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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2025

Was für eine Enttäuschung

Bis unsre Seelen Sterne sind. Rilke und Lou Andreas-Salomé
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Keine Erweiterung des Erkenntnishorizonts
Die Autorin betreibt mit ihrem Roman ‚Bis unsre Seelen Sterne sind‘ einen veritablen Etikettenschwindel. Der Leser, der doch mit einiger Wahrscheinlichkeit an ...

Keine Erweiterung des Erkenntnishorizonts
Die Autorin betreibt mit ihrem Roman ‚Bis unsre Seelen Sterne sind‘ einen veritablen Etikettenschwindel. Der Leser, der doch mit einiger Wahrscheinlichkeit an tieferen Erkenntnissen über die intellektuell aufrührende Zeit der Jahrhundertwende interessiert ist, wird mit einem wilden Mix unterschiedlichster Ingredienzen konfrontiert. Da gesellen sich angelesene Wikipedia-Realien zu gestelzten seitenlangen Dialogen; Beziehungen werden referiert auf genüsslich ausgebreitetem Klatsch- und Tratsch-Niveau; der Anspruch auf literarischen Gestaltungswillen reduziert sich auf inhaltlich kaum gerechtfertigte Zeitsprünge; ausgedehnte Anleihen bei Briefen und Tagebüchern vermitteln psychologische Einblicke, die doch eigentlich Aufgabe der Romanautorin gewesen wären. Die beiden Hauptfiguren, Rilke und Lou, erscheinen verkürzt zu Karikaturen in psychologischer Verzerrung, es kann nicht ausreichen, aus Rilke einen hypertrophierten Egomanen zu machen, Lou Andreas-Salomé pauschal abzuhandeln als Mittelding zwischen verständnisvoller Mutterfigur und männermordender Megäre. Als Fazit der Lektüre lässt sich nur konstatieren: Was für eine Enttäuschung!

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Veröffentlicht am 25.02.2025

Zwei Leben

Halbe Leben
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Gregors Roman ist völlig auf einem Kontrast aufgebaut: hie finanzielle Unabhängigkeit, Souveränität und Erfolg im Beruf, eine stabile Familienstruktur, da die Tristesse im ehemals sozialistischen Plattenbau, ...

Gregors Roman ist völlig auf einem Kontrast aufgebaut: hie finanzielle Unabhängigkeit, Souveränität und Erfolg im Beruf, eine stabile Familienstruktur, da die Tristesse im ehemals sozialistischen Plattenbau, ein eher bescheidenes Einkommen, ein gefährdetes familiäres Umfeld. Umso auffälliger, dass die beiden Hauptfiguren im gleichen Alter sind, beide achtunddreißig Jahre alt.
Was inzwischen in Westeuropa ein Modell ist, um den Anforderungen in Beruf und Familie gerecht zu werden - die Beschäftigung osteuropäischer Frauen, um die, neudeutsch gesprochen, care-Arbeit zu leisten - wird gelegentlich auch zum literarischen Sujet.

Gregor gelingt es vorzüglich, das sich wandelnde Bewusstsein der beiden Protagonistinnen minutiös darzustellen. Die berufstätige Arbeitgeberin kann sich durch das Delegieren der erdrückenden Familienpflichten ganz auf ihre Karriere konzentrieren, die über Gebühr beanspruchte Pflegekraft verliert zunehmend die Kontrolle über ihr mentales Bewusstsein wie auch über eigenes Leben.

Als allzu willig, übermäßig bemüht, alle Anforderungen zu erfüllen, erscheint Paulina, während Klara als völlig blind gezeichnet wird, unfähig und unwillig, Grenzen zu erkennen und zu respektieren. Das ist vielleicht die einzige Schwäche dieses die Problematik exakt herausarbeitenden Romans: allzu sehr fokussiert er sich auf die Polarität der Positionen, lässt zu wenig Zwischentöne zu.

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Veröffentlicht am 11.02.2025

Als Tiger gesprungen …

Not your Darling
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Der Beginn des Romans weckte recht hohe Erwartungen, erinnerte die Chuzpe der Heldin doch an Thackereys ‚Jahrmarkt der Eitelkeiten‘. Ein enormes Erzähltempo, eine pointierte Charakterzeichnung mit dem ...

Der Beginn des Romans weckte recht hohe Erwartungen, erinnerte die Chuzpe der Heldin doch an Thackereys ‚Jahrmarkt der Eitelkeiten‘. Ein enormes Erzähltempo, eine pointierte Charakterzeichnung mit dem Witz und der Gewissenlosigkeit der Loretta - das alles versprach spritzige Unterhaltung.
Doch allzu bald tauchen Defizite auf und schmälern das Lesevergnügen. Der überstürzt geehelichte Mann ist nurmehr eine Karikatur, wie aus dem Baukasten seine stereotypen Eigenschaften zusammengesetzt, und seine nicht existente Loyalität gegenüber seiner frisch angetrauten Loretta vervollständigt nur das Bild eines totalen Un-Sympaths. Die Hollywood-Orgie, erster Station auf Lorettas Reise der Bewährung, lässt kein Klischee aus, und verwundert reibt sich der Leser die Augen: wohin ist Lorettas Unerschrockenheit entschwunden, bedarf sie doch der Rettungsbemühungen des männlichen Kontrastmodells, der sich schon bald, niemand wundert sich, als Mr Right entpuppt. Etliche Verzögerungen und Missverständnisse sorgen dafür, dass sich die Handlung arg in die Länge zieht. Das weibliche Personal teilt sich sauber in treue Freundinnen und üble Neiderinnen und Konkurrentinnen auf, und der Slalom der Heldin zum Ziel umfassenden Erfolgs endet erst nach allzu vielen Seiten. Angesichts des vielversprechenden Anfangs lässt sich nur konstatieren: Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet!

