Zwischen den Generationen
Die TochterMutter und Tochter teilen seit Jahren höchsten mal ein wortkarges Mittagessen in der Woche miteinander, mehr auch nicht. Beide haben andere Werte, andere Vorstellungen vom Leben und hadern mit den Ansichten ...
Mutter und Tochter teilen seit Jahren höchsten mal ein wortkarges Mittagessen in der Woche miteinander, mehr auch nicht. Beide haben andere Werte, andere Vorstellungen vom Leben und hadern mit den Ansichten der jeweils anderen Person. Als die Tochter dann in Geldnot gerät und mit ihrer Lebensgefährtin Rain zu ihrer Mutter ziehen muss, prallen nicht nur Generationen aufeinander, auch müssen sie sich mit sich selber auseinandersetzen.
Vorwort:
"Die Tochter" von Kim Hye-jin erschien im Januar 2022 bei Hanser Berlin. Es umfasst ca. 172 Seiten und ist als Hardcover und e-book erhältlich.
Meine Meinung:
Als mir beim Stöbern Die Tochter auffiel, wurde ich gleich neugierig. Meistens lese ich eher leichtere Liebesromane, Fantasy oder Jugendbücher, aber der Klappentext und viele der bisherigen Meinungen dazu reizten mich sehr, dieses Buch zu lesen. Schon das Cover macht neugierig und ich finde es sehr gut gewählt. Die Zeichnung einer jungen Frau, die das Gesicht vom Betrachter abgewandt hat, passt für mich gut zum Inhalt und die Pastelltöne, sowie der Titel, der zentral in weiß gehalten wurden, runden das Bild ab. Die Geschichte über die Konflikte zwischen Generationen und den möglichen Wandel einer starren Tradition faszinierte mich und gefiel mir bis auf kleinere Längen sehr gut.
Die Geschichte wird aus der Sicht der Mutter erzählt, deren Namen man nie erfährt. Ihr Leben ist nicht einfach und von Doppelbelastungen und Enttäuschung geprägt, die sie nicht nur seelisch belasten, sondern nach und nach auch körperlich. Sie kann ihre Tochter und deren Lebenswandel nicht verstehen und hadert sehr mit ihren Entscheidungen. Vor allem, dass Green, deren richtiger Name ebenfalls nie genannt wird, eine Frau liebt und keinen Mann, macht der Erzählerin sehr zu schaffen. Immer wieder klagt sie dem Leser ihr Leid darüber und verflucht nicht nur die Welt, sondern auch sich und das Schicksal. Sie ist so sehr in den Traditionen stecken geblieben und missbilligt beinahe alles, was von dieser abweicht.
Als ihre Tochter und ihre Lebensgefährtin bei ihr einziehen müssen, krachen die Generationen noch mehr aufeinander und das Leben der Erzählerin gerät immer mehr in eine Abwärtsspirale, die sie auch Dinge tun lassen, die sie selber nicht für möglich gehalten hätte. Die Zärtlichkeiten zwischen dem Paar stoßen sie regelmäßig ab und sie klagt beinahe pausenlos ihr Leid. Beinahe alles missbilligt die Frau und sucht die Schuld bei sich und ihrem verstorbenen Mann, denn schließlich müssen sie etwas getan haben, damit ihre Tochter so wird. Schließlich spitzt sich alles zu und es geschieht etwas, was vieles verändert.
Die Tochter ist ein Buch, was mich immer noch zum Grübeln bringt und mir sehr gut gefiel. Und mir fehlen irgendwo die Worte, um diesem gerecht zu werden. Immer noch wirbeln die Gedanken in meinem Kopf und trotz der Zeit, die seit der Beendigung der Lektüre verstrichen ist, fällt es mir schwer, meine Meinung in klare Worte umzuwandeln. Es ist ein Buch, was mich sehr beeindruckte und mich unglaublich fesselte. Ich fieberte mit den Figuren mit und verlor mich auch etwas in ihrer Geschichte. Der Generationenkonflikt wurde sehr gut verarbeitet und ich fand es spannend, welche Ansichten und Probleme sie hatten. Der beinahe schon nüchterne Stil der Autorin sorgte dafür, dass dieser Konflikt bedrohlicher und intensiver wirkte und ich rechnete mit allem, vor allem, weil die Mutter und Rain teilweise so heftig aneinander gerieten.
Ein roter Faden war nicht wirklich erkennbar und durch die fehlenden Überschriften und Kapitel ist es ineinander fließend. Manchmal schon zu sehr, denn ich hatte an ein paar Stellen Schwierigkeiten zu erkennen, wann von Ereignissen aus der Vergangenheit und wann aus der Gegenwart berichtet wurde. Einzig Sternchen trennten ab und zu Szenen voneinander ab, aber schlimm fand es dennoch nicht, weil es mich sehr packen und ich wirklich alles um mich herum vergessen konnte. Der Handlungsstrang mit Tsen, ihrer Patientin aus dem Altersheim, war zwar interessant und es ging mir auch unter die Haut, aber in der zweiten Hälfte nahm es zu viel Platz ein und der eigentliche Konflikt mit ihrer Tochter und Rain geriet mir zu sehr in den Hintergrund, auch wenn er ganz zum Schluss noch mal etwas Wichtigkeit erhielt. Mir gefiel es zwar, dass die Autorin den Wandel ihrer Hauptfigur zeigen wollte und dies gelang ihr auch, aber dennoch grenzte es sich zu sehr von der eigentlichen Handlung ab und wirkte nicht ganz stimmig, was mich durchaus störte. Denn so ging der Geschichte die Puste aus und wirkte trotz der Ereignisse etwas zäh. Das Ende blieb offen und überließ es dem Leser, wie die Geschichte zu ihrem Schluss kommte. Eigentlich ist sowas nicht ganz mein Fall, aber hier passte es umso besser rein.
Fazit:
Ein Buch, was es einem nicht ganz einfach machte, aber in dem ich mich verlieren konnte. Die Konflikte zwischen den Generationen und ihrer Werte, sowie Vorstellungen wurde authentisch und spannend erzählt und brachte mich zum Nachdenken. Auch jetzt hallen die Ereignisse noch in mir nach und beherrschen oft meine Gedanken. Nur leider verlor es sich durch den zweiten Handlungsstrang, den ich zwar auch interessant, aber zu langatmig fand, in der zweiten Hälfte und konnte mich dann nicht mehr so begeistern. Dennoch ist ein Buch, was ich gerne weiter empfehle. Von mir gibt es:
4 von 5 Sterne