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Veröffentlicht am 24.12.2023

Zuviele Personen, zuwenig Inhalt

MTViva liebt dich!
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Ich habe bereits die Doku zum Sender gesehen und über eine Buchkritik bin ich auf das Buch gekommen. Ich war nie ein Riesenfan, aber für mich war Viva DER Sender, den man als Teenager geguckt hat. Ich ...

Ich habe bereits die Doku zum Sender gesehen und über eine Buchkritik bin ich auf das Buch gekommen. Ich war nie ein Riesenfan, aber für mich war Viva DER Sender, den man als Teenager geguckt hat. Ich habe die Musikclips genossen und bewundert, was der Sender für die junge Zielgruppe geleistet hat. Manche Moderator:innen mochte ich sehr und wollte wie sie sein. Dieser Spirit kam für mich leider nicht auf. Das liegt einerseits daran, dass ich eher mit der zweiten Generation der Moderator:innen aufgewachsen bin und von dieser einige fehlen. Vor allem aber verbringt das Buch die Hälfe damit, sich ständig und besonders die Anfangszeiten zu feiern.

Worum geht es?

Der Text schildert die Geschichte von MTV und Viva in Form einer "Oral History". Das bedeutet, dass über 60 Menschen aus dem Umfeld der Sender interviewt wurden, überwiegend Moderator:innen, aber auch die Senderchefs und Künstler:innen, und diese dann thematisch zusammengepuzzelt wurden.

Es handelt es sich also um sehr, sehr viele Erfahrungsberichte.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Man hätte das Buch um 2/3 kürzen können. Schon nach 25 % zeigten sich erste Dopplungen, ab 50 % wurde es nervig und ich hätte am liebsten ganze Kapitel gestrichen. Sehr, sehr, sehr oft betonen die Protagonist:innen die Anarchie und den Spaß bei Viva. Doch leider wird nur wenig erklärt, wie diese Arbeit aussah. Wie eine Sendung entsteht, wer mitwirkt. Und woher das Geld kommt. Wieviel Geld eine Sendung kostet und warum sie so teuer ist. Was eine Rotation der Clips konkret bedeutet. Dafür wird auffällig oft betont, die Plattenfirmen hätten keinen Einfluss auf die Rotationen gehabt. Mehr erklären, weniger sich-feiern, das wäre schon gewesen.

Auffällig ist, dass es einerseits um die Geschichte des Senders geht, anderseits auch um bestimmte Formate. Ab 70 % geht es um die berühmten Unplugged-Konzerte, Rock am Ring, MTV Home. Diese Teile waren für mich interessant, auch wenn ich bis dahin schon die Lust verloren hatte. Dann in diesen Abschnitten ging es um konkrete Sachverhalte.

Wie einzelne Figuren entstanden sind, dass Menschen wie Charlotte Roche oder Markus Kavka Förderer brauchten, fand ich schön. Dass auch Sarah Kuttner ihren Platz fand, mit ihren Besonderheiten. Es war nett, all die Menschen "wieder zu treffen", die ich aus dem Fernsehen kenne, und hinter die Kulissen zu blicken. Und zu sehen, welche Fehler sie gemacht haben. Das machte sie menschlich.

Die Anekdoten über Stars halten sich in Grenzen, was ich mochte. Von Konflikten innerhalb des Teams wird manchmal erzählt und besonders, als es um das Ende beider Sender geht, wird deutlich, dass es nur um Zahlen geht und die Chefs nicht mehr nett waren.

Auch gegenüber problematischen Kollegen wie Niels Ruf verhalten sich die Interviewten tadelnd, aber wertschätzend. Man könnte dem Buch aber vorwerfen, zu wenig kritisch zu sein. Zu oft fällt der Satz, dass man das heute nicht mehr machen könne. Obwohl, so mein Eindruck, manche Sendungen, manche Figuren, geschmacklos und grenzüberschreitend waren. Auf mich wirkte es, als ob das manchmal heruntergespielt wird. Besser wäre es gewesen, das klar zu benennen.

Nicht in Ordnung fand ich die Selbstgefälligkeit, mit der erzählt wird, dass manche Künstler:innen und Musikstile nicht auf Viva gespielt werden durften z.B. Peter Maffay. Der Tonfall ist an diesen Stellen nicht wertschätzend für den Künstler oder die Künstlerin, für die Arbeit, die die Person geleistet hat. Man belächelt, dass auch diese Musiker:innen ein Stück vom Kuchen abhaben wollten, obwohl sie nie eine Chance hatten.

Außerdem sind es einfach zuviele Personen, die innerhalb eines Abschnitts etwas sagen. Die Auswahl ist sehr gut, es ist eine Mischung aus Moderator:innen, Künstler:innen und Menschen aus dem Hintergrund. Aber ich hab oft den Überblick verloren, wer spricht und es war einfach zuviel Stoff.

Die Unterschiede zur Doku

Beide Werke wurden von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Intentionen erstellt. Viele Interviewete und Aussagen ähneln sich aber. Die Doku wirkt durch das Bildmaterial lebendiger und persönlicher. Und sie ist mit dreimal je 30 min kompakter. Dadurch habe ich das Erlebte aber positiver und intensiver wahrgenommen. Das Buch enthält mehr Hintergründe, vieles geht aber inmitten der Fülle unter.

Fazit

Ich fand's nicht gut. Zuviel Nostalgie, feiern der "alten Zeiten", zuwenige Erklärungen. Ich verstehe, dass der Sender sehr vielen Leuten wirklich etwas gegeben hat. Aber bei mir kam das nur wenig an.

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Veröffentlicht am 08.12.2023

Optisch toll, inhaltlich mau

Literally Love 1. Paperthin Touch
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Ich hatte das Buch angefordert, weil mich der Blick in die Verlagswelt gereizt hat und ich auch das Thema Social Media interessant finde. Was die Grundgeschichte betrifft, zeigt das Buch nichts Neues, ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil mich der Blick in die Verlagswelt gereizt hat und ich auch das Thema Social Media interessant finde. Was die Grundgeschichte betrifft, zeigt das Buch nichts Neues, aber die Perspektive der Lektorin macht den Text auch erzählerische reizvoll.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Lektorin Clio hat ein Problem mit ihrem Vater, der die Familie verlassen hat und mit ihren Mitbewohner:innen, die eine On-Off-Beziehung führen. Dann muss sie plötzlich Autor Bryn betreuen, der als Talent, aber schwierig zu handhaben gilt. Doch je mehr Kritiken hin und her fliegen, desto mehr Funken sprühen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Leider gab's im Buch schon relativ früh Aspekte, mit denen ich nicht klargekommen bin: Clio wirkt auf mich eher negativ, sie hat soviele Probleme, vor denen sie meistens wegläuft. Außerdem mischt sie sich gern in die Nicht-Beziehung ihrer besten Freundin ein und auch das Verhältnis zu den Eltern ist angespannt. Ich glaube, in Clio steckt viel Frust, den sie verarbeiten muss. Dass SIE körperlich Bryan näher kommen will und den ersten Schritt macht, war nicht mein Geschmack, ist aber in Ordnung.

Hinzu kommt, dass ihre Bemerkungen im Text sehr schnell persönlich werden - sie übertritt damit die professionelle Ebene, was ich nicht gut fand.

Herzstück ist die Geschichte in der Geschichte - Clio korrigiert Bryns Text und als Leser sehen wir diese Bemerkungen. Der Buchsatz hat das wundervoll umgesetzt, es sieht "echt" aus und die meisten von Clios Bemerkungen konnte ich nachvollziehen. Das gab einen guten Einblick in die Arbeit einer Lektorin. Auch die Arbeit im Verlag wirkte realistisch. Allerdings hat man manche Passagen öfters gelesen und für mich hat das den Lesefluss gehemmt. Ich habe die Passagen irgendwann überlesen. Richtig interessant wurde es erst nach 50 %, als sich die beiden näher kommen. Hinzu kommt, dass ich die Geschichte in der Geschichte nicht so interessant fand: Eigentlich geht es um einen Mann, der von seinem besten Freund gestalt wird und dessen Leben zerstört wird. Davon lesen wir aber wenig. Stattdessen liegt der Fokus auf der Beziehung zur Jugendliebe des Mannes - die Frau ist gleichzeitig die Schwester des Stalkers. Als Parallelgeschichte zur Clio-Bryn-Ebene funktioniert das im Roman ganz gut - beide Geschichten sind so unterschiedlich, dass es nicht langweilig wirkt, aber so ähnlich, dass man Parallelen zur Handlung ziehen kann. Viele Leser:innen werden damit Spaß haben, aber mich hat es leider nicht gepackt.

Denn wenn man diesen Aspekt ausblendet, haben wir nicht viel: Zwei Figuren, die so vage charakterisiert sind, dass ihre Liebe für mich nicht nachvollziehbar wirkt. Vor allem Bryns realer Beruf kommt zu kurz, was ich sehr schade fand. Witzig war's leider auch nicht.

Es gab einige Nebenfiguren und einen Nebenhandlungsstrang mit der besten Freundin und ihrem Love-Interest, der immer wieder aufgegriffen, aber nur am Ende ein bisschen vertieft wird. Dieser Strang hat etwas Überraschendes, das leider ein bisschen untergeht.

Der zweite Schwerpunkt ist Clios Verhältnis zum Vater. Dieser hatte die Familie verlassen. Doch nun nähern sich die Eltern wieder an, was Clio nicht gefällt. Aus meiner Sicht hätte hier viel mehr erzählt werden können, weil soviele Jahre der Schuld, des Verlustes und Frustes nicht in ein paar Wochen zu bereinigen sind. Das Ende des Konfliktes fand ich aber nachvollziehbar und versöhnlich. Das war rund.

Von Oxford als Setting sieht man wenig, aber es gibt nette Landschaftsbeschreibungen.

Irgendwie klärt sich am Ende alles sehr schnell und Clio wirkte auf mich ein bisschen naiv.

Fazit

Die Geschichte hat ihren Reiz, vor allem optisch, und die Grundidee gefällt mir. Trotzdem waren mir die Charaktere nicht tief genug, die Story nicht witzig genug. Die Geschichte wirkt schwerer, als sie ist, ich habe nur selten mitgelitten.

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Veröffentlicht am 24.11.2023

Manchmal zu selbstdarstellend

Dear Dolly. Die besten Antworten auf die wichtigsten Fragen im Leben
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Ich suchte eine leichte Lektüre für die Straßenbahn, etwas, dass sich gut in Etappen lesen lässt. Letztlich gab es viele interessante Fakten im Buch, ich bin mit der Autorin aber nicht warm geworden.

Worum ...

Ich suchte eine leichte Lektüre für die Straßenbahn, etwas, dass sich gut in Etappen lesen lässt. Letztlich gab es viele interessante Fakten im Buch, ich bin mit der Autorin aber nicht warm geworden.

Worum geht es?

Der Text zeigt überarbeitete Ratgeber-Kolumnen der englischen Autorin. Geschildert werden überwiegend Probleme von Hetero-Frauen aus den Bereichen Beziehung, Sex, Trennung, Freundschaft, Dating, Körper & Seele.

Der Tonfall ist daher auf Selbstakzeptanz ausgelegt und versucht, das Problem anhand der Rollenbilder an Frauen aufzulösen.

Wie hat mir der Text gefallen?

Mein großes Problem war, dass mich viele Probleme im Buch nicht abgeholt haben. Die Texte handeln häufig von Problemen mit dem Umfeld, Selbstzweifeln usw. Dinge, die man mit einem klärenden Gespräch lösen könnte. Allerdings mochte ich, dass Fragen von jungen und alten Frauen im Buch vorkamen, die Texte also breit gefächert sind.

Die Autorin stellt sich im Buch als gute Freundin dar und wirkt kumpelhaft. Leider musste ich mich durch 10 % Einleitung quälen, was zuviel war. Und auch in den Ratgebern betont die Autorin immer wieder, dass sie mit Anfang 30 entweder zu jung ist, um manches tief beurteilen zu können, oder dass sie in 3 Dekaden viel erlebt hat. Das war mir zuviel Selbstdarstellung.

