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Veröffentlicht am 28.07.2024

Die Reise eines Wassertropfens

Am Himmel die Flüsse
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Elif Shafak ist und bleibt eine begnadete Erzählerin. Auch in „Am Himmel die Flüsse“ beweist sie wieder einmal, dass sie komplexe und kontroverse Themen zu einem Roman verbinden kann, der mitreißt und ...

Elif Shafak ist und bleibt eine begnadete Erzählerin. Auch in „Am Himmel die Flüsse“ beweist sie wieder einmal, dass sie komplexe und kontroverse Themen zu einem Roman verbinden kann, der mitreißt und trotzdem flüssig erzählt ist. Man hat am Ende einfach das Gefühl, dass die Erzählung in sich „rund“ war. Das ist es, was für mich ein beeindruckendes Buch ausmacht - und genau das war dieser Roman für mich.

Wie man (leider) erst im Nachwort erfährt - und deshalb sage ich es bewusst am Anfang meiner Rezension - beruht vieles in diesem Roman auf wahren Begebenheiten. Die Autorin hat unheimlich viel recherchiert, um ihre Themen so wahrheitsgetreu wie möglich in ihr fiktives Werk einbinden zu können. Und das ist ihr richtig gut gelungen.
Anhand von drei Lebenswegen zu unterschiedlichen Zeiten erzählt sie die Geschichte eines großen Kunstwerks, eines kulturellen Erbes und einer ganzen Region im Nahen Osten. Verbindendes Element ist dabei ein Wassertropfen, der immer wieder in anderer Gestalt auf die Erde kommt - mal als Schneeflocke, mal als Salzwassertropfen im Meer, mal als Trinkwassertropfen… und dazwischen immer wieder verdunstet und erneut in den Kreislauf des Wassers eingeht.

Wir folgen im 19. Jahrhundert Arthur Smyth, der in ärmlichen Verhältnissen in London ohne Zukunftsperspektive aufwächst und doch letztlich ein Meisterwerk vollbringt, indem er das Gilgamesch-Epos auf Keilschrifttafeln entziffert. Vorbild für diese Figur war George Smith, ein Londoner aus der Arbeiterschicht, der zur Koryphäe für alte Keilschrifttafeln wurde. Wir folgen der 9jährigen Narin im Jahr 2014, deren Dorf im Nahen Osten einem Staudamm weichen soll. Und schließlich ist da Zaleekhah (sprich: Sahlie-cha, so zumindest wird es im Hörbuch ausgesprochen) im Jahr 2018, die als Hydrologin in London zu allem rund um Wasser forscht.

Abwechselnd wird aus den Perspektiven der Hauptfiguren erzählt, drei Stränge, die lange Zeit nebeneinander her laufen und sich schließlich auf den letzten 100 Seiten zu einem furiosen Finale verbinden. Niemals hätte ich geahnt, was schließlich passieren würde (Narins Geschichte ist mir sehr nahe gegangen) - aber letztlich hätte man es wissen können, denn es muss durch die Nachrichten gegangen sein und beruht ebenfalls auf wahren Begebenheiten. Als Mitteleuropäer hört man leider zu oft weg, wenn es um Konflikte im Nahen Osten geht…

Dieses Buch verband mit einer teils ausschweifenden, poetischen Sprache (die aber dennoch über diesen ganzen umfassenden Roman gut lesbar blieb) Wahrheit mit Fiktion und vermittelte einerseits Wissen zur „Wiege der Zivilisation“ Mesopotamien, dem Gilgamesch-Epos, der Entdeckung seiner Bedeutung sowie zum kulturellen Erbe der Eziden und ihrer Verfolgung. Daneben - aber nicht untergeordnet - wird auch die Frage des Umgangs mit der Lebensgrundlage Wasser gestellt, sowohl in Kulturen, die Trinkwasser für selbstverständlich ansehen als auch solche, für die (Trink-)Wasser etwas Besonderes ist. Ein Buch, das so viel enthält - so viele Informationen, aber auch so viele Denkanstöße. Ein Buch, das man gelesen haben sollte und das unbedingt weiterempfehle.


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Veröffentlicht am 19.07.2024

Eine wahre Abenteuergeschichte!

Der Untergang der "Wager"
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Tosende See, knarrende Planken, Gischt, die über die Reling schwappt… so stellt man sich das Segeln auf einem Schiff im 19. Jahrhundert vor – und genau so war es. Doch die Männer auf diesen Schiffen erlebten ...

