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Veröffentlicht am 17.05.2024

Die letzte Front

Yellowface
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Yellowface – Rebecca F. Kuang
Ein fesselnder Roman mit tiefen Einblicken in den Literaturbetrieb und das Verlagsgeschäft.
June Hayward und Athena Liu haben sind beides ambitionierte junge Autorinnen. Während ...

Yellowface – Rebecca F. Kuang
Ein fesselnder Roman mit tiefen Einblicken in den Literaturbetrieb und das Verlagsgeschäft.
June Hayward und Athena Liu haben sind beides ambitionierte junge Autorinnen. Während die Werke der asiatisch stämmigen Athena gehypt werden, interessiert sich für Junes Debüt kaum jemand. Als Athena unerwartet stirbt, nimmt die schockierte anwesende June im Affekt deren Manuskript an sich. Sie veröffentlicht es als Juniper Song unter dem Titel „Die letzte Front“ und muss fortan alles dafür geben, ihr Geheimnis zu bewahren.
Zuerst einmal war ich überrascht, wie fesselnd und eingängig diese Geschichte geschrieben ist. Ich war sofort in der Handlung angekommen und habe mich keine Sekunde gelangweilt.
Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Abrechnung mit dem Literaturbetrieb. Rassismus, gegenseitiger Neid und Missgunst, ein Wirrwarr aus Agenten, Lektoren und Verlegern machen den Erfolg eines Romans zu einem Spiel in der Lotterie. Tatsächliches Talent rückt in den Hintergrund, es zählt nur, was sich vermarkten lässt. Wobei man der Autorin zugute halten muss, dass sie die Umstände in ihrer Geschichte in vielen Schattierungen präsentiert; es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Im Gegenteil, die Grenzen verschwimmen. Oftmals ist es eine eher moralische Frage, was ist hier Recht oder Unrecht. Wobei durchaus das Wesen des Urheberrechts eine Rolle spielt.
Kuang hat selbst einen asiatischen Hintergrund. Ihre Ich-Erzählerin in diesem Roman ist weiß und fühlt sich gerade dadurch benachteiligt. Eine spannende Perspektive. Rassismus wird hier aus vielen verschiedenen Blickwinkeln thematisiert.
Ebenfalls eine sehr große Rolle spielen die Schnelllebigkeit in der Buchbranche sowie die Schattenseiten der Sozialen Medien.
Somit ist dies ein Werk, das mich bestens unterhalten hat.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 12.05.2024

Extrem handlungsarm

Sie und der Wald
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Sie und der Wald – Anais Barbeau-Lavalette
Ein Roman, den ich kaum als solchen bezeichnen würde. Eigentlich wirkt er auch etwas aus der Zeit gefallen, dank der Corona-Pandemie, die hier als Schlüsselmoment ...

Sie und der Wald – Anais Barbeau-Lavalette
Ein Roman, den ich kaum als solchen bezeichnen würde. Eigentlich wirkt er auch etwas aus der Zeit gefallen, dank der Corona-Pandemie, die hier als Schlüsselmoment dient, ist der Zeitraum der Handlung jedoch recht klar eingegrenzt.
Während sich die Welt diversen Corona-Maßnahmen beugt, entschließen sich vier Erwachsene mit fünf Kindern dazu, diese Zeit abgeschieden im Wald zu überbrücken. Es ist eine Aussteigergeschichte auf Zeit. Angst vor dem Virus ist zu keinem Zeitpunkt ein Thema; es sind die Maßnahmen, vor denen diese Leute flüchten.
Seltsamerweise erfährt man im gesamten Roman kaum etwas über diese neun Personen. Die Ich-Erzählerin schwelgt vielmehr in Erinnerungen und Geschichten von Nachbarn die ebenfalls im Wald hausen, immer schon. Ganz besonders haben es der Autorin aber Flora, Fauna und Botanik des Waldes angetan. Seitenlange Beschreibungen von Pflanzen und Tieren sind keine Seltenheit. Eine Handlung darüber hinaus, im herkömmlichen Sinne, erwartet man vergebens.
Auch der Schreibstil ist ungewöhnlich. Die Sätze sind an sich zwar einfach und knapp, dennoch unerwartet poetisch und extravagant. Zusammenhänge werden kaum erklärt. Ohnehin sind es immer nur Häppchen, die über die Personen oder das Leben im Wald serviert werden.
Insgesamt herrscht eine ganz besondere Atmosphäre in diesem Werk, dennoch war es für mich ein eher unbefriedigendes Leseerlebnis.
3 Sterne

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Veröffentlicht am 10.05.2024

Nicht mein Schreibstil

Weltalltage
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Weltalltage – Paula Fürstenberg
Dies ist ein recht experimenteller Text über Freundschaft und über Krankheiten, psychische wie physische.
Die Erzählerin leidet seit ihrer Kindheit an unerklärlichem Schwindel. ...

