Ein großartiges und wichtiges Buch! Ehrlich, einfühlsam und witzig.
Best Bro Ever!Seit meinem ersten Werk von Jenny Jägerfeld bin ich ein großer Fan der schwedischen Autorin und lasse jedes neue Buch von ihr bei mir einziehen. So war natürlich auch ihr zuletzt auf Deutsch erschienener ...
Seit meinem ersten Werk von Jenny Jägerfeld bin ich ein großer Fan der schwedischen Autorin und lasse jedes neue Buch von ihr bei mir einziehen. So war natürlich auch ihr zuletzt auf Deutsch erschienener Kinderroman „Best Bro Ever“ ein großes Muss für mich.
Der 11-jährige Måns wohnt eigentlich in Stockholm, aber da seine Mutter, die Synchronsprecherin ist, für Tonaufnahmen nach Malmö muss, verbringt er seinen Sommer in dieser fremden Großstadt. Als er am ersten Tag mit seinem Skateboard die Gegend erkunden möchte, trifft er auf den Jungen Mikkel. Was mit einem etwas unglücklichen Kennenlernen beginnt, endet sehr schnell in einer engen Freundschaft. Die beiden werden zu richtigen Blutsbrüdern, zu Best Bro Ever! Sie hängen gemeinsam ab, skaten und haben einfach Spaß zusammen. Alles könnte so schön sein, wenn da nicht diese eine Sache zwischen ihnen wäre. Denn Måns hat seinem Freund etwas über sich verschwiegen. Als Mikkel schließlich hinter Måns’ Geheimnis kommt, wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt...
Da ich mir die Werke von Jenny Jägerfeld inzwischen blind zulege, habe ich mir vorher nicht den Klappentext durchgelesen. Ich hatte also keine genaue Vorstellung davon, was mich in „Best Bro Ever“ erwartet und wurde von der Vergangenheit unseres Hauptprotagonisten Måns ziemlich überrascht. Mit der Thematik habe ich tatsächlich nicht gerechnet. Im ersten Moment fand ich es irgendwie etwas schade, dass sie in der Inhaltsangabe bereits verraten wird, da einem so der Überraschungseffekt genommen wird. Mittlerweile aber finde ich es doch besser. Zum einen, da Interessierte so schneller auf das Buch aufmerksam werden und zum anderen, weil es für mich dadurch leichter ist, eine Rezension dazu zu schreiben. Eine aussagekräftige Besprechung über den Inhalt zu verfassen, ohne das Hauptthema beim Namen zu nennen, stelle ich mir recht knifflig vor.
„Best Bro Ever“ handelt von dem 11-jährigen Jungen Måns, der bereits vor seinem 4. Lebensjahr wusste, dass er im falschen Körper geboren wurde. Dass er Måns ist und nicht Michelle. Jenny Jägerfeld befasst sich somit also auch diesmal mit einem hochaktuellen Thema – ein Thema, welches leider nach wie vor viel zu tabuisiert ist und über das es auch heute noch zu wenige Titel im Kinder- und Jugendbuchbereich gibt. Es hat sich in den letzten Jahren zwar zum Glück einiges auf dem Büchermarkt getan, aber die Einstellung vieler dazu ist auch heute noch ziemlich vorurteilsbehaftet und negativ. Ich finde es daher einfach großartig, dass Jenny Jägerfeld einen Kinderroman über einen Transjungen geschrieben hat. Und dass die Originalausgabe im Jahr 2016 erschienen ist – eine Zeit, in der diverse Kinder- und Jugendbücher noch Nischenliteratur war – macht es für mich nur noch herausragender.
Wie ich es von der schwedischen Autorin gewohnt bin, hat sie die Gratwanderung zwischen Ernst und Komik erneut mit Bravour gemeistert. Auf eine ehrliche, gleichzeitig aber auch sehr lockere und humorvolle Art und Weise lässt sie Måns als Ich-Erzähler von seinem Leben berichten und von den vielen Stolpersteinen, mit denen sein Weg gepflastert ist. Dabei wird deutlich, dass nicht er selbst das Problem ist, sondern dass es die anderen sind, unsere Gesellschaft, die auch heute noch in vielen Dingen viel zu engstirnig ist. Für Måns ist es etwas völlig Normales und Natürliches, dass er sich nicht als Mädchen fühlt. Diese Selbstverständlichkeit, mit der er über sich und seine Geschlechtsidentität spricht, ist wundervoll und beeindruckend. Sein Umfeld aber reagiert teils mit einer Menge Unverständnis und Ablehnung. Es ist erschütternd zu sehen, dass Måns nicht einfach so sein darf, wie er ist und sein möchte. Und dass seine Geschichte vermutlich die pure Realität widerspiegelt, macht das Ganze nur noch trauriger. Vor allem die Reaktion des Vaters, der – anders als die Mutter – die Identität seines Sohnes nicht akzeptieren kann, trifft Måns verständlicherweise besonders hart.
Obwohl sich Måns’ Erzählungen oft herzzerreißend lesen und nachdenklich stimmen, ist die Geschichte insgesamt total witzig und macht Spaß. Die jugendliche und authentische Sprache unseres Protagonisten sorgt für eine angenehme Leichtigkeit und mit Måns hat die Autorin einen echten Sympathieträger erschaffen, man muss ihn einfach gernhaben. Ich jedenfalls habe Måns direkt in mein Herz geschlossen und mich von Beginn an komplett in ihn hineinversetzen können.
Auch die Nebenfiguren wurden liebevoll ausgearbeitet und tragen mit ihren teils skurrilen Eigenschaften dazu bei, dass man eine wunderbare Zeit zwischen den Seiten verbringt wie Måns’ ziemlich peinliche Eltern und die Babysitterin Nora mit ihren merkwürdigen Ticks. Nicht zu vergessen Mikkel, der anfangs etwas seltsam wirkt, bei dem sich aber noch zeigt, was für ein toller bester Freund er ist.
Fazit: „Best Bro Ever“ ist ein lebensnaher und einfühlsamer Roman über das wichtige Thema Geschlechtsidentität, gekonnt verpackt in einer warmherzigen Freundschaftsgeschichte mit vielen liebenswert-schrägen Charakteren. Es ist ein Buch zum Mitfühlen, Nachdenken und Lachen, das trotz ernster Thematik lässig-leicht und positiv daherkommt und Hoffnung macht. Es wirbt für Offenheit und Toleranz und ist nicht nur für Kinder ab 10 Jahren absolut lesenswert, sondern auch für Erwachsene. Ich kann „Best Bro Ever“ nur empfehlen, mich hat Jenny Jägerfeld mal wieder vollauf begeistern können. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen!