Meta, meta, meta
Sie sind doch DER LEHRER, oder?Ich lese Autobiografien gerne, um in das Leben anderer Menschen einzutauchen. Dabei gehe ich ihren Weg nach und lerne etwas über mich. Dieses Buch lässt den entscheidenden Teil meistens weg - die Lebensgeschichte. ...
Ich lese Autobiografien gerne, um in das Leben anderer Menschen einzutauchen. Dabei gehe ich ihren Weg nach und lerne etwas über mich. Dieses Buch lässt den entscheidenden Teil meistens weg - die Lebensgeschichte. Es ist ein Essay. Ein extrem langer Essay mit ein paar Anekdoten. Wer sich gern mit tiefen Gedanken beschäftigt, wird hier Spaß haben. Ich wollte mehr über den Schauspieler, seine Wurzeln und seine Arbeit erfahren. Das habe ich nicht gefunden. So sympatisch Duryn in Interviews rüberkommt - im Buch habe ich eine tiefe Abneigung entwickelt.
Worum geht es?
Duryn beginnt mit dem letzten Abend, bevor er als junger Mann zur Armee muss, gleitet dann langsam über in seinen steinigen Weg als Schauspieler. Dann widmet er sich ausführlich seinem ersten Job als Texter für die Schauspielschul-Adaption von "Dame Kobold", kommt dann zum "Lehrer".
Themen sind die Verbesserung der Welt, aber auch die intensive Arbeits-Beziehung zu seiner Partnerin und seiner Arbeit. Dass er für seinen Drang nach Perfektion und Sinn manchmal an die Grenzen des Körperlichen und Emotionalen kommt.
Als Zwischenspiele zwischen den Abschnitten fungen fiktive Interviews, die aber nur wenig aussagen.
Meine Meinung zum Buch
Die Figur ist mit Dichtern und Denkern aufgewachsen, wirkt gebildet und durchdacht. Und der Autor wiederum kann schreiben. Wenn Duryn tatsächlich Geschichten erzählt, dann klingen sie kraftvoll und dynamisch. Besonders die Szene am Anfang ist mir im Gedächnis geblieben: Duryn beschreibt den letzten Abend mit seiner Freundin und man kann sich diese feuchte Nacht im Mai wundervoll vorstellen.
Allerdings verliert sich das Buch oft, "fängt ständig bei den Römern an", wie der Erzähler an einer Stelle bemerkt. Ich habe oft den Faden verloren und wusste stellenweise nicht, wie eine Geschichte überhaupt angefangen hat.
Der Erzähler greift das sogar öfters auf, besonders in den Interviews. Aber das rettet das Buch nicht. Vielleicht war das Humor, den ich nicht verstanden habe.
Über seine Arbeit an "Der Lehrer" und vor allem seine Arbeit als Script Consultant erfährt man fast nichts. Nur, dass ihm das Projekt viel bedeutet und wie sehr er dafür gekämpft hat, dass es auch gute Drehbücher bekommt. Aber was er als Script Consultant gemacht hat, wie sein Drehalltag aussah, wie er die intensive Arbeit mit seiner Familie vereinbart hat, das bleibt alles im Dunkeln.
Die Arbeit an "Dame Kobold" nimmt viel Raum ein, aber ich habe das gemocht. Besonders interessant waren die gegensätzlichen Meinungen des Erzählers und seiner Partnerin. Während ER den Text und die Struktur möglichst perfekt haben will, möchte SIE, dass der Text Raum lässt, damit sich die Studierenden ausprobieren und das Stück mit ihrer Interpretation der Figur füllen können. Man merkt, dass das dem Erzähler Kopfzerbrechen bereitet und er daran wächst. Aber auch hier: Der Erzähler verliert sich in Kleinigkeiten und setzt Wissen über Theater und den Schaffensprozess voraus, das ich nicht habe.
Lebensnah wirkt der Erzähler nur dann, wenn er beruflich feststeckt und mit einem Freund über seine Rolle als Vater oder mit der Therapeutin über seine Beziehung zur Schwester redet. An diesen Stellen spürt man, dass auch ein scheinbar perfekter Mensch Probleme hat. Dass er sich in Details festbeißt und dabei das Wesentliche übersieht. Oder denkt, dass Emotionen verschwinden, wenn man sie mit Argumenten auseinander nimmt.
Wahrscheinlich ist es für die Figur eine große Bürde zu wissen, wieviel sie kann und dass sie all das nicht umsetzen kann, weil man ja nicht allein lebt, sondern mit anderen.
Fazit
Letztlich hat sich der Autor "Hendrik Duryn" über den Erzähler und die Figur gut um die Frage seines Lebens herumgemogelt. Obwohl es viel um ihn und seine Einstellung zum Leben geht. Vielleicht wollte es das nicht erzählen, vielleicht fand er es nicht interessant. Vielleicht findet er Autobiografien überbewertet und wollte ein satirisches Werk erschaffen. Vielleicht ist das aber nur die Art, mit der er sich wohlfühlt.
Obwohl der Autor die Mittel für eine gute, spannende Geschichte kennt, war dieses Buch langweilig, zäh und anstrengend. Oder das alles war beabsichtigt und ein dramaturgisches Mittel, das ich nicht verstanden habe.