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Veröffentlicht am 28.06.2018

Eine Gestalt jagt durch Venedig

Venezianische Intrigen (Ein Luca-Brassoni-Krimi 5)
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Commissario Brassoni, Maurizio Goldoni und selbst der Vice Questore sind ganz schön angeschlagen. Ersteren plagt eine Erkältung, Maurizio hat eine schmerzhafte Schulterverletzung bei der Flucht eines Verdächtigen ...

Commissario Brassoni, Maurizio Goldoni und selbst der Vice Questore sind ganz schön angeschlagen. Ersteren plagt eine Erkältung, Maurizio hat eine schmerzhafte Schulterverletzung bei der Flucht eines Verdächtigen erlitten und der Vice Questore glänzt ständig mit schlechter Laune, weil sich seine Frau von ihm trennen will. In Brassonis fünftem Fall geht es Schlag auf Schlag: zu viele Tote, einige Verdächtige und ein Vater mit Sohn auf der Flucht. Zuhause warten Frau und Kind auf Luca Brassoni, während er wie wild durch Venedig jagt, um einen Mörder zu finden. Auch dieses Mal kann er wieder auf die guten Kontakte und die empathischen Fähigkeiten seines deutschen Cousins Stefan Mayer vertrauen. Eine fremde Gestalt geht in Venedig wie ein Schatten seinen Rackegelüsten nach und ermordet eine junge Sozialarbeiterin und deren Vorgesetzten.
Auch der neue Fall des sympathischen und willensstarken Ermittlers Commissario Luca Brassoni hat mir viele spannende Lesestunden beschert. Erneut bin ich durch den wunderbaren Schreibstil von Daniela Gesing tief in die wundervolle Lagunenstadt und deren geschichtssträchtigen Gebäude und Kanäle eingetaucht. Mit von der Partie ist Lucas unerschrockener und neugieriger Cousin Stefan Mayer, der ihn sogar im verdienten Urlaub in Deutschland tatkräftig unterstützt. Zudem ist Luca inzwischen mit der Gerichtsmedizinerin Carla Sorrenti verheiratet und einen Sohn. Die Balance zwischen Geschichte, Krimi und Privatleben des Commissarios gelingt der Autorin ausgesprochen gut und auch der Spannungsbogen ist jederzeit da. Durch die Einschübe zu der fremden Gestalt, die sich durch Venedig treibt, wird dem Leser nie langweilig und es bleibt jede Menge Raum für Spekulationen, um wen es sich hier handeln mag. Ohne das Geschlecht zu verraten, erzeugt die Inszenierung der Gestalt, die in einem dunklen Umhang geduldig auf ihre Opfer wartet, einen Nervenkitzel, dem man sich nicht entziehen kann. Schließlich endet der Krimi megaspannend und nachvollziehbar. Es macht einfach Spaß, Luca und seine Kollegen bei seiner Arbeit zu begleiten und sich dabei gedanklich und gefühlsmäßig nach Venedig zu versetzen.

Veröffentlicht am 24.06.2018

Ein übler Zeitgenosse stolpert über seine Verbrechen

Agamemnon
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Clemens Hinrichs wird brutal erstochen aufgefunden. Schnell stellt sich heraus, dass er kein besonders angenehmer Zeitgenosse war. Er schlug Frau und Tochter und war in einen dreijährigen erbitterten Erbschaftsstreit ...

Clemens Hinrichs wird brutal erstochen aufgefunden. Schnell stellt sich heraus, dass er kein besonders angenehmer Zeitgenosse war. Er schlug Frau und Tochter und war in einen dreijährigen erbitterten Erbschaftsstreit mit seiner Schwester verwickelt. Doch wer hatte genug Hass auf ihn, um ihn zu töten? Richard Tackert und sein Team haben es bei den Ermittlungen nicht leicht, denn ein Motiv haben ganz viele Menschen in seinem Umfeld.
Der Schreibstil von Wolfgang Glagla zeichnete sich anfangs durch eine etwas veraltete Ausdrucksweise aus. Das gab sich im Laufe des Buches und ich bin schnell durch die Zeilen geflogen. Leider passen die Zeiten nicht immer, so dass stellenweise Präsens und dann wieder Präteritum verwendet wurde. Das ist wohl dem Lektorat geschuldet und machte mir keine Probleme beim Lesen – ebenso schmälerte es keineswegs den Lesegenuss. Der Krimi ist großartig, der Plot in sich stimmig. Die Ermittlungen von Richard Tackert und seinem Team bieten wunderbare Unterhaltung und Spannung. Trotz der privaten Einblicke in Tackerts Privatleben und einer guten Portion Humor kommt die Spannung nicht zu kurz. Der Täter bleibt bis zum Schluss unerkannt und etliche Spuren verwirren nicht nur das Ermittlerteam. Tackert ist sehr sympathisch, verfügt über eine blühende Fantasie und eine bewundernswerte Beherrschung trotz Herausforderungen privater Natur. Zudem stellt er sich vor seine Kollegen und Kolleginnen, was ihm zudem Pluspunkt einbringt. Meine Frage, was der Titel „Agamemnon“ mit dem Geschehen zu tun hat, wurde ebenfalls beantwortet. Wenn auch anders, als ich erwartet hatte. Ich hatte eine tolle Zeit mit Richard Tackert!

