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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.06.2024

E.T.

Seinetwegen
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Seinetwegen – Zora del Buono
Dies ist ein autofiktionales Werk. Zora des Buono hat ihren Vater 1963 mit nur wenigen Monaten bei einem tragischen Autounfall verloren. Die Mutter verfällt in tiefes Schweigen. ...

Seinetwegen – Zora del Buono
Dies ist ein autofiktionales Werk. Zora des Buono hat ihren Vater 1963 mit nur wenigen Monaten bei einem tragischen Autounfall verloren. Die Mutter verfällt in tiefes Schweigen. Sechzig Jahre später will sie endlich mehr über ihren Vater erfahren, über den Unfallhergang und auch über den Unfallverursacher, von dem sie nur die Initialen kennt: E.T.
Als Roman würde ich dieses Buch nicht bezeichnen. Es ist eher eine Aneinanderreihung von Anekdoten, Fakten, Kaffeehausgesprächen. Eine Reise in die Vergangenheit und eine Aufarbeitung jahrzehntelangen Schweigens. Dabei schweift del Buono immer wieder von ihrem eigentlichen Ziel ab, mehr über den Vater zur erfahren um ihr breit gefächertes Wissen zu präsentieren. Zu allen möglichen Themen weiß sie etwas zu sagen; von Hexenverfolgungen über Homosexualität – manches Mal wunderte ich mich sehr, wie sie den Bogen von ihrer Familiengeschichte zu unterschiedlichsten Themen und wieder zurück fand. Leider wirkte sie dabei auf mich auch öfter etwas oberlehrerhaft. Viele der Anekdoten und Fakten sind allerdings auch wirklich sehr interessant. Nur eine runde Geschichte kommt dabei für mich nicht zustande. Durch die vielen Abschweifungen konnte ich mich kaum in die Handlung bzw. die Protagonisten hineinversetzen. Es bleibt eine große Distanz.
Mir war nicht klar, dass dies ein autofiktionaler Roman ist. Die Nachforschung an sich ist wenig ergiebig und kaum überraschend. Da dies kaum ausreichend Material für ein Buch ergibt, wurde die Geschichte mit allerhand Füllmaterial ergänzt.
Konnte mich leider nicht begeistern. Wohlwollende 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 31.05.2024

Ida

Windstärke 17
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Windstärke 17 – Caroline Wahl
Dies ist die Fortsetzung von Wahls Bestseller „22 Bahnen“, in dem Tilda die Hauptrolle gespielt hatte. Nun sind einige Jahre vergangen, die Mutter ist gerade verstorben und ...

Windstärke 17 – Caroline Wahl
Dies ist die Fortsetzung von Wahls Bestseller „22 Bahnen“, in dem Tilda die Hauptrolle gespielt hatte. Nun sind einige Jahre vergangen, die Mutter ist gerade verstorben und die kleine Schwester Ida ist die Protagonistin.
Wütend und voller Schuldgefühle weiß Ida nicht wohin mit sich selbst und all ihren Gefühlen. Zu Tilda nach Hamburg will sie nicht. Und so verschlägt es sie mehr oder weniger zufällig auf die Insel Rügen, wo sie von dem älteren Ehepaar Marianne und Knut herzlich aufgenommen wird. Gerade als es bergauf zu gehen scheint, wird Marianne krank. Und dann ist da auch noch Leif…
Caroline Wahl hat einfach einen tollen Erzählton. Absolut authentisch und schnörkellos erweckt sie ihre jugendliche Protagonistin zum Leben. Es sind einfache, dennoch wunderschöne lockere Sätze, die von so banalen wie tiefgreifenden Lebenswahrheiten berichten. Man hat das Gefühl als ginge Tildas Geschichte beinahe nahtlos in Idas Erzählung über. Obwohl es etliche neue Figuren gibt, ist man sofort wieder in der Geschichte angekommen. Denn das Grundthema bleibt im Wesentlichen das Gleiche: eine schwierige Kindheit und Mutter-Tochter-Beziehung, ein zu frühes Ende der Kindheit, der holprige Wechsel vom Mädchen zur Frau, mit viel zu vielen Sorgen. Ziemlich schwere Themen, die durch den lockeren, unkomplizierten Schreibstil etwas aufgelockert werden.
Auch dies ist wieder eine gelungene, bitter-süße Geschichte von Caroline Wahl.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Der absolute Wahnsinn