Ein weiteres Problem war ihre Sicht auf "Alkohol" - aber das ist eine Geschmacksfrage. Es gibt ein paar Texte, die sich im gesellschaftlichem Trinken beschäftigen und in diesen wird klar, dass die Autorin kein Problem damit hat, wenn man mit Alkohol "entspannt". Das eine Droge so verherrlicht wird, finde ich schwierig, aber ihre Meinung kann sie haben.

Die Texte selbst sind durchdacht und besonders, wenn es im Freundschaften geht, betrachtet die Autorin die Probleme von vielen Seiten, auch wenn es unangenehm wird. Sie wirkt wertschätzend und versucht, die Frauen zu unterstützen. Auch wenn man, aus meiner Sicht, nicht alles mit Feminismus lösen kann.

"Nebenbei" lassen sich die Texte nicht lesen, es es ist viel Stoff, der bearbeitet wird.

Nicht so tief sind die Antworten aber, wenn es um Männer geht. Das betrifft das Thema "Betrügen", aber auch "Aufmerksamkeit durch Männer" Ich hatte das Gefühl, dass es ihr hier schwer fällt, die andere, "männliche" Perspektive einzunehmen.

Außerdem gibt es sehr wenigen Fragen von Männern und queeren Personen. Am interessantesten fand ich die Frage einer Frau, die sich als lesbisch identifiziert, aber trotzdem auf die Flirts des männlichen Kollegen eingeht. Das liegt aber wohl daran, dass wenige Zuschriften von diesen Gruppen kommen.

Dennoch freute ich mich, dass sich das Buch SO tief mit Gefühlen beschäftigt, ich hatte den Eindruck, dass jedes Gefühl in Ordnung ist. Die Atmosphäre war insgsamt sehr angenehm.

Fazit

Man kann das Buch lesen, muss aber nicht. Mich hat es thematisch selten angesprochen, aber ich mochte das Grundgefühl.

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Veröffentlicht am 12.11.2023

Eine Prise neu, viel alt

Yours casually
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Die Grundgeschichte, sich nur zum Körperlichen zu treffen und sich dann zu verlieben, ist nicht neu, aber ich wollte einen flotten Liebesroman haben. Leider fehlt es dem zentralen Konflikt an Würze und ...

Die Grundgeschichte, sich nur zum Körperlichen zu treffen und sich dann zu verlieben, ist nicht neu, aber ich wollte einen flotten Liebesroman haben. Leider fehlt es dem zentralen Konflikt an Würze und dem zweiten an Logik. Immerhin versucht die Autorin, feministische Ansätze einzubinden.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Studentin Sienna hat die Trennung ihrer Eltern nicht verarbeitet und sieht sich mit zwei verschiedenen Beziehungsformen konfroniert: Ihr Vater hat eine neuen Partnerin, mit der Sienna gut klar kommt, ihre Mutter dagegen wechselt nach ein paar Monaten zur nächsten "großen Liebe", einschließlich Trennungsdrama. Koch Rafael hat vor zwei Jahren seine Freundin bei einem Autounfall verloren und hat das noch nicht verarbeitet. Ähnlich wie Sienne denkt er, das Sex die Lösung ist.

Die Figuren

Beide Figuren spielen gern Mario Kart, gucken gern alte Filme (was EINMAL erwähnt wird) und lieben Essen. Mehr Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Die Chemie zwischen den beiden ist kaum vorhanden, es gibt weder spritzige Dialoge noch ein Gemeinschaftsgefühl.

