Der Schmerz der femininen Linie ...
CorregidoraIch fürchte, dass die nordamerikanische Literatur der people of color, speziell jetzt USA, für viele, auch Amerikaner, eine Terra incognita ist.
Sehr schade, denn da gibt es vieles zu entdecken. Allein ...
Ich fürchte, dass die nordamerikanische Literatur der people of color, speziell jetzt USA, für viele, auch Amerikaner, eine Terra incognita ist.
Sehr schade, denn da gibt es vieles zu entdecken. Allein die Autorinnen. Frances Harper, Angelina Grimké, Zora Neale Hurston, Dorothy West, Alice Walker, Gloria Naylor, Paule Marshall, Toni Morrison, Ann Petry, Gwendolyn Brooks, Margaret Walker, Lorraine Hansberry, Claudia Rankine und eben hier Gayl Jones.
Authentische Stimmen einer marginalisierten Gruppe. Nicht nur people of color, sondern auch noch Frauen. Ein doppelter Kampf. Gegen Rassismus und dem Sexismus, auch der "eigenen Leute".
Oder ist Angela Davis nicht der einzige berühmte Leuchtturm unter den Machos der Black Panthers in den 60er und 70er Jahren?
Ursa, wie ihr Name schon andeutet, eine kämpferische Bärin trotz allem, ist wie Billie Holiday, die tragische Lady, die Sängerin des Blues, der ihr aus tiefster Seele und Herz aufsteigt.
Im Jahre 1947 in Kentucky. Ihr Schmerz und die Traumata sind durch die Epigenetik ohnehin belegt. Schon ihre Urgroßmutter, Großmutter und Mutter wurden von denselben einem "weißen" Portugiesen in Brasilien vergewaltigt.
Und so hat sie einen Vorfahren, den sie nachvollziehbar gerne nicht hätte.
1947 haben die people of color noch lange nicht ihre Bürgerrechte und obwohl die Sklaverei längst passé ist, ist dennoch der Rassismus sehr virulent.
Nicht nur, dass es auch genügend "Weiße" gibt, die in sexuellen Klischees über people of color denken, nein, obendrein grassiert die Gewalt auch unter ihnen selbst.
Das muss Ursa auch selbst bitter erfahren, zum Beispiel durch ihren ersten Mann Mutt. Wird es ihr unter erschwerten Bedingungen trotzdem gelingen, eine gewisse Freiheit zu erlangen?
Ursa ist eine starke Frau mit mehr Resilienz, als sie selber annehmen würde. Man leidet mit ihr mit, denn sind wir nicht zuerst alle Menschen?
Das emotionale Sujet und der harte, erbarmungslose und dadurch authentische Realismus macht betroffen sowie wütend.
Das Buch ist eben dadurch nicht leicht zu lesen und auch die Gewalt wird nicht jedem behagen, aber das ist nun mal leider das Leben.
Mit Montagetechniken, wie dem stream of consciousness und dem Rhythmus des Blues hat man unmittelbar Anteil an der Innenwelt Ursas.
Im Anhang gibt es Erläuterungen und ein Glossar. Es ist wohl im Grunde genommen unmöglich, das Buch ins Deutsche zu übertragen, eigentlich. Denn das Idiom ist einmalig. Deswegen umso größeren Respekt an die Übersetzerin Pieke Biermann, dass es dennoch gelungen ist und so das Werk einem deutschsprachigen Publikum nahegebracht werden kann. Dennoch wäre es für jeden garantiert reizvoll, der des Englischen mächtig ist, zum direkten Vergleich das Buch auch einmal im Original zu genießen.
Vielen Dank für diese literarische, eminente Perle!