Tosende See, knarrende Planken, Gischt, die über die Reling schwappt… so stellt man sich das Segeln auf einem Schiff im 19. Jahrhundert vor – und genau so war es. Doch die Männer auf diesen Schiffen erlebten nicht nur Abenteuer, sondern mussten sich auch immer der Gefahr für ihr Leben bewusst sein. Denn der Seeweg zu anderen Kontinenten war damals eben keine Luxuskreuzfahrt, sondern harte Arbeit mit entbehrungsreichen Monaten. Und der allgegenwärtigen Lebensgefahr, sei es durch Krankheiten oder schwere Stürme.

David Grann hat akribisch recherchiert, um die abenteuerliche Geschichte der „Wager“ und ihrer Besatzung so realistisch wie möglich nacherzählen zu können. Er wälzte Originaldokumente wie Tagebücher und Logbücher, die erstaunlicherweise noch vorhanden sind, und rekonstruiert so das schwere Los der Menschen, die auf der „Wager“ gen Südamerika unterwegs waren. Das Schiff sinkt, ein Teil der Besatzung kann sich mit Beibooten auf eine unbewohnte Insel retten – was dann passiert, ist schier unglaublich. Monatelang leben die Männer von Seetang und Schnecken in einer unwirtlichen Klimazone und schmieden trotzdem Pläne, wieder nach England zurückzukehren.

Doch der harte Kampf ums Überleben fordert seinen Tribut – es kommt zu Meutereien und sogar Mord. Umso erstaunlicher ist es, dass es schlussendlich tatsächlich ein kleiner Teil der Besatzung nach England zurück schaffen wird – nur um dort vor Gericht gestellt zu werden!

Die Geschichte um den Untergang der „Wager“ hat mehr, als man sich als Autor von Abenteuergeschichten ausdenken kann – und man sieht hier einmal mehr, dass die besten Geschichten immer wieder das Leben schreibt. Durch die Erzählweise von David Grann wird das Sachbuch lebendig und liest sich fast wie ein Roman. Wer etwas über die Seefahrt im 19. Jahrhundert erfahren möchte und eintauchen möchte in die Geschichte eines Schiffes und seiner Besatzung – in dem Wissen, dass es sich um wahre Begebenheiten handelt – der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen!


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Veröffentlicht am 09.07.2024

Neue unbekannte Welt - Das harte Siedlerleben im 18. Jahrhundert

Savannah – Aufbruch in eine neue Welt
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Auswanderersagas sind in der Unterhaltungsliteratur schon immer beliebt gewesen, auch wenn sie in letzter Zeit von den Romanen aus dem späten 19./ beginnenden 20. Jahrhundert ein wenig verdrängt wurden. ...

Auswanderersagas sind in der Unterhaltungsliteratur schon immer beliebt gewesen, auch wenn sie in letzter Zeit von den Romanen aus dem späten 19./ beginnenden 20. Jahrhundert ein wenig verdrängt wurden. Jetzt hat sich mal wieder eine Autorin an dieses Thema gewagt und die Geschichte ihrer Wahlheimat Georgia aufgearbeitet.

Im Mittelpunkt steht Eleonore, genannt Nellie, die gleich zu Beginn des Buches von ihrem Vater verstoßen wird. Ungewollt schwanger war das junge Mädchen für ihn nur ein Klotz am Bein - und so verlässt sie schweren Herzens ihre jüngeren Geschwister und zieht allein los. Außer einem Cousin hat sie keine Verwandtschaft und so versucht sie sich zu diesem durchzuschlagen - was auch gelingt. Dort wird sie zum Glück aufgenommen, lernt weitere Verwandte und Bekannte kennen und erfährt erstmals etwas wie Familienzusammenhalt - aber auch die Verheißung eines besseren Lebens in einer fernen Kolonie. In deutschen Gefilden hält die junge Schwangere nichts und so macht sie sich auf ins Abenteuer - mit dem Schiff nach Georgia...

Die Autorin schildert in bester Familiensaga-Tradition die Geschichte einer jungen Auswanderin, die viele Abenteuer zu bestehen hat, bis sie sich in einem fernen Land ein neues Leben aufbauen kann. Im Mittelpunkt stehen ihr Kampfgeist und die immer wieder neuen Herausforderungen dieser neuen und vollkommen fremden Welt - mit anderen Pflanzen und Tieren, einem komplett anderem Klima und Krankheiten, die bisher niemand kannte.

Auch das enge Zusammenleben der Siedler führt natürlich immer wieder zu Problemen und unvorhergesehenen Situationen, die - wie in Unterhaltungsromanen üblich - zu ein wenig Drama und Verwicklungen führen.

