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Veröffentlicht am 13.11.2016

Die Eismacher

Die Eismacher
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Zunächst dachte ich, dass sich alles in diesem Buch nur um die Herstellung von Eis drehen würde. Weit gefehlt, denn in diesem Buch verbirgt sich so viel, dass man es kaum in Worte fassen kann. Es ist eine ...

Zunächst dachte ich, dass sich alles in diesem Buch nur um die Herstellung von Eis drehen würde. Weit gefehlt, denn in diesem Buch verbirgt sich so viel, dass man es kaum in Worte fassen kann. Es ist eine Ode an das italienische Eis und all die Familien, die über Generationen die Kunst des Eismachens praktizieren und an ihre Kinder weiter geben, damit diese Kunst nicht ausstirbt und uns Genussmenschen, die italienisches Eis lieben, nicht das Vergnügen, ein Eis zu essen, abhanden kommt. Es ist eine Liebeserklärung an die Lyrik und Poesie, die einen großen Teil des Buchinhalts im positiven Sinne in Beschlag nimmt und auch Unwissende gefühlvoll an Gedichte heranführt. Es ist eine Familiengeschichte voller Drama, Liebe und Sehnsüchte, die den Leser in seinen Bann zieht. Jeder Charakter wächst dem Leser ans Herz. Für jeden Charakter empfindet man Verständnis für die vorherrschende Situation und kann sich in diese hineinversetzen. Man versteht die Klagen, die Streitereien, alle Enttäuschungen, die stillen und lauten Momente, die Ausflüchte, Bestrebungen, Begierden und Leidenschaften.

Ich bin sehr positiv überrascht von „Die Eismacher“ und kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Der Schreibstil ist angenehm, manchmal poetisch, allerdings sollte man sich als Leser auf einige Zeitsprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefasst machen, die nicht unbedingt markiert sind und die erst beim Lesen der Passagen auffallen. Dies ist nicht weiter tragisch und behindert den Lesefluss kaum. Insgesamt ist es ein Buch voller Input, welches die Sicht auf die Eismacher dieser Welt verändert.

Veröffentlicht am 05.11.2016

Dame zu Fuchs

Dame zu Fuchs
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Das Ehepaar Tebrick unternimmt einen Spaziergang, als sich urplötzlich und ohne jegliche Vorwarnung die Ehefrau in eine Fähe, einen weiblichen Fuchs, verwandelt. Völlig geschockt und verwirrt nimmt Herr ...

Das Ehepaar Tebrick unternimmt einen Spaziergang, als sich urplötzlich und ohne jegliche Vorwarnung die Ehefrau in eine Fähe, einen weiblichen Fuchs, verwandelt. Völlig geschockt und verwirrt nimmt Herr Tebrick schnell seine Frau und bringt sie auf ihrem Anwesen in Sicherheit, damit sie nicht während der laufenden Jagdsaison den Jägern zum Opfer fällt.

Zunächst zeigt seine Ehefrau Silvia noch menschliche Züge und lebt, nachdem allen Angestellten aus Sicherheitsgründen von heute auf morgen gekündigt worden ist, mit ihrem Mann in dem Haus. Sie trinken Tee, sitzen gemeinsam bei Tisch und spielen Karten, doch eine Fähe ist ein wildes Tier und so kommt es, dass Silvia immer häufiger den Drang nach Freiheit und der Wildnis verspürt. Immer öfter lässt Herr Tebrick seine Fähe nach draußen und hat immer Angst, dass diese ihn verlässt. Er wird wahnsinnig vor Angst und der Gedanke, seiner geliebten Frau könnte etwas Schlimmes zustoßen, treibt ihn in die Verzweiflung. Auch im Dorf wird schon getratscht und spekuliert, dass Herr Tebrick von seiner Frau verlassen und nun verrückt wurde. Doch Herr Tebrick lässt dieses Gerede kalt. Ihm ist das Wohl seiner Fähe wichtig und er tut alles dafür, um in ihrer Nähe sein zu können, denn er will die Hoffnung nicht aufgeben, dass diese sich nicht doch eines Tages zurückverwandelt.

