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Veröffentlicht am 17.04.2018

Paris

Paris
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Um das besondere Flair von Paris zu entdecken, genügt es nicht die 5 Sterne-Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Man muss durch die Straßen flanieren. Und genau dazu lädt das Paris Buch von Markus Spiegelhalder ...

Um das besondere Flair von Paris zu entdecken, genügt es nicht die 5 Sterne-Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Man muss durch die Straßen flanieren. Und genau dazu lädt das Paris Buch von Markus Spiegelhalder ein. Es ist kein Reiseführer, nicht nur Geschichtsbuch, es ist eine Hommage an die Stadt.

Unglaublich detail – und kenntnisreich führt der Autor durch „sein“ Paris. Eingeflochten sind viele Anekdoten und Zitate und dadurch wird die Geschichte der Stadt lebendig. Von den ersten Anfängen der Besiedlung bis zur buchstäblich einschneidenden Ära Haussmann, von der Macht der Könige bis zum Sturm auf die Bastille – selten ist mir die Geschichte der Stadt so eingehend aufgezeigt worden.
Ich gehe nicht nur mit anderen Augen durch die Stadt, ich merke, selbst bei Romanen, die in Paris spielen, habe ich einen anderen Blick bekommen. Es liegt sicher auch an den vielen kleinen Geschichten der Bewohner, ob sie zu den kleinen Leuten gehören, oder Kunst- und Politik maßgeblich beeinflusst haben. Es ist erstaunlich, wie viel Markus Spiegelhalder über die Stadt weiß und wie er den Leser daran teilhaben lässt. Vielleicht ist das überbordende Wissen auch an den etwas zu verschachtelten Sätzen schuld. Da wird ein Nebensatz an den anderen gehangen, sieben Kommata habe ich in einem gezählt, da musste ich doch zwei-dreimal ansetzen. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt, den ich erwähnen möchte.

Paris hat sich immer wieder verändert und ist dabei lebendig und sich treu geblieben. Das hat mir das Buch eindrücklich vermittelt. Viele Karten und Fotos illustrieren das Buch und machen die Orientierung einfach. Nach der Lektüre erobert sich der Leser die Straßen und Plätze mit einer neuen Sichtweise.

Eine ausführliche Zeittafel rundet das Buch ab. Ich empfehle das Buch all Jenen, die eine Stadt richtig kennenlernen

Veröffentlicht am 16.04.2018

Ein Wald verschwindet

Waldsterben in Vertikow
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Seit einem Unfall sitzt Peer Wesendonk im Rollstuhl und mangels anderer Möglichkeiten fest in Vertikow, einem kleinen mecklenburgischen Dorf. Nicht, dass er nicht gern dort lebt, aber Sandwege und buckliges ...

Seit einem Unfall sitzt Peer Wesendonk im Rollstuhl und mangels anderer Möglichkeiten fest in Vertikow, einem kleinen mecklenburgischen Dorf. Nicht, dass er nicht gern dort lebt, aber Sandwege und buckliges Kopfsteinpflaster sind für seinen Rolli nur bedingt geeignet. Als er vor kurzem einen Kriminalfall (Erntedank in Vertikow) lösen konnte, erwachte in ihm eine Art detektivischer Instinkt. Denn seinem eigentlichen Beruf als Organist kann er nicht mehr nachgehen. Lediglich seiner Frau Sascha sind diese Aktivitäten ein Dorn im Auge. Aus Sorge hätte sie ihr „Perlchen“ am liebsten in Watte gepackt, was zu manchem Wortwechsel führt.

Nun sind plötzlich 8 Hektar Wald verschwunden, abgeholzt und abtransportiert, ohne dass jemandem das aufgefallen ist. Wie ist das möglich? Die Gutsbesitzerin, eine Rückkehrerin aus dem Westen, bitte Peer um Hilfe. Zusammen mit dem ganzen Dorf, macht er sich auf Spurensuche. Es gibt jede Menge Indizien und Verdächtige, aber es ist für Peer gar nicht so einfach, allen Hinweisen nachzugehen, denn es fehlt ihm nicht nur Beweglichkeit und ein größerer Aktionsradius, er hat auch kaum Möglichkeiten an Dokumente und Akten zu kommen. Denn eines ist klar, es ging um mehr als nur um den Holzwert. Als dann noch eine Katze zur Warnung getötet wird und ein Brand im Gutshaus ausbricht, ist klar, hier wird mit harten Bandagen gekämpft.

