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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.12.2024

Jia Jia und der Fischmann

Unter Wasser atmen
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Unter Wasser atmen – An Yu
Eines Tages findet Jia Jia ihren Ehemann tot in der Badewanne auf. Die Todesursache bleibt unklar. Die Ehe war nicht glücklich, der Verlust scheint eher materieller Art.
Jia ...

Unter Wasser atmen – An Yu
Eines Tages findet Jia Jia ihren Ehemann tot in der Badewanne auf. Die Todesursache bleibt unklar. Die Ehe war nicht glücklich, der Verlust scheint eher materieller Art.
Jia Jia muss sich neu orientieren, völlig neu erfinden. Noch nie war sie so frei. Und so stürzt sie sich erst einmal in neue Bekanntschaften, entdeckt ihre Liebe zur Kunst neu.
Doch gibt es etwas, das sie nicht loslässt: ihr Mann hat ihr eine Zeichnung hinterlassen, von einem Fischmann. Auf der Suche nach dessen Bedeutung reist sie bis nach Tibet.
Der Schreibstil ist wunderbar locker-leicht. Von der Handlung kann man dies nicht gerade behaupten. Es ist bildreich, Fantasie und Träume spielen (wie bei vielen asiatischen Autoren) eine große Rolle. Dies führt dazu, dass nicht immer alles ganz durchschaubar ist und etliche Fragen offen bleiben. Auch bin ich mir nicht sicher, alles richtig verstanden und interpretiert zu haben.
Dennoch ist dies ein fantasievoller, wunderbar zu lesender Roman, der nicht zuletzt tiefe Einblicke in die Pekinger Lebensweise gibt.
4 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.12.2024

Die Nachwehen des Korea-Kriegs

Unmöglicher Abschied
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Unmöglicher Abschied – Han Kang

Erst vor kurzem habe ich den Bestseller „Die Vegetarierin“ der koreanischen Nobelpreisträgerin von 2024 gelesen. Klar ist: ihr Erzählstil hat eindeutig großen Wiedererkennungswert.

So ...

Unmöglicher Abschied – Han Kang

Erst vor kurzem habe ich den Bestseller „Die Vegetarierin“ der koreanischen Nobelpreisträgerin von 2024 gelesen. Klar ist: ihr Erzählstil hat eindeutig großen Wiedererkennungswert.

So spielt auch in diesem Roman ein Traum der Protagonistin eine große Rolle.
Das große Thema ist hier eine dunkle Episode in der koreanischen Geschichte, die Gräuel während des Korea-Krieges und die fehlende Aufarbeitung all dessen. Es ist ein etwas distanzierter Blickwinkel aus der Sicht der Nachkommen, welche die Protagonistinnen sind. Dies macht die Schilderung der Massaker zumindest ein wenig erträglicher.
Wohlfühlbuch ist dies mit Sicherheit keines – aber dafür ist die Autorin auch nicht bekannt. Im Gegenteil ist es schwer verdaulich, aber durchaus sehr interessant. Wie ich feststellen musste, hatte ich bisher wenig Vorstellung vom Korea-Krieg.

Leider hat mir dieser Roman jedoch nicht so gut gefallen wie „Die Vegetarierin“. Die Protagonistinnen bleiben hier sehr distanziert und auch die eigentliche Handlung, die in der Gegenwart spielt, gerät zunehmend in den Hintergrund bzw. wird so undurchsichtig, dass kaum mehr unterscheidbar ist, was real ist und was nicht. Die Grenze zwischen Realität, Traum und Geistererscheinungen verschwimmt leider völlig und lässt mich ratlos zurück.

Die Autorin hat fraglos einen tollen Erzählstil und sie erzählt eine wichtige Geschichte. Die Umsetzung hat mich hier aber weniger überzeugt.
3 Sterne


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Veröffentlicht am 29.11.2024

Lillis Krankengeschichte

Gratulieren müsst ihr mir nicht
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Gratulieren müsst ihr mir nicht – Lilli Polansky
Dies ist der autofiktionale Krankheitsbericht der Autorin Lilli Polansky. Sie erzählt ihre Geschichte sehr plastisch und fesselnd. Es ist berührend und ...