Weltalltage – Paula Fürstenberg
Dies ist ein recht experimenteller Text über Freundschaft und über Krankheiten, psychische wie physische.
Die Erzählerin leidet seit ihrer Kindheit an unerklärlichem Schwindel. Max, ihr bester Freund, war immer schon der Gesunde, der sie unterstützt. Nun erkrankt er nach dem Tod des Onkels an Depressionen und die Rollen geraten ins Wanken.
Es handelt sich hierbei weniger um einen durchgehenden Text, sondern vielmehr um Momentaufnahmen, Bruchstücke, Schlüsselmomente aus ihren Leben mit den jeweiligen Krankheiten. Es geht um die Definition von Begrifflichkeiten, Einordnungsversuche, Metaphern und viele psychologische Hintergründe ebendieser Krankheiten und wie Betroffene bzw. Angehörige damit umgehen.
Sehr gewöhnungsbedürftig ist die Erzählperspektive der zweiten Person…. Hä??? Den Sinn dahinter kann ich nicht nachvollziehen. Für mich wirkt das sehr bemüht. Ebenso wie das zutiefst nervige Gendern, das ich in Romanen absolut nicht leiden kann.
Ein wirklich sehr interessantes Thema – doch leider kam ich mit dem experimentellen Erzählstil so überhaupt nicht zurecht. So etwas wie ein Lesefluss konnte sich hier überhaupt nicht aufbauen.
2 Sterne.

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Veröffentlicht am 07.05.2024

Allzu kurz

Wir sehen uns im August
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Wir sehen uns im August – Gabriel Garcia Marquez
Mit nicht einmal 150 Seiten ist dieser bisher unveröffentlichte Roman aus dem Nachlass des Nobelpreisträgers wirklich nur ein Lese-Häppchen.
Im Fokus steht ...

Wir sehen uns im August – Gabriel Garcia Marquez
Mit nicht einmal 150 Seiten ist dieser bisher unveröffentlichte Roman aus dem Nachlass des Nobelpreisträgers wirklich nur ein Lese-Häppchen.
Im Fokus steht Ana Magdalena Bach, eine nicht mehr ganz junge, glücklich verheiratete Frau. Jedes Jahr im August fährt sie zu einer Karibik-Insel um das Grab ihrer Mutter zu besuchen. Dabei verbringt sie eine Nacht in einem Hotel auf der Insel, wo sie sich Jahr für Jahr einen Liebhaber für diese eine Nacht sucht.
Einmal mehr musste ich feststellen, dass ich eher kein Fan allzu kurzer Romane bin. Für mich leidet dadurch einfach der Bezug zu den Figuren und die Komplexität einer Geschichte.
Nicht leugnen kann man aber, dass die Geschichte sehr gut erzählt ist und sich extrem leicht und schnell lesen lässt. Langeweile kommt hier nicht auf. Dennoch hat mir hier etwas gefehlt. Komplexität und Tiefgründigkeit vielleicht. Oder wahrscheinlich einfach mehr Seiten.
3 Sterne.

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Veröffentlicht am 06.05.2024

Beeindruckender Plot

Das andere Tal
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Das andere Tal – Scott Alexander Howard
Was für ein grandioser Plot!
Das fantastische Setting besteht aus einer Reihe identischer Täler, die jeweils um zwanzig Jahre zeitversetzt existieren. Geht man ...

Das andere Tal – Scott Alexander Howard
Was für ein grandioser Plot!
Das fantastische Setting besteht aus einer Reihe identischer Täler, die jeweils um zwanzig Jahre zeitversetzt existieren. Geht man nach Westen, reist man 20 Jahre in die Vergangenheit. Richtung Osten, geht es 20 Jahre in die Zukunft. Die Sache mit dem Reisen ist natürlich nicht so einfach, schließlich darf der Lauf der Dinge nicht einfach durcheinander gebracht werden. Und genau hier setzt der philosophische Kerngedanke dieses Romans an: Was passiert, wenn man in die Vergangenheit oder in die Zukunft eingreift? Welche Auswirkungen hätte dies auf einen selbst, auf Freunde und Familie? Und gibt es nicht doch Härtefälle, die ein Eingreifen rechtfertigen könnten?
Anfangs begleiten wir die Schülerin Odile, ein schüchternes Mädchen, eine Einzelgängerin mit erfolgversprechenden Zukunftsaussichten. Als sie zufällig erkennt, dass ihr Mitschüler Edme bald sterben wird, hat sie ein großes Geheimnis zu bewahren. 20 Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Als Gendarmin schreitet sie tagaus tagein die Grenzen zwischen den Tälern ab und scheint sich mit ihrem eintönigen Los abgefunden zu haben. Oder?
Gerade der erste Teil dieses unglaublichen Debüts trägt einige Elemente eines Jugendromans. Die Geschichte ist extrem spannend und süffig geschrieben. Mühelos gleitet man durch die Seiten. Doch der Schein trügt. Spätestens beim ersten Wechsel in ein anderes Tal wird klar, wie komplex, verwirrend und tiefgründig das dahinterliegende Dilemma ist. Jeder Besuch eines anderen Tals, jedes Eingreifen in Geschichte bzw. Zukunft hat weitreichende Folgen. Dabei ist ebendieser Wunsch einzugreifen so unglaublich natürlich und menschlich.
Ein Roman, der nachdenklich macht und dennoch fesselt. Das ist für mich ganz große Literatur. Der Autor hält sich nicht mit hochtrabender Sprache auf, sondern stößt seine Leser auf direktem Wege auf die ganz großen Fragen der Philosophie und der Menschlichkeit.
Ich bin begeistert. 5 Sterne.


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