Veröffentlicht am 11.06.2018

Ein blutiger Thriller für Mutige

Immer wenn du tötest
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Den ersten Teil der Reihe um die Undercover-Ermittlerin Targa Hendrick habe ich nicht gelesen. Das stellte für mich beim 2. Band „Immer wenn du tötest“ kein Problem dar.
Das Cover zeichnet sich durch die ...

Den ersten Teil der Reihe um die Undercover-Ermittlerin Targa Hendrick habe ich nicht gelesen. Das stellte für mich beim 2. Band „Immer wenn du tötest“ kein Problem dar.
Das Cover zeichnet sich durch die schwarz-weiße Abbildung einer blonden Frage die vom Betrachter wegläuft und den blutroten Titel aus. Selten passt der blutrote Titel so gut zum Inhalt eines Buches wie hier! Es fließt eine Menge davon, während Targa Hendrick ermittelt. Und ja, es bedarf einer Portion Mut, diesen Thriller zu lesen.
„Immer wenn du tötest, bin ich bei dir“ ist das zentrale Thema von Freya von Rittberg, die keinerlei Skrupel kennt und ihre jungen Opfer ähnlich einer Sektenführerin um sich schart. Durch s.g. Mut-Challenges lässt sie junge Menschen, die noch auf der Suche nach ihrer Identität sind, zur Ader. Das gewonnene Blut versetzt sie geradezu in einen Rausch, den sie für ihre riesigen, teils schaurig schönen Bilder gemalt aus menschlichem Blut, nutzt. Zudem lädt sie einen illustren Kreis zu ihren blutigen und schrägen Performances ein. Jetzt könnte der Leser auf die Idee kommen, dass Freya einfach völlig durchgeknallt ist. Doch es wird mit jeder Seite klarer, dass sie zu diesem Wahn hin erzogen wurde. Hinter allem steckt ihr Großvater, der Freya trotz ihres „unreinen Blutes“ mit seiner Philosophie zur „Rettung der nordischen Rasse“ aufgezogen hat. Bis tief in die Zeit seiner SS-Laufbahn reichen seine Beziehungen zurück und irgendjemand hält seine Hand schützend über Freya. Dann kommt die gefühlskalte Targa ins Spiel: sie soll als Personenschützerin die Nähe von Freya und ihr Vertrauen erlangen. Damit treffen zwei sehr unterschiedliche Frauen aufeinander und ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Im Zusammenspiel der beiden entwickelt sich eine unglaublich spannende Dynamik. Freya kommt Targa gefährlich nahe und kann sich ihrer Faszination nur schwer entziehen. Zudem bringt sie eine Art Verständnis für Freya auf: „Sie ist eine sensible und extravagante Künstlerin, die das Morden braucht, um ihre Ängste und Zwänge zu überwinden.“ Dieser Fall wird für Targa zu einer großen persönlichen Herausforderung und als Leserin bekam ich Angst um sie. Ist Freyas Versuch, Targa auf die Dunkle Seite zu ziehen, erfolgreich?
Die beiden Autoren haben einen blutigen und sehr intelligenten Thriller beschaffen. Wer vor Blut nicht zurückschreckt und sich in die Psyche der beiden Frauen hineinversetzen will, fühlt sich bestimmt gut unterhalten. Anfangs habe ich mich aufgrund des vielen Blutes, Freyas grausamen Taten und Targas Gefühlskälte geschüttelt. Allerdings konnte ich mich bald der Faszination der Geschichte nicht mehr entziehen. Der Schreibstil war so fesselnd und die Ereignisse haben sich überschlagen, da blieb kaum Zeit zum Luftholen. Manchmal fand ich mich mitten in den Szenen wieder und konnte nicht umhin, mir alles bildlich vorzustellen. Die Geschehnisse in Norwegen rund um Niklas und Gerd Kraft waren sehr geschickt mit den Ereignissen in Berlin verwoben, so dass es letztlich ein aufschlussreiches Gesamtbild ergab.
Auch wenn mir beide Frauen eher fremd geblieben sind, konnte ich zum Ende des Buches hin, so etwas wie Sympathie für Targa entwickeln. Das Finale ist furios und hält noch eine große Überraschung bereit. Ein fantastisches Buch, das ich jedem mutigen Thrillerfan ans Herz legen möchte. Es lohnt sich!
Mit diesem Buch ist meine Neugier auf den ersten Band gewachsen und ich werde Ausschau nach dem nächsten Buch zu Targa halten.