Trophäe
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Trophäe – Gaea Schoeters
Eigentlich wollte ich diesen Roman gar nicht lesen: Ein mittelalter weißer Mann, der mithilfe von einheimischen Führern im afrikanischen Busch seinen Jagdfantasien nachgeht – nein ...

Trophäe – Gaea Schoeters
Eigentlich wollte ich diesen Roman gar nicht lesen: Ein mittelalter weißer Mann, der mithilfe von einheimischen Führern im afrikanischen Busch seinen Jagdfantasien nachgeht – nein danke! Doch dann häuften sich die 5-Sterne-Bewertungen und ich wurde doch neugierig.
Sprachlich ist diese Geschichte ganz wunderbar erzählt. Obwohl ich mich für Safari-Jagden etc. überhaupt nicht interessiere, konnte ich hier gut mitfiebern. Der Schreibstil ist detailreich und fesselnd. Angesichts des Inhalts fällt die Sprache allerdings bald gar nicht mehr ins Gewicht.
Unser weißer Jäger Hunter White (haha) ist nun eben dabei seine Big Five (musste ich ebenfalls erst googeln) vollzumachen. Das Nashorn fehlt ihm noch. So weit so gut. Es ist spannend erzählt, Hunter ist ein Unsympath wie er im Buche steht und eine latente Abneigung gegen das Abschlachten von Tieren zum Spaß (auch wenn diverse Vorteile genannt werden, allem voran die Finanzspritze aus der Ersten Welt), begleitet mich.
Knapp vor der Hälfte des Romans nimmt die Handlung eine radikale Wendung, auf die ich nicht eingehen kann, ohne zu spoilern. Mit so etwas hatte ich auf keinen Fall gerechnet; es liegt jenseits der Vorstellungskraft eines normalen Menschen. Diese Wendung provoziert und hebt die Handlung auf eine gänzlich neue Ebene. Buchstäblich atemlos und starr vor Entsetzen konnte ich diesen Roman nicht mehr zur Seite legen, bis zum bitteren Ende.
Also handwerklich ist das ziemlich gut gemacht. Man könnte allerdings schon fast befürchten, traumatisiert aus dieser Lektüre herauszugehen. Vergessen wird man einige Szenen wohl kaum mehr.
Grandiose Leistung, wenn auch extrem unangenehme Leseerfahrung.
5 Sterne.

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Veröffentlicht am 24.05.2024

Oda

Wie Inseln im Licht
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Wie Inseln im Licht – Franziska Gänsler
Die fünfjährige Oda verschwindet an der französischen Atlantikküste spurlos. Nach zwanzig Jahren, nach dem Tod der Mutter, sucht ihre große Schwester Zoey ihren ...