Ich habe das Dörfchen Vertikow richtig ins Herz geschlossen, inklusive aller Bewohner, obwohl sie mit ihrer rauen Art Zuneigung zu zeigen nicht ganz einfach zu nehmen sind. Sie sind alle von den Zeitläufen geprägt und wenn Peer von einem Rentner zum „Wossi“ erklärt wird, kommt das schon einem Ritterschlag gleich. Außerdem mag ich die Figur des Peer Wesendonk. Ein Mann, der mit seinem Schicksal hadert, seit einem – selbstverschuldeten – Unfall auf den Rollstuhl angewiesen, hat ihn das in seinem Selbstwertgefühl erschüttert. Die Beziehung zu seiner Frau ist auch nicht konfliktfrei, beide suchen noch den Weg zurück in eine normale Beziehung. Ein wenig Eifersucht ist auch dabei, denn Sascha arbeitet die Woche über in der Stadt, während Peer an Vertikow gebunden ist.

Frank Friedrichs hat die Figuren und ihre Konflikte sehr warmherzig ausgestaltet, ich habe deshalb auch gleiche eine Verbindung zu den Personen gefunden. Außerdem merkt man die Sympathie für die kleinen Dörfchen, denen es an jeder Infrastruktur fehlt.

Wie Peer auch diesen Fall löst und wieder ein Stück über sich hinaus wächst, ist spannend und unterhaltend geschrieben. Ich mag Vertikow und seine Bewohner und bin gespannt auf das nächste Buch.

Veröffentlicht am 15.04.2018

Beeindruckend

Tiefer denn die Hölle (Ein Martin-Bauer-Krimi 2)
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Ein Leichenfund in einem stillgelegten Bergwerk. Den ersten Polizist vor Ort lähmt eine Panikattacke. Der zur Hilfe geeilte katholische Polizeiseelsorger erleidet beim Anblick der Leiche einen Herzinfarkt. ...

Ein Leichenfund in einem stillgelegten Bergwerk. Den ersten Polizist vor Ort lähmt eine Panikattacke. Der zur Hilfe geeilte katholische Polizeiseelsorger erleidet beim Anblick der Leiche einen Herzinfarkt. Der Förderkorb streikt…..

Martin Bauer, der evangelische Amtskollege von Monsignore Vaals, der nun gerufen wird, begleitet den Rettungswagen, Vaals kommt kurz zu Bewusstsein. „Es ist meine Schuld, ich habe nicht aufgepasst vor 15 Jahren…“ Diesen Satzfetzen kann Bauer zwischen Gebeten und Bibelversen verstehen. Er nimmt es als Verpflichtung, sich einzumischen. Das wird ihn an seine seelischen und körperlichen Grenzen bringen.

Schon der Auftakt des Romans ist furios. Ich habe die klaustrophobische Enge im Schacht regelrecht körperlich gespürt. Es sind wirkmächtige Bilder in meinen Kopf entstanden, die mich den ganzen Krimi begleitet haben. Bauer dringt tief in die Vergangenheit ein und kommt einem Verbrechen auf die Spur, dass bisher nie entdeckt oder gesühnt wurde. Dabei ist er meist auf sich allein gestellt, einen Polizeiseelsorger, der seine Amtsgrenzen überschreitet, hat wenig Unterstützung bei der Behörde. Lediglich Hauptkommissarin Verena Dohrn steht ihm zur Seite. Allerdings muss sie selbst einen Kampf gegen die männerdominierte Polizeihierachie führen, die ihr bei jedem Schritt Steine in den Weg legt. Aber das ist nicht allein die Herausforderung für Bauer, viel schwerer wiegt der Verdacht, der über Vaals liegt.

Ein Seelsorger als Hauptprotagonist in einem Krimi ist ein ungewöhnlicher Ansatz, der mich aber völlig überzeugte. Für Bauer ist sein Glaube auch seine Berufung und er scheut sich nicht, dazu zu stehen. Auch wenn ihm das Engagement fast sein Familienleben kostet. Er wägt ab und stellt seine Person oft hinten an. Eine Haltung, die seine Frau nur schwer ertragen kann.

Die Frage nach Schuld lässt sich für Bauer nicht nach den Regeln der Justiz beantworten. Er dringt immer tiefer und die Autoren nehmen die Leser dabei mit. Den Titel habe ich in diesem Zusammenhang sehr passend gefunden.

