. Das Pärchen muss sich erst trennen, um dann wieder zueinander zu finden ohne immer nur von einer Zwischenlösung zu reden.
Im perspektivischen Wechsel und mit romantisch-humorvollen Einlagen lässt der Autor in das (Innen-)leben der beiden Protagonisten blicken, wobei Lucy hier stellenweise tiefgehender und authentischer beschrieben wird. Joseph wirkt ziellos – nicht nur, wie er bei dem Votum abstimmen soll (er macht ein Ja- und ein Nein-Kreuz), sondern auch, wie es mit seinem (Liebes-)leben und Beruflichem gestellt ist. In Lucys kreisende Gedankenwelt samt Hoffnungen und Ängsten darf der Leser tiefblicken. Und auch die Reaktionen und Auswirkungen der Beziehung auf das nähere Umfeld fängt Hornby emotional berührend auf. Und trotzdem fehlt mir in „Just Like You“ etwas die Schärfe – der Roman unterhält prima, auch wenn manche Dialoge schwer zuzuordnen sind und etwas steif rüberkommen (Sally Rooney gefällt mir in Sachen Dialogschreibung zum Beispiel besser). Der Brexit zieht sich durch die ganze Handlung und steht metaphorisch auch für die Spaltung der Lager unterschiedlicher Milieus. Hier gelingt es Hornby, das Brexit-Referendum auf den Menschen und deren Wünsche runterzubrechen und wie einige die zukünftigen Folgen eines Austritts aus der EU gar nicht abschätzen können.
Insgesamt eine leichtfüßige soziale Komödie und bittersüße Liebesgeschichte über Gegensätze, die sich anziehen - mit angeschnittenen ernsten Themen und der Frage: Soll ich jemanden wählen, der wie ich ist, oder mein Milieu mit Risiko verlassen? Und welche gefestigten Schablonen verwenden wir bei der Beurteilung eines Menschen?