„Dame zu Fuchs“ ist ein sehr berührender und kurzweiliger Roman, der flüssig zu lesen ist und viel Stoff zum Nachdenken in sich birgt. Auf wenigen Seiten werden enorm viele Emotionen freigesetzt, Spannung aufgebaut und man leidet Seite für Seite mit Herrn Tebrick und fühlt seine Hilflosigkeit. Es ist eine Art Fabel, die hier geschaffen wurde, die sich mit gesellschaftlichen Themen, der Liebe und Moral auseinandersetzt.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Beides sein

Beides sein
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Das Buch von Ali Smith spielt zum Teil in der Vergangenheit und zum Teil in der Gegenwart. Im ersten Teil lernen wir George, ein jugendliches Mädchen, kennen, welches vor kurzem ihre Mutter verloren hat ...

Das Buch von Ali Smith spielt zum Teil in der Vergangenheit und zum Teil in der Gegenwart. Im ersten Teil lernen wir George, ein jugendliches Mädchen, kennen, welches vor kurzem ihre Mutter verloren hat und diesen Verlust nur schwer verkraftet. Ihrer Ansicht nach kann es doch nicht sein, dass etwas, das soeben noch da war, plötzlich nicht mehr existiert und nicht mehr greifbar ist. George fällt in eine tiefe Trauer, erinnert sich an Gespräche und Momente mit ihrer Mutter, die sie erlebt hat und lässt ihre gemeinsame Reise nach Italien Revue passieren. Dort haben sie sich u.a. die Fresken von Francesco del Cossa, einem Künstler aus dem 15. Jahrhundert, angesehen.

Der zweite Teil des Buches behandelt den Werdegang des Künstlers Francesco del Cossa. Hier erfährt der Leser wie der Künstler zu seinem Namen und seinem Beruf kam und welche Charakterzüge dieser an den Tag legte. Sein Leben war nicht einfach und er musste sich gegen diverse andere Künstler behaupten, doch nie verlor er die Liebe zur Malerei.

Im Laufe des zweiten Teils dieses Buches treffen beide Charaktere aufeinander. Für den Leser scheint dies zunächst vielleicht zu weit hergeholt und zu fantasiereich, doch lässt man sich voll und ganz auf die Geschichte ein, so entdeckt man Gemeinsamkeiten und Emotionen, die wohl nur auf diesem Wege dem Leser vermittelt werden können.

Zu Beginn hatte ich meine Probleme mit der Schreibweise. Hier und da fehlen Satzzeichen, manche Sätze hören einfach in der Mitte auf und Gedankengänge der Charaktere werden ohne Vorwarnung mitten in einem Satz eingefügt. Hier muss man also aufmerksam und konzentriert bei der Lektüre bleiben, um nicht den Anschluss und die Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren. Abgesehen von dem ungewöhnlichen Schreibstil werden so viele Themen aufgegriffen, dass es schon schwer ist diese in Worte zu fassen ohne zu viel zu verraten. Nicht nur die Kunst, der Tod, die eigene Selbstfindung, der Kampf um Aufmerksamkeit oder die Frage nach der Existenz von Dingen spielen eine Rolle. Es wird auch stark mit der Phantasie des Lesers gespielt. Viele Dinge werden angedeutet, vieles wird vermischt und nicht aufgelöst. Auf eine positive Art und Weise bleibt also viel Platz für Spekulationen und philosophische Gedanken.

„Beides sein“ ist ein ungewöhnlicher und teils skurriler Roman, der lange nachwirkt und mich beeindruckt hat.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Römische Verdächtigungen

Römische Verdächtigungen
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Commissario Alessandro Caselli wird zu einem Tatort gerufen und findet eine auf brutalste Art und Weise entstellte Leiche einer Frau vor. Es handelt sich bei der Leiche um eine junge Kunststudentin, die ...

Commissario Alessandro Caselli wird zu einem Tatort gerufen und findet eine auf brutalste Art und Weise entstellte Leiche einer Frau vor. Es handelt sich bei der Leiche um eine junge Kunststudentin, die nur anhand ihrer sehr außergewöhnlichen Ohrringe identifiziert werden kann. Bei der Identifizierung ist ihr Cousin behilflich und mischt sich fortan intensiv in die polizeilichen Ermittlungen ein. Diese führen alle Beteiligten quer durch Rom, durch die Kunstszene und die ein oder andere mysteriöse Gestalt gerät in den Fokus der Polizei.