Der Krimi legt ein unglaubliches Tempo vor und erzeugt eine Spannung, die sich von Seite zu Seite steigert. Die vielschichtigen Charaktere tragen viel dazu bei. Sie sind, auch in ihrer Bösartigkeit lebensecht und gut gezeichnet. Dazu passt auch der klare und knappe Schreibstil des Autorenduos. Aus dieser schnörkellosen Sprache bezieht der Krimi auch einen Teil seiner Authentizität. Es ist ein personenreiches Setting, das auch durch die Sprünge in die Vergangenheit viel Aufmerksamkeit fordert.

Ein beeindruckender Krimi, der mir noch lange nachhallte.

Veröffentlicht am 13.04.2018

Gartengeheimnis

Mordzeitlose
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Margrit wächst seit dem frühen Tod der Mutter ziemlich isoliert auf. Sie hat keine Freunde, wird in der Schule gehänselt und der Vater verstärkt mit Verboten ihre Einsamkeit. Das war aber auch schon vorher ...

Margrit wächst seit dem frühen Tod der Mutter ziemlich isoliert auf. Sie hat keine Freunde, wird in der Schule gehänselt und der Vater verstärkt mit Verboten ihre Einsamkeit. Das war aber auch schon vorher so, ihre Mutter war von Depressionen geplagt und konnte Margrit nie Nähe oder Liebe zeigen. Der Tod der Mutter bleibt ungeklärt, es könnte ein Unfall gewesen sein, aber auch nicht. Lange steht Margrits Vater im Interesse der Behörden, auch wenn nie etwas den Verdacht erhärten könnte.

Margrits einzige Freunde sind ihre Pflanzen, mit denen sie spricht. Ihre Blumen sind die Stütze in ihrem Leben. Sie wird erwachsen, eine erste Liebe zerbricht schmerzhaft, ihr Freund verlässt sie und verschwindet kurze Zeit später. Abhauen in den Westen – so nehmen es alle an. Sie studiert sehr erfolgreich Agrarwissenschaften und trotz der Einschränkung der DDR wird sie durch ihre revolutionären Ideen zum „Slow Gardening“, lange bevor das in Mode kam, zur gefragten Rednerin an vielen ausländischen Universitäten und Botanischen Gärten. Besonders die unscheinbare – vielleicht wie Margrit selbst – aber so widerstandsfähige Herbstzeitlose hat es ihr angetan. Ihr Forschen richtet sich auf die Pflanze und die Möglichkeiten, die sich aus ihrem Gift für Medizin oder Pflanzenschutz ergibt. Ihre jahrelange Brieffreundschaft mit Dr. Steiner, einem Botaniker aus dem Westen bestärkt sie, obwohl ihr auch klar ist, dass Steiner ihre Ideen stiehlt. Sie liest so manchen Artikel seiner Artikel in ausländischen Fachzeitschriften, die direkt aus ihren Briefen stammten.

Die Wende kommt und Margrit wird Leiterin der Holländischen Gartenakademie in Berlin und Nachfolgerin von Dr. Steiner, der sich zurückziehen muss. Eine späte Genugtuung für Margrit.
Der Kriminalroman von Patricia Holland Moritz entzieht sich dem klassischen Ablauf eines Krimis. Im Mittelpunkt steht Margrit, deren Leben vom Kindesalter an begleitet wird. Schnell wird klar, dass sie nicht nur die scheue, ganz in ihrer Pflanzenwelt lebende Frau ist. Sie ist von ihren Ideen überzeugt und weiß, dass man viel Geduld braucht um zum Ziel kommen. Genau so viel Geduld braucht man auch für diesen Roman, den ich gar nicht als Krimi bezeichnen möchte. Er folgt nicht dem Schema Tat – Motiv – Vertuschung – Aufklärung. Es ist Lebensgeschichte einer Frau, die symbiotisch mit Pflanzen verbunden ist. Ich fand diese Langsamkeit beeindruckend, bin ganz in die Gartenwelt eingetaucht, auch wenn ich schon sehr früh die Intention der Geschichte erkannte.