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Veröffentlicht am 21.01.2025

Reichlich dünn!

Lichtspiel
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Da lebt ein Autor von seinem Ruhm! Das gewählte Sujet ist zugegebenermaßen bestechend: G.W. Pabst, einer der herausragenden Regisseure aus der Weimarer Zeit, die doch wahrhaftig brillante Leistungen im ...

Da lebt ein Autor von seinem Ruhm! Das gewählte Sujet ist zugegebenermaßen bestechend: G.W. Pabst, einer der herausragenden Regisseure aus der Weimarer Zeit, die doch wahrhaftig brillante Leistungen im Bereich der Filmkunst aufzuweisen hat, wird in den Blick genommen.

Nach frustrierenden Erfahrungen in Amerika kehrt Pabst zurück, um Familienangelegenheiten zu ordnen, und wird vom Naziregime vereinnahmt. So weit, so gut. Was dann jedoch enttäuscht, ist die frappierende Konturlosigkeit der Hauptfigur. Wenig prägnant gestaltet, schleust der Autor seinen blass bleibenden Helden durch alle Fährnisse der historischen Entwicklung. Unerträglich das penetrante name-dropping, das Authentizität vorgaukelt. Stattdessen sind manche Szenen von einer ärgerlichen Plattheit, die in unstatthafter Weise verharmlost, wie etwa die Darstellung des Literaturkränzchens.

Selten die Textpassagen, die beweisen, was diesem Autor an Gestaltungskraft zu Gebote stände, würde er nur genügend Sorgfalt und Kreativität aufbieten. So ist das Kapitel, das die Bahnreise nach Österreich aus der Perspektive des kleinen Sohnes erzählt, beklemmend und sprachlich beeindruckend. Überhaupt ist es allerdings als erzählerische Verlegenheit anzusehen, wenn unvermittelt vorgenommene Perspektivwechsel notwendig werden, um den Erzählfluss aufrecht zu erhalten.

Andere durchaus originelle Ideen, so etwa die Flucht aus Prag so darzustellen, als handele es sich um die meisterliche filmische Umsetzung durch den genialen Regisseur, sind endlos ausgewalzt und verlieren dadurch ihre ursprüngliche Eindringlichkeit.

Insgesamt erweist es sich, dass für die enorme Länge dieses Romans von 470 Seiten Kehlmanns gestalterische Kraft nicht ausreicht. Die Längen, die sprachlichen Unzulänglichkeiten, die Profillosigkeit der Personen lassen die Lektüre zu einer Enttäuschung werden!

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Veröffentlicht am 19.01.2025

Mittelschicht

Drei Wochen im August
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Von der ersten Zeile an blinkt das Alarmsignal: Mittelschicht! Die berufliche Tätigkeit der Protagonistin, ja, der meisten Personen dieses Romans, die gesuchten Vornamen des gesamten Personals, die überkandidelten ...

Von der ersten Zeile an blinkt das Alarmsignal: Mittelschicht! Die berufliche Tätigkeit der Protagonistin, ja, der meisten Personen dieses Romans, die gesuchten Vornamen des gesamten Personals, die überkandidelten Präferenzen und mentalen Strukturen wecken beim Lesen sämtliche Fluchtinstinkte: diese ganze Lebenskonstellation scheint prädestiniert, ein einem Knall zu enden.
Doch genau das erweist sich als Finte! Alle Handlungselemente hätten eigentlich das Potential, zu dramatischen Verwicklungen zu führen - aber nix da! Die beiden Hauptfiguren, Elena, die beruflich ‚irgendwas in der Kunstszene‘ macht, und Eve, die je nach Bedarf das bezahlte Kindermädchen, dann wieder die vertraute Freundin verkörpert, sind charakterlich vollkommen unterschiedlich. Während Eve mit leicht chaotischen Männergeschichten und wenig saturierter wirtschaftlicher Lage sich durchs Leben laviert, dabei aber einen Draht zu Elenas Kindern hat, ist eben diese wiederum gänzlich ausgelastet, sich orientierungslos durch das Labyrinth der vielfältigen Beziehungen zu den diversen Figuren der im Hintergrund agierenden Kunstszene, ihrem ihr mittlerweile entfremdeten Ehemann und den überraschend sich im Ferienhaus einquartierenden Fremden zu tasten. Die Belange der Kinder beschäftigen die Mutter gedanklich, ohne dass sie echtes menschliches Engagement zeigt. Der kleine hypersensible Rinus, seine mit massiven Pubertätsproblemen kämpfende Schwester Linn und deren äußerlich frühreife Freundin Noemi, an der der Leser jedoch deutliche Symptome von Wohlstandsverwahrlosung registriert, erscheinen abgegrenzt in einer unzugänglichen Blase.
Verblüffende Erkenntnis der Lektüre: kein Ereignis, keine emotionale Erschütterung vermag diese doch so auf ihre Empfindsamkeit pochende Elena wirklich aufrütteln - nach dem Ende der drei Wochen im August bleibt es vollkommen offen, ob diese Frau auch nur einen Hauch von Erkenntnis hinzugewonnen hat!

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