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Veröffentlicht am 05.06.2021

Bracken

Über Menschen
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Über Menschen – Juli Zeh

Was wäre aktueller als die Flucht aufs Land zur Zeit der Corona-Pandemie? Genau darüber hat Juli Zeh nun einen Roman geschrieben. Mit ihrer typischen, bissigen Schreibweise nimmt ...

Über Menschen – Juli Zeh

Was wäre aktueller als die Flucht aufs Land zur Zeit der Corona-Pandemie? Genau darüber hat Juli Zeh nun einen Roman geschrieben. Mit ihrer typischen, bissigen Schreibweise nimmt sie so einige Themen unserer Zeit aufs Korn.

Dora hat genug von ihrem Alltag in Berlin, genug von ihrem Freund Robert, genug von Corona als einzigem Gesprächsthema. Kurzentschlossen zieht sie mit ihrer Hündin Jochen aufs Land, nach Bracken. Tatsächlich ist Corona hier kein so großes Thema wie in der Stadt. Nicht gerechnet hat Dora allerdings mit ihrem Nachbarn Gote, der sich mal eben als „Dorf-Nazi“ vorstellt. Zu ihrem Erschrecken muss sie feststellen, dass Gote eigentlich ein gutes Herz hat. Aber kann das überhaupt sein? Ein netter Nazi und Rassist?

Juli Zeh provoziert mit diesem Buch und andererseits auch wieder nicht. Schließlich ist Dora der klassische Gutmensch, auch wenn sie sich darüber lustig macht. Dora ist entsetzt angesichts des Ausmaßes an Rassismus, der ihr auf dem Land entgegenschlägt. Teilweise handelt es sich wohl einfach um derbe, unreflektierte Umgangssprache. Und dann muss sie auch noch feststellen, dass Menschen nicht einfach nur gut oder böse sind. Der böse Nazi kann wirklich auch nett sein? Oh! Naja, irgendwie fand ich Dora oft etwas sehr naiv. Diejenige mit den meisten Vorurteilen ist wohl auch sie selbst. Nett zu lesen, aber inhaltlich hat Frau Zeh sich meiner Meinung nach etwas überhoben.  Da wusste ich des Öfteren nicht so recht, was sie dem Leser eigentlich sagen will…

Um ehrlich zu sein, war mir dieser Roman, der während der ersten Welle der Corona-Pandemie spielt, zu aktuell. Möglicherweise habe ich all die Argumente für und wider Lockdown etc. bereits etwas zu oft gehört. Genau wie die Diskussion um die Klimaaktivisten um Greta Thunberg, oder der Rassismus-Eskalation um George Floyd. Alles extrem aktuelle, sehr wichtige Themen, aber für mich auch alles mit Nerv-Faktor behaftet. Vielleicht sollte ich einfach keine Bücher über allzu aktuelle Themen lesen.

Tatsächlich hatte ich manchmal das Gefühl, dieses Buch wurde etwas lieblos hingeklatscht um schnell fertig zu werden. Zu viel Aktualität auf Kosten der Qualität. Klar, die Dialoge sind witzig, der Schreibstil gewohnt knackig. Trotzdem kommt es für mich bei Weitem nicht an frühere Werke heran.

Deshalb von mir nur 3 Sterne.

 

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Ruhiger Reisebericht

Der Schneeleopard
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Der Schneeleopard – Sylvain Tesson
Zusammen mit einem befreundeten Tierfotografen reist der Autor Sylvain Tesson in die eiskalte Bergwelt Tibets, immer auf den Spuren der selten gewordenen Schneeleoparden. ...

Der Schneeleopard – Sylvain Tesson
Zusammen mit einem befreundeten Tierfotografen reist der Autor Sylvain Tesson in die eiskalte Bergwelt Tibets, immer auf den Spuren der selten gewordenen Schneeleoparden. Im Hochgebirge muss er sich vor allem in Geduld und Verzicht üben, es gelten andere Regeln als im hektischen Paris. So ist dieser Reisebericht geprägt von philosophischen Überlegungen und meditativen Betrachtungen.
Die Sprache ist poetisch schön, die raue Bergwelt wird wunderbar detailliert beschrieben, ebenso die Tiere, die perfekt an ihre Umgebung angepasst sind. Angenehm sind auch die relativ kurzen Kapitel.
Ein sehr stiller Reisebericht, mit vielen wahren Gedanken. Mir persönlich hat hier dennoch etwas gefehlt. Tatsächlich passiert nämlich kaum etwas, so etwas wie eine Spannungskurve fehlt gänzlich. Tesson wartet und denkt nach und zwingt sich zur Ruhe. Ab und an ein paar Tiere, die aber niemals zur Gefahr werden.
Die Stärke dieses Buches ist die wirklich wunderbar eingefangene Stimmung. Eine kalte Atmosphäre in der eisigen Bergwelt Tibets. Für mich ist das nur leider nicht genug. Meine Gedanken sind immer wieder abgeschweift. Es fehlte ein fesselndes Element.
Trotzdem fand ich es durchaus lesenswert und außergewöhnlich. 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Potential verschenkt

Fremdes Licht
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Fremdes Licht – Michael Stavaric
Dieser Roman hat so toll angefangen! Eine Dystopie, eine zerstörte Erde, Flucht in letzter Sekunde und eine harte Landung auf einem fremden, eiskalten Planeten. Der Überlebenskampf ...