Es war die Sprache, die mich hier überzeugte. Wunderschöne Beschreibungen, ein eleganter, fast lyrischer Sprachstil, der mich ansprach. Die Handlung, die einen Bogen fast über ein ganzes Leben zog, ist dahinter zurückgetreten, obwohl sie immer mal wieder eine überraschende Wende nahm. Ich könnte mir vorstellen, dass Leser die einen klassischen Krimi erwarten, hier richtig enttäuscht werden. Man muss sich auf dieses Buch einlassen. Nicht nur Slow Gardening, vielleicht auch Slow Reading goutieren.

Mir hat dieser Ausflug in die Welt der Botanik, die manchmal auch tödlich sein kann jedenfalls gefallen.

Veröffentlicht am 11.04.2018

Tod auf Juist

Bis auf den Grund
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Anton Wieneke ist froh über seine polnische Pflegekraft Zofia. Sie haben sich eigentlich richtig angefreundet in den letzten Monaten. Nun ist aber Zofia in Polen bei ihrer Familie und die Aushilfe ist ...

Anton Wieneke ist froh über seine polnische Pflegekraft Zofia. Sie haben sich eigentlich richtig angefreundet in den letzten Monaten. Nun ist aber Zofia in Polen bei ihrer Familie und die Aushilfe ist ein echter Dragoner. Es herrscht seit Tagen ein Kasernenhofton im Haus. Als Zofia nun auch noch Urlaubsverlängerung braucht um dem Bruder ihrer besten Freundin aus einer Bredouille zu helfen, in der er auf Juist steckt, ist Anton kreuzunglücklich. Janek ist verschwunden, die Leiche seiner Chefin wurde gefunden, er hatte wohl ein Verhältnis mit ihr. Janeks Spuren finden sich überall. Aber Zofia glaubt nicht an Janeks Schuld. Kurzerhand beschließen Anton und sie zusammen nach Juist zu fahren. Sie haben schließlich schon einmal ein Abenteuer gemeinsam gemeistert.

Der Charme dieses Krimis liegt eindeutig bei den beiden „Ermittlern“, dem Herrn Anton, der auf seinen Rollstuhl angewiesen ist und Zofia, seiner polnischen Pflegekraft. Zofia ist eine herzensgute, aber auch ganz schlaue Person, der man nicht so leicht etwas vormachen kann. Sie ist loyal und deshalb nimmt sie auch alle Mühen auf sich, um Janeks Unschuld zu beweisen. Da im Hotel viele Arbeitskräfte aus Polen stammen, erweckt Zofia natürlich sofort Vertrauen. Bei Anton steckt noch eine Prise Abenteuerlust dahinter, er kann sich noch so leicht damit abfinden, dass er nach einem Schlaganfall so eingeschränkt ist. Ihr harmloses Auftreten bringt sie auch Schritt für Schritt voran. Aber trotzdem ist es ganz gut, dass Anton Wienekes Sohn im Sauerland bei der Polizei ist, so kann er immer mal unterstützen. Außerdem macht er sich Sorgen um seinen Vater und natürlich auch um Zofia, die ihm gar nicht gleichgültig ist.

Juist darf auch noch eine tragende Rolle spielen, mir gefällt, wie die Landschaft beschrieben ist und man spürt tatsächlich den rauen Wind und den Sturm, der grade auf Juist tobt. Das ist ein idealer Hintergrund, der den Krimi gekonnt abrundet. Die handelnden Personen sind klasse portraitiert, ob es die Seniorchefin des Hotels ist, die keinen Satz ohne den Hinweis auf ihr Lebenswerk sagen kann, oder die Künstlerin, die ihre Trennung mit Alkohol und exzentrischen Bildern verarbeitet. Es macht Spaß diesen Kosmos von Personen zu begleiten.

Der Krimi baut seine Spannung ruhig auf, es gibt keine reißerischen Szenen, dafür sehr viele genaue Beobachtungen. Damit ist der Leser immer auf gleichem Wissenstand wie Zofia und Anton und in die Tätersuche eingebunden. Die Autorin schreibt spannend, immer auch mit einer Prise Humor und das macht mir den Krimi zu einem echten Lesevergnügen.

Als Abrundung gibt es ein kleines polnisches Glossar am Ende des Buches, so dass man auch übersetzen kann, wenn Zofia mal in ihre Muttersprache fällt. Aber vielleicht wäre die direkte Übersetzung als Fußnote noch praktischer gewesen.

Das ist der zweite Krimi aus der Feder der Autorin Kathrin Heinrichs und ich hoffe, dass Anton und Zofia noch oft Gelegenheit haben, neue Fälle zu lösen.