Das Thema Unterhaltung steht eindeutig im Mittelpunkt der Geschichte und auch wenn die Autorin die wirklich schwerwiegenden Themen der damaligen Zeit - beispielsweise die aufkommende Sklavenhaltung und das Zusammenleben der indigenen Völker mit den Siedlern - thematisiert, geschieht das nach meinem Dafürhalten doch sehr „weichgespült“. Hier hätte ich mir noch mehr Authentizität gewünscht (auch wenns wehtut und vielleicht dadurch für einige Handlungsstränge kein Happy End möglich ist…). Denn das wahre Leben war mit Sicherheit nicht so gnädig wie Nellie zu ihrem Sklavenpaar Grover und Destiny… Sie hatten mit der Protagonistin als ihrer „Herrin“ verdammt viel Glück - ich denke das spiegelt nicht die wahren Schicksale der allermeisten farbigen Personen dieser Zeit wieder (kleine Anmerkung: wer zu diesem Thema einen richtig tollen Roman lesen möchte - greift zu „Das Gemälde“ von Geraldine Brooks!). Und auch die Situation zwischen der indigenen Bevölkerung und den Siedlern wird doch sehr wohlwollend geschildert - ich bin mir nicht sicher ob das die damaligen Realitäten wiederspiegelt.

„Savannah“ ist ein wenig „In einem fernen Land“, ein wenig „Vom Winde verweht“ (Sophie!), ein wenig „Fackeln im Sturm“ und ein wenig „Der mit dem Wolf tanzt“… aber alles verpackt in einen Unterhaltungsroman der genau auf die Vorlieben deutscher Leser*innen und den deutschen Buchmarkt zugeschnitten ist. Eine schöne Lektüre für den Urlaub - um sich mit dem Thema aber kritisch auseinanderzusetzen, müsst ihr andere Bücher zu diesen Themen lesen.

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Veröffentlicht am 01.07.2024

Ein Sommer mit der High Society

Bad Summer People
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Wer kennt sie nicht - die Geschichten über die High Society, die reichen New Yorker, die ihre Sommer in ihrem millionenteuren Ferienhaus in den Hamptons verbringen… Ein ähnliches „Reichendomizil“ ist Fire ...

Wer kennt sie nicht - die Geschichten über die High Society, die reichen New Yorker, die ihre Sommer in ihrem millionenteuren Ferienhaus in den Hamptons verbringen… Ein ähnliches „Reichendomizil“ ist Fire Island vor New York (die Insel gibt es tatsächlich, im Buch wurde nur der Ort Saltaire zu Salcombe).

Emma Rosenblum erzählt hier eine Geschichte von den „beneidenswerten“ Reichen und Schönen - die am Ende eher bedauernswert sind in ihrem permanenten Streben danach, den schönen Schein zu wahren. Denn das scheint das wirklich Anstrengende in einem solchen Leben zu sein.

Eins muss man zu diesem Buch sagen: Die Story, die die Autorin hier von den Lesern bzw Hörern ausbreitet, strotzt vor Klischees über die High Society - aber das Buch macht trotzdem unheimlich Spaß und so ist man mit Interesse, aber zum Teil auch mit einer gehörigen Portion Schadenfreude dabei, wenn Intrigen gesponnen werden oder sich die „Sommer-Nachbarn“ gegenseitig etwas vormachen.

Denn nichts ist wie es scheint in dieser Gemeinschaft von reichen, schnöseligen New Yorkern, die jedes Jahr den Sommer auf Fire Island verbringen und natürlich niemanden hinter die Fassade ihrer Familie oder ihres eigenen Lebens schauen lassen wollen. Alles ist toll, alles ist leicht, keiner hat Probleme… naja, zumindest nach außen hin.

Die Leser merken aber schnell, dass hier alles nur scheinheilig ist - denn die Paare betrügen sich gegenseitig und untereinander, natürlich wird regelmäßig hinter dem Rücken der anderen gelästert und letztendlich erschüttert eine Tragödie den Ort. Doch was ist wirklich passiert in dieser Nacht? Die Antwort darauf gibt es erst auf den letzten Seiten bzw. in den letzten Hörminuten. Die Geschichte wartet bis zum Schluss mit Wendungen auf, die man teilweise erwartet hat, teilweise aber auch nicht…

Sprecherin Alina Vimbai Strähler unterstützt mit ihrem Sprachstil den sommerlichen Vibe, der beim Lesen dieses Romans aufkommt. Ihre Stimme passt gut zur Geschichte und hat mich gut durch den Roman geführt.