Fremdes Licht – Michael Stavaric
Dieser Roman hat so toll angefangen! Eine Dystopie, eine zerstörte Erde, Flucht in letzter Sekunde und eine harte Landung auf einem fremden, eiskalten Planeten. Der Überlebenskampf der Protagonistin Elaine beginnt und wird immer wieder von Erinnerungen und Rückblicken unterbrochen. Wirklich spannend, schließlich will man ja wissen, was mit der Erde geschehen ist. Vieles von ihrem Wissen, das nun das Überleben möglich macht, hat Elaine von ihrem Großvater, einem Inuit erlernt. Von daher ist es auch sehr interessant, dass einiges von der Lebensweise der Inuit vermittelt wird.
So weit so gut – die erste Hälfte des Buches gefiel mir recht gut. Doch dann gibt es einen wirklich harten Schnitt. Ich hätte so gerne noch mehr von Elaines Erkundungen erfahren. Aber nein. Plötzlich lesen wir von Elaines Urgroßmutter – auch Elaine – aus Grönland. Und hier hat mich nun der Autor komplett verloren. Was wohl so etwas wie eine Kriminalgeschichte sein soll, kam für mich absolut platt und langatmig daher. Ich ärgerte mich über diesen abrupten und endgültigen Wechsel der Handlung und musste mich teilweise dazu zwingen, diese Geschichte zu Ende zu lesen. Über weite Teile werden unwichtige Begebenheiten doppelt, aus zwei Perspektiven erzählt. Auch die Sprache hat meiner Meinung nach im zweiten Teil gelitten, oder es ist mir Anfangs nur nicht aufgefallen. Ich behaupte, diese Geschichte ist stellenweise, vor allem gegen Ende, einfach schlecht erzählt.
Ganz zum Schluss wird zwar nochmal ein Bogen geschlagen, von Elaine zur Urgroßmutter Elaine. Für mich aber sehr dürftig und nicht überzeugend. Meines Erachtens bleiben das zwei relativ voneinander unabhängige Geschichten, von denen ich mit der zweiten so gar nichts anfangen konnte.
Was gut begonnen hat, wurde nicht zu Ende erzählt. Der zweite Teil ist für mich sinnfrei. Sehr schade. Von mir gibt es dafür gerade noch 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Sperrige Erzählform

1000 Serpentinen Angst
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1000 Serpentinen Angst – Olivia Wenzel
Auf der Longlist 2020
Rassismus ist ein großes Thema, das auch immer wieder in Romanform verarbeitet wird. So auch hier: Die Geschichte einer „in der DDR geborenen, ...

1000 Serpentinen Angst – Olivia Wenzel
Auf der Longlist 2020
Rassismus ist ein großes Thema, das auch immer wieder in Romanform verarbeitet wird. So auch hier: Die Geschichte einer „in der DDR geborenen, schwarzen Frau, die in Berlin und New York, in Vietnam und Marokko…“ nach ihrer eigenen Identität sucht und immer wieder auf offenen oder latenten Rassismus stößt.
Der vermutlich eigentliche Grund, warum dieses Buch auf der Longlist gelandet ist, ist weniger die Handlung als vielmehr die Erzählform. Man kann dieses Werk kaum als Roman bezeichnen, denn es besteht aus einer Aneinanderreihung von Erzählschnipseln, Erinnerungsfetzen. Das macht einen sehr innovativen, modernen Eindruck, für den Lesefluss ist es nicht optimal. Es tauchen einige Stilmittel auf, die ich nicht unbedingt verstanden haben, bzw. nicht richtig einordnen konnte. Ich bin allerdings auch kein Leser, der für so etwas viel Geduld aufbringt. Was ich nicht verstehe, überlese ich.
Die Sprache selbst ist sehr direkt und aktuell. Die Autorin lebt in Berlin, man liest die Erlebnisse und die Ausdrucksweise einer Großstädterin. Ich fand das recht authentisch. Im Prinzip ist das Geschriebene auch sehr angenehm und gut zu lesen, wenn es denn nicht ständig auseinandergerupft und durcheinandergebracht worden wäre. Wie ein Puzzle.
Sehr viele der einzelnen erzählten Fragmente fand ich sehr interessant, anstrengend fand ich eher die Art des Erzählens. Der Leser muss sich teilweise mit drei unterschiedlichen Schriftarten (normal, Großbuchstaben, kursiv) gleichzeitig auseinandersetzen. Mir persönlich ist sowas ehrlich gesagt zu mühsam. Gestellte Fragen werden teils nicht beantwortet, teils einfach das Thema gewechselt. Es ist sehr unruhig zu lesen, mit vielen Orts- und Zeitwechseln. Da habe ich irgendwann den Überblick verloren, bzw. fand es dann auch gar nicht so wichtig.
Also insgesamt ein interessantes Werk, nur mit der Erzählform bin ich nicht ganz warm geworden. 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 06.10.2020