Veröffentlicht am 05.06.2018

Wenn die Regierung zum Raubtier wird

Das hungrige Krokodil
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Der Titel „Das hungrige Krokodil“ erschließt sich erst im Laufe des Buches, das auf den Aufzeichnungen des tschechischen Arztes Dr. Pavel Vodák beruht. Die Geschichte setzt in Prag 1968 an und endet nach ...

Der Titel „Das hungrige Krokodil“ erschließt sich erst im Laufe des Buches, das auf den Aufzeichnungen des tschechischen Arztes Dr. Pavel Vodák beruht. Die Geschichte setzt in Prag 1968 an und endet nach dem Mauerfall ebenfalls in Prag.
1968 engagierte er sich für die Reformen des Prager Frühlings. Bald gilt er als Regimekritiker und steht unter Beobachtung. Jede noch so kleine Hoffnung auf Freiheit und einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ wird im Keim erstickt. Stattdessen wird den Menschen in der Tschechoslowakei genau vorgeschrieben, wie sie zu leben und sich zu benehmen haben. Bestes Beispiel ist hier Vĕra, Pavels Frau, die nicht studieren darf.
Bedrückend, beängstigend und spannend ist die wahre Geschichte von Pavel Vodàk - voller Fingerspitzengefühl und Achtung vor diesem starken Mann, der sich seine eigenen Gedanken über die Zustände in seiner Heimat der Tschechoslowakei macht und konsequent seinen Weg in die Freiheit sucht und geht. Der Schreibstil der Autorin ist feinsinnig und stimmig, passend zu der düsteren und bedrückenden Zeit zwischen 2. Weltkrieg und dem Mauerfall. Die vermeintlichen Veränderungen im Prager Frühling werden genauso lebendig wie die Enttäuschung über die Beschneidung der Freiheit, die Reiseverbote in die westlichen Länder und dem Zwang, unter dem die Menschen in der Tschechoslowakei zu leiden hatten. Pavel zahlt für das Verlassen der Heimat einen hohen Preis: Entwurzlung und Entfremdung von der Heimat. Diese Entscheidung hat sich Pavel zu keiner Zeit leicht gemacht und doch sah er letztlich keinen anderen Weg für sich und vor allem auch für seine Tochter Pavla, die er in Freiheit und ohne politische Beschränkungen aufwachsen sehen wollte. Letztlich ist ihm dieses Ziel gelungen, denn Pavli scheint in Deutschland angekommen zu sein.
Sandra Brökel ist mit Hilfe von Pavli, Pavels Tochter, ein berührender und aufwühlender Familienroman mit einem Einblick in die Geschichte Tschechiens mit ihren politischen Umbrüchen und Unruhen durch die „Brille“ eines Zeitzeugen gelungen. Pavels Angst, Unsicherheit und Wut waren während des Lesens jederzeit spür- und erlebbar. Auch die unterschiedlichen Denkweisen und die Regimetreue seines eigenen Bruders sind deutlich zu erkennen und zu spüren. Viele „kleine“ Begebenheiten im Buch – z.B. wie sich Pavel ein letztes Mal in die Wiese an der Moldau setzt und Prags Luft eingeatmet hat – sind sehr ergreifend. Was muss ihm da nicht alles durch den Kopf gegangen sein? Ich könnte noch unzählige weitere Erlebnisse aufzählen, aber am eindrücklichsten blieb mir der Vergleich der Regierung, der Politiker etc. mit einem hungrigen, gefährlichen Krokodil im Gedächtnis. Dieser Vergleich ist so passend wie erschreckend und gilt leider auch heute noch in vielen Ländern dieser Erde. Pavel war ein humorvoller, leidenschaftlicher und auch kritischer Mann, der sich für die Schwachen einsetzte und die politische Lage nicht nur verfolgt hat, sondern auch zusammen mit anderen Intellektuellen friedlich dagegen angegangen ist. Schade, dass dies nicht von Erfolg gekrönt war und er nur noch einen Weg aus seiner Heimat gesehen hat: Flucht und ein Neuanfang in der Heimat seiner Mutter!
Aktueller könnte ein Buch kaum sein. So viele Menschen flüchten aus ihren zerstörten, kriegsgebeutelten Ländern oder weil sie dort verfolgt werden, sich jedes Wort drei Mal überlegen müssen.