Gratulieren müsst ihr mir nicht – Lilli Polansky
Dies ist der autofiktionale Krankheitsbericht der Autorin Lilli Polansky. Sie erzählt ihre Geschichte sehr plastisch und fesselnd. Es ist berührend und interessant. Dennoch ist es nicht mehr und nicht weniger als ihre Lebens-/Krankengeschichte. Ein Roman ist das sicherlich nicht.
Mit zwanzig Jahren ereilen Lilli gleich mehrere gesundheitliche Schicksalsschläge. Zuerst wird ein gutartiger Gehirntumor festgestellt; kurz darauf wird ihr in einer größeren OP ein Herzschrittmacher eingesetzt; dann benötigt sie auch noch eine große Darm-Operation. Sehr nachvollziehbar schildert sie ihre Gefühle und das verlorene Vertrauen in ihren eigentlich noch sehr jungen Körper, der sie da plötzlich im Stich lässt. Kein Wunder, dass schließlich noch psychische Probleme dazukommen – all die traumatischen Erlebnisse wollen erst noch verarbeitet werden.
Frau Polansky hat einen sympathischen Schreibstil, dem man gerne folgt. Es geht zum großen Teil um körperliche Beschwerden, Krankenzimmergeschichten und Arztbesuche. Nicht zuletzt geht es auch um die psychischen Begleiterscheinungen dieser schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sicherlich hatte auch das Niederschreiben all dieser Dinge für die Autorin einen therapeutischen Hintergrund. Manche Fakten und Gefühle tauchen auch wiederholt auf. Generell ist es keine strikt chronologische Erzählweise.
Nicht ganz nachvollziehen konnte ich, warum so viele Geschichten aus Lillis Kindheit und Jugend eingeschoben wurden. Aufgrund ihrer Dyskalkulie war sie immer eine unsichere Schülerin, die sich auch mit Freundschaften nicht leicht tat. Ja, das geht vielen so. Teilweise recht banale Geschichten, die für mich mit der Krankengeschichte nichts zu tun hatten.
Eine interessante Krankengeschichte, deren Bericht wohl eher für die Autorin einen therapeutischen Wert hat, aber kein Roman.
3 Sterne

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Veröffentlicht am 28.11.2024

Schwere Kost

Die Vegetarierin
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Die Vegetarierin – Han Kang
Ein verstörendes Meisterwerk, das seltsam vage bleibt und auf nicht einmal 200 Seiten eine unheimliche Kraft entfaltet. Han Kang erhielt 2024 den Nobelpreis für Literatur.
Yong-Hye ...

Die Vegetarierin – Han Kang
Ein verstörendes Meisterwerk, das seltsam vage bleibt und auf nicht einmal 200 Seiten eine unheimliche Kraft entfaltet. Han Kang erhielt 2024 den Nobelpreis für Literatur.
Yong-Hye verhält sich seltsam. War sie doch immer die angepasste und brave Ehefrau und Tochter, möchte sie nun plötzlich kein Fleisch mehr essen. Überhaupt isst sie immer weniger und dann trägt sie plötzlich keinen BH mehr! Im strengen Südkorea, in dem keinerlei Schwächen oder Abweichungen von der Norm erlaubt sind – ein No Go.
Erzählt wird vom schleichenden Niedergang Yong-Hyes in drei Teilen. Erst berichtet ihr Ehemann, der völlig fassungslos ist. Dann spricht ihr Schwager, der ein plötzliches künstlerisches und sexuelles Interesse an seiner Schwägerin und deren Mongolenfleck entdeckt. Schließlich versucht im letzten Teil ihre Schwester, einen Ausweg zu finden bzw. den Ursachen auf den Grund zu gehen. Die eigentliche Protagonistin selbst kommt nicht zu Wort, was symptomatisch ist. Denn im Prinzip interessiert es niemanden, wie es ihr wirklich geht – sie soll einfach nur funktionieren und ihre Pflicht erfüllen.
Es ist eine düstere Geschichte, denn der Zustand Yong-Hyes verschlechtert sich zusehends. Die Handlung ist mutig und feministisch. Bald schwant es dem Leser, dass das eigentliche Problem die patriarchalische Struktur der Gesellschaft ist. Bereits in der Kindheit der väterlichen Gewalt ausgesetzt, wurde von Yong-Hye ihr Leben lang nur absoluter Gehorsam und Unterordnung verlangt. Sämtliche Entscheidungen werden von Männern getroffen. Die eigene Nahrungsaufnahme ist der einzige Punkt, den sie voll und ganz in der eigenen Hand hat. Gerade in den ersten beiden Teilen (von Männern erzählt) wird erschreckend klar, wie selbstverständlich Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe und Gesellschaft hier sind – komplett ohne Unrechtsbewusstsein.
Die Sprache ist recht knapp und einfach gehalten. Es entsteht ein deutlicher Lesesog. Viele Dinge werden nur angedeutet und wirken dadurch umso stärker.
Ein sehr intensives, wenn auch schwer verdauliches Leseerlebnis. Der Nobelpreis wurde hier auf jeden Fall an die richtige Autorin vergeben.
5 Sterne