Die Rakete

Die Erfindung des Countdowns
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Die Erfindung des Countdowns – Daniel Mellem
„Nichts kann rückgängig gemacht werden, was einmal gedacht wurde.“ Dürrenmatt, Die Physiker
Es ist eine spannende und zugleich schwierige Frage in der Wissenschaft. ...

Die Erfindung des Countdowns – Daniel Mellem
„Nichts kann rückgängig gemacht werden, was einmal gedacht wurde.“ Dürrenmatt, Die Physiker
Es ist eine spannende und zugleich schwierige Frage in der Wissenschaft. Wie weit darf man im Namen der Forschung gehen. Was ist ethisch vertretbar?
Daniel Mellem hat sich das Leben und Schaffen Hermann Oberths vorgenommen. Ein genialer Geist im Bereich der Astrophysik. Vordenker und Begründer wichtiger Grundlagen der Raketentechnik. Ein spannendes Fachgebiet. Interessierte sich Hermann vorrangig für eine Rakete zum Zweck einer Mondreise, wird ihm nach und nach klar, dass eine Rakete für Kriegszwecke weitaus mehr internationales Interesse hervorruft. Brisantes Gedankengut, fertig gerade zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Leider leider hat Hermann große Defizite. Zum Einen im emotionalen Bereich (seine Frau Tilla ist zu bemitleiden), zum Anderen ist er nicht fähig, die Gefahren seiner Arbeit vorauszusehen. Er ist total besessen von seiner Rakete und schafft es nicht, auch nur ein kleines bisschen, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Und so kommt es, dass das große Dilemma seiner Arbeit, das eigentliche Thema dieses Romans, für Hermann eben überhaupt kein Thema ist. Er macht sich einfach keine Gedanken darüber. In der Realität brandgefährlich, für dieses Buch irgendwie schade.
Wie bereits erwähnt gab es die Person Hermann Oberth tatsächlich. So ist dies vorliegende Buch eine Mischung aus Biografie und Roman. Es sind viele Fakten mit eingeflossen, Lücken wurden mit schriftstellerischer Freiheit gefüllt. Leider gibt es oft ziemlich krasse Sprünge in der Handlung, Hermann hatte eine bewegtes Leben mit vielen Ortswechseln. Offensichtlich hatte der Autor gut damit zu tun, die Fakten der Reihe nach abzuerzählen.
Schriftstellerisch ist das Ganze tatsächlich kein großer Wurf. Die Sprache ist unauffällig, sachlich, ohne schöne Sätze. Das passt aber sehr wohl zum recht spröden Charakter Hermanns und der naturwissenschaftlichen Thematik. Dazu sei angemerkt, dass der Autor selber Physiker ist.
Hermann ist an und für sich einfach kein Sympathieträger. Er ist absolut auf sich selbst und seine Rakete bezogen. Seine Mitmenschen nimmt er teilweise kaum wahr. Auch Politisches scheint ihm nicht wichtig zu sein. Aus der tatsächlichen Vita ist ersichtlich, dass er mit den Nazis liebäugelte, im Roman kommt auch das wieder kaum wirklich zur Geltung. Eben das ist einer meiner Kritikpunkte. Vieles wird doch recht oberflächlich behandelt, die Gesamtzusammenhänge sind schwer zu erfassen. Vermutlich liegt es daran, dass man eben Hermanns Sicht der Dinge erfährt.
Ein interessantes Thema, ein spannender Roman, der sich gut lesen ließ, mich aber kaum bis zum Schluss fesseln konnte. Das große Dilemma, das im Klappentext versprochen wurde, wurde für mich leider praktisch kaum angeschnitten. Viele Sprünge in der Handlung und scheinbar fehlende Informationen ließen die Charaktere blass und nicht stimmig erscheinen. Möglicherweise wäre der Autor mit einer Biographie besser beraten gewesen.
Trotzdem ein lesenswertes Buch, das zu Recherchen anregt und den Horizont erweitert. 3 Sterne.

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