Auch die Figuren sind blass: Sienna studiert Online-Marketing und arbeitet bei einer Frauenzeitig. Dort schreibt sie manchmal eher kolumnen-hafte Artikel. Man sieht sie weder im Bereich Werbung noch als Journalistin wirklich arbeiten. Immerhin hat Sienna durch ihren Vater eine Liebe zu Weingütern entwickelt, was sie einzigartig macht. Sienna ist umgeben von Frauen, die kein Problem mit Körperlichkeiten hat und die sie gut auffangen. Die kleine Chefin geht offen mit Dates um und versucht Sienna zu ermutigen, aktiv zu sein. Ich fand's etwas aufdringlich, aber die beiden kommen gut klar. Ihre Halbschwester Molly lebt mit Partnerin Paisley und Sienna in einer WG und auch die beiden sind locker. Ihr Vater tritt wenig auf, wirkt aber auch sympatisch. Die neue Frau des Vaters ist eher mütterlich und ein guter Kontrast zu Siennas eigener Mutter. Diese übertritt ständig Grenzen ihrer Tochter und erscheint mir als Antagonistin.

Was Sienna auszeichnet, ist ein Kollektiv, mit dem man sich auch als Leser:in wohlfühlt. Die Figuren machen den Text lebhaft und lenken gut vom Hauptkonflikt ab.

Außerdem hat sie kein Problem mit ihrem Körper - schön, dass diese Variation mal gezeigt wird und wir keine Figur haben, die sich zu dick findet.

Rafael hat einen Cousin, der anfangs sehr präsent ist, später nicht mehr. Auch diese beiden funktionieren gut. Rafael experiment gern und versucht, den alten Gerichten frischen Wind einzuhauchen. Er wirkt auf mich eher bescheiden.

Der Ausgangspunkt

Die beiden wirkten nicht, als bräuchten sie Körperliches, aber sie tun es trotzdem. Dabei stellen sie Regeln auf, die vor allem darin gründen, außerhalb des Körperlichen keinen Kontakt zu haben. Was durch zahlreiche Zufälle torpediert wird.

Ich dachte eher, dass sie über Soft und Hard Limits reden oder über Vorlieben. Körperstellen, die gut und schlecht sind, Berührungen, die mehr oder weniger gut funktionieren. Sienna sagt, sie sei unerfahren, aber trotzdem wirkt alles ziemlich glatt. Außerdem würden Menschen, die beziehungs-ängstlich sind, stärker darauf achten, dass ihre Grenzen gewahrt bleiben und diese auch deutlich machen, auch wenn sie damit andere vor dem Kopf stoßen. Die einzige Grenze, die die beiden bis zum Schluss einhalten, ist, dass sie keine Handy-Nummern tauschen, sondern nur über Tinder kommunizieren.

Ich habe nicht verstanden, was die beiden sein wollen - keine Beziehung, kein One-Night-Stand, aber auch kein Friends-with-Benefits. Denn man baut zu seinem Partner meistens irgendeine Form der Beziehung auf. Schlimmer ist aber, dass daraus keinerlei Humor entsteht oder Würze enthalten ist. Wenn das Konzept nur mäßig glaubwürdig ist, sollte es wenigstens unterhaltsam sein.

Allerdings sind die Zufälle, die die beiden zusammenführen, nett.

Die Erotik

Im Buch gibt es wenige ausführliche Sexszenen. Im Bett, auf der Toilette eines Kinos und unter der Dusche, wobei diese nur angedeutet wird. Nicht besonders kreativ, aber nett. Hervorzuheben ist, dass die Befriedigung der Frau im Vordergrund steht ohne, dass der Mann dafür eine Gegenleistung möchte. Der Genuss der Frau mit dem Mann kam mir aber zu kurz - wieder nimmt sie eine eher passive Rolle ein, nur das Machtgefälle ist dabei weniger stark.

Der zweiten Konflikt

Das Problem im zweiten Teil des Buches ist, dass Sienna über eine Bloggerin schreibt, die zufällig die tote Freundin Rafaels ist. Was diesem nicht gefällt. Der Konflikt wird damit begründet, dass Rafael den Tod seiner Freundin nicht verarbeitet hat. Der Mann reagiert über und entschuldigt sich, obwohl auch Sienna mehrere Fehler gemacht hat.