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Veröffentlicht am 27.11.2024

Schafe und Gewalt

Über dem Tal
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Über dem Tal – Scott Preston
Im Jahr 2001 bricht im nordenglischen Lake District die Maul-und-Klauenseuche aus. Großflächig werden die Schafe in der Gegend gekeult, zahllose Schafsbauern verlieren ihre ...

Über dem Tal – Scott Preston
Im Jahr 2001 bricht im nordenglischen Lake District die Maul-und-Klauenseuche aus. Großflächig werden die Schafe in der Gegend gekeult, zahllose Schafsbauern verlieren ihre Existenzgrundlage.
In dieser verheerenden Situation beginnt dieser Roman, der die Geschichte von Steve Elliman und William Herne erzählt - zweier Schafsbauern, die an ihrer Heimat hängen und es nicht schaffen, ihr dauerhaft fernzubleiben. Die beiden bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Früher so etwas wie entfernte Nachbarn, nun Leidensgenossen. Diese Verbindung hat keinerlei sexuelle Komponente ist aber extrem toxisch. Sympathisch waren sie sich nie; der Hof gehört William und außerdem ist da noch dessen Ehefrau Helen.
Das Cover lässt auf einen gemütlichen Heimat- oder Naturroman hoffen. Weit gefehlt. Ich finde, bei diesem Werk wäre die ein oder andere Triggerwarnung angebracht. Es gibt sie durchaus in diesem Buch, die wunderbaren Naturbeschreibungen, Lokalkolorit und fesselnd dichte Atmosphäre. Aber viel stärker noch fällt die Gegenseite ins Gewicht. Denn dies ist ein extrem düsterer, hoffnungsloser, grausamer, brutaler und blutiger Roman. Dennoch ziemlich genial.
Das Leben, das die Schafsbauern in der Einsamkeit der hügeligen Gegend des Lake District führen, ist auch in guten Zeiten kaum als solches zu bezeichnen. Viel Arbeit, viel Ärmlichkeit, als Lohn nur der Blick auf die wunderschöne Landschaft. Dennoch bleiben Steve und William auch nach der Seuche, versuchen einen Neuanfang mit neuen Tieren. Schon der Alltag mit den Tieren wird wenig appetitlich beschrieben, jedoch sehr realistisch. Um den Hof neu aufzubauen, setzt William auf illegale Methoden – bis die Lage völlig eskaliert. Es fließt viel Blut und es gibt einige Tote. Teilweise kam ich mir vor wie in einem Action-Thriller.
Abgesehen davon ist es eigentlich ein sehr ruhiger, nachdenklicher Roman mit einer bedrückend düsteren Atmosphäre. Man spürt die Einsamkeit, auch die Ausweglosigkeit.
Auffällig ist hier auch die Sprache. Steve ist der Erzähler und man nimmt ihm den ungebildeten Schafsbauern absolut ab. Die Ausdrucksweise ist rau und schroff, wie die umgebende Landschaft und die Mentalität der Menschen. Sehr authentisch.
Eine Geschichte, die es in sich hat. Beeindruckend und schwer verdaulich.
5 Sterne

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