Wie konnte aus einem unbedeutenden, politisch desinteressierten Grafikdesigner einer der mächtigsten Mitglieder der faschistischen Bewegung „European Union of Fascists“ werden?
In seiner beängstigend realistischen Dystopie „Der Faschist“ beschreibt Autor Nikodem Skrobisz, wie das pandemiegebeutelte und politisch ausgezehrte Europa einen zusehends radikalen Wandel hinlegt und der Grundstein für ein nie gesehenes faschistisches Imperium gelegt wird. Ermöglicht wurde dieser Wandel unter anderem durch das Mitwirken von Nikolas Schaber. Schwer getroffen durch den Betrug seiner langjährigen Freundin mit einem afrikanischen Flüchtling, verliert sich der junge Mann immer mehr in einer Spirale aus Depressionen, Orientierungslosigkeit und neu aufkeimender Fremdenfeindlichkeit. Doch als ihn der Zufall mit der faschistischen Szene in Berührung kommen lässt, scheint sich sein Blatt auf einmal zu wenden. Angestachelt durch Szenen-Musik und den aufrührerischen Reden des Führers der European Union of Fascists wird der Sog der Bewegung immer stärker und Nikolas sieht erstmals einen Ausweg aus seinem persönlichen Unglück. In dieser als Memoiren ausgestalteten Erzählung blickt er erstmals auf seine Entscheidungen und den Prozess seiner persönlichen Radikalisierung zurück.
Als ich erstmals auf das Buch aufmerksam geworden bin, hatte ich noch keine richtige Vorstellung davon, was mich erwarten könnte, daher habe ich einfach mal drauf losgelesen. Der Schreibstil ist im Großen und Ganzen sehr packend und lässt einen guten Lesefluss zu. Die Handlung hat an sich keine wirklich überraschenden Wendungen beinhaltet, allerdings war es wirklich faszinierend dem Radikalisierungsprozess von Nikolas so en detail zu folgen. Daraus ergab sich für mich dann auch ein gewisses Gefühl von Spannung und dieser Sog, der einen fleißig die Seiten umblättern lässt. Der Prozess ist packend und beängstigend zugleich. Zudem überzeugt die Geschichte durch einen starken roten Faden, authentische und glaubhafte Charaktere und umfassende Recherche.
Skrobisz ist es wirklich gut gelungen aufzuzeigen, wie die ‚richtige‘ Darstellung ideologischer Ansichten und ideologie-konforme Auslegung historischer Sachverhalte die faschistische Bewegung legitimiert und stärkt. Sein Protagonist dient dabei als Paradebeispiel für ein Individuum mit instabilem Selbstwertgefühl, dem die bedingungslose Wertschätzung der anderen Parteimitglieder, die Wir-/Die-Mentalität der Gruppe und Aussicht auf Macht dabei helfen, seine persönlichen Konflikte zu kompensieren.
Ich denke, es ist wichtig zu erwähnen, dass das Buch durchaus in die Kategorie „harter Tobak“ fällt. Es ist gut geschrieben und hervorragend ausgearbeitet, aber eben ungefiltert in der Ausdrucksweise und besonders thematisch sehr herausfordernd. Teilweise fiel es mir wirklich schwer den menschenverachtenden Ausführungen ‚zuzuhören‘ und insbesondere der Art und Weise, wie der Protagonist diese ins rechte Licht zu rücken versucht. Also sei darauf hingewiesen, dass die Triggerwarnung zu Beginn wirklich nicht ohne Grund da steht.
Abschließend kann ich eigentlich nur sagen, dass „Der Faschist“ ein sehr mitreißendes und interessantes Leseerlebnis bietet und seine Leserschaft zum Nachdenken anregt.