Veröffentlicht am 05.06.2018

Wenn Opfer zu Tätern werden

Der Falter
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In einer nächtlichen Fahrt zu seiner Ex-Frau Christina überfährt Falco ganz in Gedanken versunken eine Frau. In seinem erbärmlichen Zustand kommt ihm Christina zu Hilfe und stellt sogleich fest, dass die ...

In einer nächtlichen Fahrt zu seiner Ex-Frau Christina überfährt Falco ganz in Gedanken versunken eine Frau. In seinem erbärmlichen Zustand kommt ihm Christina zu Hilfe und stellt sogleich fest, dass die Frau bereits tot war, als Falcos Wagen sie überrollte. Hinter dem Rücken seines ehemaligen Kollegen Bruno und Vorgesetzten Gruber begibt sich Falco auf die Suche nach dem Mörder der Frau. Seine einstige Affäre Paula, die in einem Frauenhaus arbeitet, hilft ihm und bringt ihn bald auf eine heiße Spur. Als kurz darauf eine zweite Frau tot auf die Straße geworfen wird, fällt ein Tattoo in Form eines Drachens als verbindendes Element zwischen den beiden Frauen auf. Falco verbeißt sich zusehends in die Ermittlungen und bringt damit nicht nur Paula in Gefahr.
Falco Brunners zweiter Fall führt dem Leser tiefe menschliche Abgründe, Machtmissbrauch, verdrehte Glaubenssätze und viele Facetten häuslicher Gewalt vor Augen. Das ist keine leichte Kost und wenig verwunderlich, dass auch Falco in diesem Buch eine Veränderung durchmacht. Aus dem einstigen Aufreißer wird ein Mann, der endlich nach vorne schaut und sich auf seine Stärken fokussiert. Falco ist einmalig und mittlerweile ist er mir ans Herz gewachsen. Dank des flüssigen und leicht verständlichen Schreibstils fand ich mich schnell mitten in den Ermittlungen wieder. Eine unaufhaltsame Spirale aus Gewalt und Schweigen zog mich in seinen Bann. Der Autor hat realistisch ohne moralischen Tadel von häuslicher Gewalt und Missbrauch innerhalb der Familie erzählt und eindrucksvoll beleuchtet, warum es für die Betroffenen so schwer ist, sich aus eigener Kraft daraus zu befreien. Was für den Leser oft befremdlich wirkt, ist für die Opfer Alltag und „normal“. Es wurde ihnen nun mal so vorgelebt.
Die Einschübe, in denen das Opfer zu Wort kommt, gefielen mir sehr gut. Nüchtern erzählt sie von ihrer Kindheit, die mit häuslicher Gewalt, Hoffnungslosigkeit, Angst und dem Fehlen der mütterlichen Zuneigung einhergeht.
Die Symbolik des Covers war mir lange Zeit nicht klar. Es zeigt einen Falter auf einem alten Teddybär. Der Falter taucht auch in Falcos Traum auf und er scheint sich in seinem Inneren zu regen. Die Opfer des Buches, die alle Gewalt in ihrer Kindheit erfahren haben und ihr eigenes Leben danach ausgerichtet oder sich damit abgefunden haben, erscheinen wie Falter, die versuchen, aus einem verschlossenen Raum zu kommen und dabei unweigerlich scheitern, so lange ihnen niemand ein Fenster öffnet. Hier werden Opfer zu Tätern und umgekehrt und Gewalt gehört zum Alltag. Durch viele falsche Fährten war bis kurz vor Schluss nicht klar, wer der Täter ist.
Bereits in seinem ersten Fall hat Michael Seitz seinen ehemaligen Polizisten in Fällen von Missbrauch ermitteln lassen. Entsetzt und gebannt habe ich in „Die verlorenen Kinder“ Falcos Suche nach Motiv und Mörder verfolgt und mitgefiebert. Auch dieses Mal konnte ich das Buch kaum zur Seite legen und warte auf weitere spannende, beunruhigende und gut recherchierte Krimis über Falco Brunner. Krimi- und Thrillerfans kann ich „Der Falter“ gerne empfehlen. Sie werden ein Wechselbad der Gefühle erleben und mitfiebern bis zum Schluss.