Wie Inseln im Licht – Franziska Gänsler
Die fünfjährige Oda verschwindet an der französischen Atlantikküste spurlos. Nach zwanzig Jahren, nach dem Tod der Mutter, sucht ihre große Schwester Zoey ihren damaligen Wohnort wieder auf – auf der Suche nach Antworten. Was ist damals eigentlich passiert?
Ein wirklich hochinteressanter Roman. Literarisch hochwertig und tiefgründig liest er sich fesselnd wie ein Thriller. Eine fantastische Mischung. Obwohl die Sätze oft eher knapp und einfach gehalten sind, steckt eine tiefe Poesie in diesem Text. Der atmosphärische Erzählstil beschreibt detailliert Erinnerungen, Gefühle und (Natur-) Empfindungen. Dennoch bleibt da immer eine gewisse Distanz zu den Figuren.
Was erst wirkt, wie der Versuch einer Aufarbeitung des Verlusts der Schwester, gewinnt immer mehr an Komplexität. Zoeys Erinnerungen an jenen Sommer vor 20 Jahren sind nur bruchstückhaft und widersprüchlich. Anschließend zieht die Mutter sich komplett zurück – über Oda wird nie wieder gesprochen.
Es stecken viele Themen in diesem Roman, mir hat sich vor allen Dingen die ungewöhnlich enge toxische Mutter-Tochter-Beziehung eingeprägt.
Wie in einem Cold-Case gibt es viele Puzzleteile, die sich erst nach und nach ineinander fügen. Die Auflösung scheint am Ende absolut klar, trotzdem wäre ich niemals von selbst darauf gekommen.
Sehr lesenswert – 4 Sterne

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Veröffentlicht am 21.05.2024

Der stumme Protest der Frauen

Und alle so still
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Und alle so still – Mareike Fallwickl
Was würde denn eigentlich passieren, wenn die Frauen einfach all ihre Arbeit niederlegen würden? Sich einfach wortlos auf den Boden legen würden und nicht mehr verfügbar ...

Und alle so still – Mareike Fallwickl
Was würde denn eigentlich passieren, wenn die Frauen einfach all ihre Arbeit niederlegen würden? Sich einfach wortlos auf den Boden legen würden und nicht mehr verfügbar wären. Wer würde all die Care-Arbeit übernehmen – zuhause oder auch im Krankenhaus? All die schlecht bezahlten, typischen „Frauenberufe“ – was würde geschehen?
Das Grundthema dieses Romans ist die fehlende Wertschätzung der überwiegend von Frauen ausgeübten Tätigkeiten und die anhaltende Erschöpfung vieler Frauen.
Wieder ein wütendes, feministisches Werk von der österreichischen Autorin. Während „Die Wut, die bleibt“ einen Ist-Zustand dokumentierte, spielt „Und alle so still“ mit der Möglichkeit eines Protests, eines kollektiven Burn-outs.
Erzählt wird diese Geschichte in drei Handlungssträngen. Da ist einmal Elin, eine junge Influencerin, die Gewalt erfahren hat und sich in ihrem Leben nicht mehr wohl fühlt. Nuri ist ein junger Mann mit Migrationshintergrund, Schulabbrecher, der keinen Fuß auf den Boden bekommt und zusätzlich mit einem toxischen Männlichkeitsbild kämpft. Und dann ist da noch Ruth, eine Pflegefachkraft in ihren Fünfzigern, die im Krankenhaus arbeitet und ihre Belastungsgrenze eigentlich längst erreicht hat. Diese drei Figuren geraten nun in diese stummen Proteste der Frauen.
Mit Ruth konnte ich mich noch am besten identifizieren. Der Pflegenotstand, der eskaliert – ein wichtiges, spannendes Thema. Elin blieb für mich leider relativ blass. Und Nuri ist eigentlich eine sympathische Figur, allerdings ist er im gesamten, durchgehend Männer bashenden Roman, der einzige vernünftige Vertreter seiner Gattung. Dass dies ausgerechnet ein junger Mann mit Migrationshintergrund vom Rande der Gesellschaft sein musste, passt für mich nicht so richtig.
Meiner Meinung nach hat sich die Autorin hier ein wenig übernommen mit dem Versuch, die Themen für drei Romane in einen einzigen zu quetschen. Ich finde, das Pflege-Thema hätte ein eigenes Buch verdient gehabt, ohne durch andere, nur halb ausgearbeitete Themen überlagert zu werden. Das ist schade, denn Fallwickl hat einen wunderbaren Schreibstil. Dennoch hat sie mich hier nicht so sehr fesseln können, wie in ihrem Vorgänger.
3 Sterne

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