Dieses Buch ist richtig gute Sommerunterhaltung - absolut zu empfehlen als spannende Strandlektüre für den Urlaub oder als entspannde Unterhaltung auf dem Liegestuhl im eigenen Garten. Und sind wir doch mal ehrlich… wer lästert nicht mal ab und zu über die Nachbarn oder Bekannte? Mit diesem Buch kann man das ohne schlechtes Gewissen tun!



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Veröffentlicht am 28.06.2024

Lovestory vor tragischem Hintergrund

Herzklopfen in Wildberry Bay
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Am 02.09.1998 stürzte vor der Küste Nova Scotias ein Flugzeug ins Meer - es gab keine Überlebenden. Diese Tragödie hat sich Autorin Miriam Covi nicht ausgedacht - das ist wirklich passiert. Auf dem Flug ...

Am 02.09.1998 stürzte vor der Küste Nova Scotias ein Flugzeug ins Meer - es gab keine Überlebenden. Diese Tragödie hat sich Autorin Miriam Covi nicht ausgedacht - das ist wirklich passiert. Auf dem Flug von New York nach Genf kam es auf dem SwissAir Flug 111 zu einem Kabelbrand - mit dem Ergebnis, dass die Instrumente versagten und die Crew die Kontrolle über das Flugzeug verlor.

Mehrere Gedenkstätten erinnern heute in Nova Scotia an das Unglück - und eine davon ist der Ausgangspunkt dieses Romans. Denn Hauptfigur Helena ist dorthin gekommen, um ihrer Mutter zu gedenken, die vor 20 Jahren an dieser Stelle ums Leben kam. Doch aufgrund einer Unachtsamkeit findet sie sich plötzlich selbst in Lebensgefahr wieder. Gerettet wird sie von einem Mann, der sich zufällig in der Nähe aufhielt. Er kümmert sich um die geschockte Touristin und als sie panisch verkündet, wahrscheinlich ihr Schiff zu verpassen, fährt er sie nach Halifax. Mit dem Ergebnis, dass sie trotzdem zu spät sind - die Queen Mary hat längst Richtung Southampton abgelegt und Helena ist zunächst gezwungen in Kanada zu bleiben - denn Fliegen ist keine Option für die traumatisierte Frau.

Wie es weitergeht, kann man sich denken - Helena und ihr Retter fühlen sich zueinander hingezogen und die Leser begleiten sie auf ihrem Weg zum Glück. Doch das hat auch seine Schattenseiten - denn Helena und Luke verbindet viel mehr als sie zunächst annehmen... beide haben Erinnerungen an die Zeit nach dem Flugzeugabsturz damals und beide haben keine Ahnung, dass sie sich damals bereits begegnet sind...

Wie immer hat Miriam Covi eine wunderbare Love Story geschrieben, wenn auch diesmal mit deutlich ernsteren Untertönen und einer eher melancholischen Grundstimmung. Trotzdem kann man sich einfach fallen lassen in diesen Roman und lernt zudem noch viel über die tatsächlichen Begebenheiten rund um den 02. September 1998 und über seine Folgen für die Region und auch die Angehörigen der Opfer.

Es ist sicherlich schwierig, sich in einem „Wohlfühlroman“ eines so ernsten Themas anzunehmen, zumal es sicherlich noch genügend Leute gibt, die eigene Erinnerungen damit verknüpfen. Doch ich hatte den Eindruck, dass die Autorin die Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt geschrieben hat und versucht hat, einerseits die traumatischen Folgen für die Helfer und Angehörigen der Opfer darzustellen, andererseits aber auch positiv zu bleiben und zu zeigen, dass man trotz einer solchen Erfahrung hoffnungsvoll in die Zukunft schauen kann.

Mir hat dieser zweite Teil der Wildberry Bay-Reihe wieder sehr gut gefallen, was natürlich auch den vielen tollen Nebenfiguren geschuldet ist. So eine Gemeinschaft wünscht man sich - am liebsten würde man sofort die Koffer packen, um alle persönlich kennenzulernen.

Miriam Covi ist für mich eine Garantin dafür, dass ich mit einem Buch einen „Kurzurlaub im Kopf“ machen kann, dass ich gut unterhalten werde, dass ich die wunderbare Natur Kanadas erleben kann, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen - und auch dieser Roman hat das wieder geschafft. Ich mag ihre Bücher sehr und kann sie nur wärmstens weiterempfehlen!




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