Die Aufgabe lautet "[...]über ein Paar schrieben, das sich unter besonderen Umständen kennengelernt hatte, eine außergewöhnliche Beziehung führte oder eine, die sich von anderen durch ein bestimmtes Ereignis unterschied." (S. 121) Das ist schwammig genug und gibt ihr die Möglichkeit, nicht mit Lebenden kommunizieren zu müssen. Es ist eine Leistung, sich durch jahrelange Blogbeiträge zu wühlen und daraus einen Artikel zu tippen. Warum sie nicht mal den Versuch unternimmt, mit ihrem Umfeld in Kontakt zu treten, um das Thema differenzierter betrachten zu können, leuchtet mir nicht ein. Denn am Ende schickt sie ihren Eltern den Artikel, weil sie ein schlechtes Gewissen hat. Weder ihren Professor noch ihr Umfeld interessiert das. Natürlich stellt sich die Frage, ob Angehörige einbezogen werden müssen oder das die journalistische Unabhängigkeit untergräbt, aber man hätte darüber reden können.

Abgesehen davon, dass die Freundin über die Höhen und Tiefen der Beziehung geschrieben hat, was auch für das Buch interessant gewesen wäre. Welche Gemeinsamkeiten Sienna zwischen ihr und sich sieht, wie das Verhältnis zwischen Objekt und Betrachter ist. Was der Ex-Freund darüber denkt, dass die Freundin über die Beziehung geschrieben hat.

Der zweite Fehler besteht aus meiner Sicht darin, dass Sienna scheinbar nicht versteht, warum Rafael sauer ist. Sie erkennt seine Gefühle schwer an. Sie rechtfertigt sich, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass sie kapiert, was es mit einem macht, wenn ein geliebter Mensch öffentlicht so dargestellt wird, selbst wenn es positiv ist. Denn mit dem Artikel schreibt sie nicht nur über eine Person, sondern auch über eine Beziehung, an der zwei Menschen beteiligt waren.

Die restlichen Probleme

Im Laufe des Buchs konfrontiert Sienna außerdem ihre Mutter mit deren emotionaler Grenzüberschreitung und bekommt dabei nicht einmal vom Vater Rückendeckung. Das Schlimme an dieser Szene war, dass von Anfang an klar ist, dass es nicht gut ausgeht. Die Spannung war wenig vorhanden.

Gut herausgearbeitet ist aber, dass sie die Trennung der Eltern noch schmerzt. Aber sie arbeitet es nicht mir ihren Eltern auf.

Sprachstil

Der Text liest sich flüssig, allerdings nervten manche Wortwiederholungen.

Fazit

Der Text versucht mit feministischen Elementen dem Genre etwas Leben einzuhauchen, bewegt sich aber zu sehr auf ausgetretenen Pfaden. Die Geschichte ist vorhersehbar, die Chemie zwischen den Figuren und deren Besonderheiten nicht vorhanden. Ich fand's ok, war aber froh, als es vorbei war.

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Veröffentlicht am 14.10.2023

Gute Familie, schwache Themen

Stolen Kisses
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Ich hatte das Buch angefordert, weil die Geschichte flott klang und weil es um Mode geht. Letztlich ist der Text gutes Handwerk mit ein paar Schwächen.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Nach einem ...


Ich hatte das Buch angefordert, weil die Geschichte flott klang und weil es um Mode geht. Letztlich ist der Text gutes Handwerk mit ein paar Schwächen.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Nach einem One-Night-Stand stellen Jannis und Kai fest, dass Ihre Familien Konkurrenten sind: Das Modeunternehmen von Jannis Vater und das Start-up Kais Mutter kämpfen um einen Kredit, damit beide Firmen weiter existieren können. Hinzu kommt, dass Kai in sein queeres Umfeld gut integriert ist, während Jannis seinem Vater eine Beziehung mit seiner besten Freundin vorspielt.

Cover und Titel

Leider hat der Titel gar keinen Bezug zum Inhalt, wirkt generisch und prägt sich nicht gut ein. Das ist schade, weil es im Buch einige Ansatzpunkte für einen interessanten Titel gibt.

Das Cover spricht mit seinem Altrosa junge Leute an, wirkt fröhlich und süß. Durch die großflächige Färbung hebt es sich ab, die Berlin-Zeichnung ist ein nettes Detail.


Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Stärke des Textes ist das Umfeld. Jannis lebt mit Mutter und Zwillingsschwester in einer Hippie-WG, in der das Wort "Mutter" geächtet wird. Jannis Mutter kocht gern mysteriösen Lavendel-Tee und versucht, ihrem Sohn zu zeigen, dass er Grenzen übertreten darf. Auch Jannis Schwester Becks ist sehr locker. Hinzu kommen der nicht-queere Nico und der vor seinen Eltern nicht-geoutete Illyas. Zwischen diesen Figuren stimmt die Chemie, sie sorgt für viele Gags und man fühlt sich wohl darin.

Ganz anders die Hauptfiguren: Obwohl ich ihnen glaube, dass sie im Laufe der Handlung wachsen, gibt es kaum Berührungspunkte. Die Figuren haben wenig Profil. Ein wiederkehrender Witz ist, dass Jannis Kai als "versnobt" bezeichnet (keine neue Idee ...) und Jannis Vorliebe für StarTrek und Nutella. Im Gegensatz zum Erdnussriegel, den Kai mag. Die beiden reden viel über ihre Familie und ihre Situation als schwule Männer, aber wirklich tief wird es nicht. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Gleichklang entstand für mich nicht.

Auch die Liebesszene im letzten Drittel wirkte hölzern und nicht gekonnt. Wären die beiden lieber beim "kitzeln" geblieben - das machen sie gern.

Ansonsten haben wir auf der anderen Seite Kais konservatives Umfeld, aber auch hier wirkt alles schlimmer, als es ist.

Die Panikattacken sind ein nettes Extra, das es aber nicht gebraucht hätte. Sie werden klischeemäßig dargestellt, haben aber nur wenige Folgen für die Figur. Glücklicherweise gibt es auch hier ein Happy End.

Auch wenn die Geschichte überwiegend vorhersehbar ist und der Autor genügend Hinweise streut, damit man als Leser:in immer etwas voraus ist, ist sie gut komponiert. Die beiden treffen sich, die Handlung wird ausgelöst und bei 70 % haben wir den ersten Höhepunkt erreicht. Danach ist genügend Zeit für die Lösung des Konflikts.

Ein Highlight ist, dass die Geschichte aus zwei Zeitebenen erzählt wird - neben der Jetzt-Zeit blendet der Text immer zur ersten Nacht. Das passt besonders am Ende gut. Der Autor hat sich etwas dabei gedacht und das war schön.

Genre-typisch wird der Text aus den Perspektiven beider Figuren erzählt, die ich nicht auseinanderhalten konnte.

Thematisch steht die Familie im Mittelpunkt und der Gedanke, dass familiäre Probleme der Vergangenheit die Zukunft prägen. Über Mode lernt man fast nichts, obwohl mich das interessiert hätte.

Allerdings hatte ich mit der Grundgeschichte ein Problem: Beide Figuren kennen zufällig sehr gute Juristinnen, die alles lösen können. Aber komischerweise kommen sie nicht auf die Idee, das zentrale Problem am Anfang zu lösen.

Drag wird erwähnt, bleibt aber oberflächlich. Berlin spielt eine Rolle, aber ebenfalls nicht so tief.

Im Text gibt es zwei Zwangs-Outings, aber eine große Sache ist das nur für eine Figur. Bei der anderen wird immerhin (!) angedeutet, was das mit einem macht, wenn man auch öffentlich als queer geoutet wird. Dass man sich plötzlich selbst als queer und Teil der Gemeinschaft wahrnimmt, während man das vorher ein Stück verdrängt hat. Ich hätte davon gern mehr gelesen.


Sprachlich schwankt er Text zwischen normaler Sprache und einigen umgangssprachlichen Formulierungen - das passte nicht zusammen.

Fazit

Auf mich wirkt der Text wie eine Fingerübung eines Autors, der gut schreiben kann. Das Kollektiv um Jannis bleibt im Gedächtnis, aber viele Konflikte werden eröffnet und zu schnell und zu schön gelöst. Letztlich fehlt es dem Text an Biss.

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