Metapherngewitter
Thérèse und Isabelle
Dass lesbische Literatur Platz im Mainstream hat, ist relativ selten. Daher freute ich mich, dass mit diesem Buch endlich ein Text über Frauenliebe bei einem namenhaften Verlag veröffentlicht wird.
Fazit ...
Dass lesbische Literatur Platz im Mainstream hat, ist relativ selten. Daher freute ich mich, dass mit diesem Buch endlich ein Text über Frauenliebe bei einem namenhaften Verlag veröffentlicht wird.
Fazit am Anfang: Damals war das Buch so revolutionär, dass es nur stark gekürzt veröffentlicht werden durfte. Es fällt mir schwer, das in die Bewertung einzubeziehen, weil ich dieses Thema gewohnt bin. Als Text für sich finde ich ihn aus handwerklicher Sicht nicht gut.
Das Cover ist hübsch - aber nicht für diese zarte Geschichte.
Worum geht es?
Das Buch beschreibt die Liebe zweier Schülerinnen in einem Internat in Frankreich, über der immer die Gefahr steht, dass die Erzählerin Therese von ihrer Mutter abgeholt wird oder dass beide erwischt werden.
Was hat mir gefallen?
Die Beziehung zur Mutter: Die Ich-Erzählerin hat ein inniges Verhältnis zur Mutter, sieht sich sogar als Vater-Ersatz und sie ist betrübt, als der Stiefvater dazwischen kommt. Das wirft die Frage auf, ob die dominante Isabelle nicht ein Mutter-Ersatz für Therese ist.
Das Machtgefälle: Therese wirkt im Buch eher passiv, sie lässt vieles machen und hat Bedenken, selbst aktiv zu werden. Sie fühlt sich von Isabelles offensiver Art angezogen, hat aber ständig Angst, dass sie erwischt werden. Man sieht sie selten genießen. Besonders am Anfang, als Therese die Hass-Liebe zu Isabelle beschreibt, wird die Ambivalenz gut deutlich. Diesen inneren Konflikt fand ich interessant.
Technik: Die Frauen wenden vielseitigen Techniken an, sie nutzen den ganzen Körper, was ich auch in Büchern der Jetzt-Zeit selten erlebt habe.
Was hat mir nicht gefallen?
Metaphern-Gewitter: Die Autorin springt ständig von einem Bild zum nächsten, ohne sie auszuführen. Ich habe schwer Halt gefunden, ich konnte mich selten in die Beschreibungen fallen lassen. Ich glaube, dass die Autorin vieles umschrieben hat. Ist das Selbstzensur, ist das ihre Sprache? Wahrscheinlich erkennen manche Leser darin große Kunst und entschlüsseln die Gefühle, aber für mich war es kein "Buch für Frauen", weil es die Gefühle nicht offen ausspricht, sondern schwer zugänglich ist.
Die Handlung: Es passiert nicht viel, und auch wenn das Buch ein bisschen Spannung hat, gibt es nichts, was das Geschehen vorantreibt. Das Buch gleitet von einer erotischen Szene zur nächsten, insgesamt gibt es drei Stück davon. Hinzu kommt, dass die Metaphern alles überdecken, zuviel Raum einnehmen.
Fazit
Ähnlich wie mit "Salz auf unserer Haut" bin ich mit dem Text nicht warm geworden. Aus queer-historischen Gründen ist es sicher interessant, das Buch und seine Geschichte aufzuarbeiten und herauszuarbeiten, wie solche Bücher sowohl den Feminismus als auch das Verständnis von queerer Liebe vorangebracht haben. Als Text für sich fand ich ihn langweilig, nicht mitreißend, nicht gefühlvoll und auch nicht erotisch.