Ich muss zugeben, dass ich mit all den italienischen Namen teilweise Probleme hatte und die Personen zeitweise kaum auseinander halten konnte. Das Buch an sich lässt sich gut lesen, jedoch darf man hier keinen vor Spannung triefenden Krimi erwarten. Es ist eine unblutige Story, die man gut bei dem derzeit ungemütlichen Wetter auf der Couch genießen kann. Die Spannung ist zu Beginn noch da, doch diese verflüchtigt sich leider, da sehr viele Nebenschauplätze und andere Handlungsstränge beleuchtet werden, die den Leser die ursprüngliche Story aus den Augen verlieren lassen. Man hat das Gefühl, dass die Ermittlungen hier nur zweitrangig sind.

Ich liebe Rom und es ist schön in dem Buch durch die Straße von Rom zu laufen und diverse Orte zu besichtigen, doch hätte ich mir ein wenig mehr Spannung und eher einen Krimi und weniger einen Roman gewünscht. Für Zwischendurch ist das Buch völlig in Ordnung, aber eingefleischte Krimifans werden denke ich eher enttäuscht sein.

Veröffentlicht am 03.10.2016

Die Unvollkommenheit der Liebe

Die Unvollkommenheit der Liebe
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Lucy Barton liegt mit einer schweren Infektion über Wochen im Krankenhaus und wird mit dem Besuch ihrer Mutter überrascht. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen. Umso erstaunlicher ...

Lucy Barton liegt mit einer schweren Infektion über Wochen im Krankenhaus und wird mit dem Besuch ihrer Mutter überrascht. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen. Umso erstaunlicher ist es für Lucy, dass ihre Mutter nun plötzlich in ihrem Krankenzimmer sitzt und die weite Reise auf sich genommen hat. Ohne jegliche Vorwarnung ist sie einfach da und erzählt Lucy Geschichten. Geschichten über die Nachbarn, die Gemeinde und Bekannte. Die Mutter erzählt viel, sie redet viel, doch sie sagt nicht die Dinge, die Lucy von ihrer Mutter hören möchte. Die jede Tochter von ihrer Mutter hören möchte.

Lucy stammt aus einer sehr armen Familie. Sie und ihre Geschwister waren Außenseiter, hatten kaum etwas zu essen und zeitweise auch kein richtiges Dach über dem Kopf. Es war eine schlimme, traumatische Kindheit, aus der sich Lucy allein befreien konnte. Sie hat sich damals die Zeit mit dem Lesen von Büchern vertrieben, hat gelernt und es weit gebracht. Sie konnte dem Elend entfliehen, was die Familie ihr ziemlich übel nahm. Lucy wollte ihren Traum Schriftstellerin zu werden verwirklichen, hat einen Mann aus gutem Hause geheiratet und ist nach New York gezogen.

In dem Buch erzählt Lucy Barton ihre Geschichte. Sie erzählt wie sie ihre Kindheit verbracht hat, wie sie Schriftstellerin wurde, welche Personen sie beeinflusst haben und wie das Verhältnis zu ihrem Mann und ihren Kindern ist. Im Mittelpunkt dieser Erzählung stehen aber die Tage, die sie mit ihrer Mutter, die kaum von ihrer Seite gewichen ist, verbracht hat. Trotz der Freude über den Besuch wird die Erzählung von einer Traurigkeit und Beklemmung durchzogen. Mutter und Tochter sind sich räumlich so nah und persönlich und seelisch doch so fern. Sie reden viel und schweigen sich doch an. Sie können sich nicht die Dinge sagen, die es sich normalerweise zu sagen gehört.

Ist ihre Liebe zueinander unvollkommen? Wird diese vollkommen durch den Satz „Ich habe dich lieb“? Reicht dieser Satz aus, um die unsichtbare Mauer zwischen den beiden einzureißen?

Dieses Buch hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und viele Fragen aufgeworfen. Die Geschichte ist nicht nur interessant und sehr gut geschrieben, sie bietet auch viel Raum für Interpretationen. Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und empfand die Atmosphäre, die hier geschaffen wurde, als etwas Besonderes.