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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2024

Gut geordnet

Furchtlose Frauen und wie sie die Welt eroberten
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An diesem Buch hat mich gereizt, dass es weniger um die gesellschaftliche Stellung von Frauen geht, sondern um eine Leistung als Abenteurerinnen. Ich hatte mich auf lebhafte Geschichten gefreut und das ...

An diesem Buch hat mich gereizt, dass es weniger um die gesellschaftliche Stellung von Frauen geht, sondern um eine Leistung als Abenteurerinnen. Ich hatte mich auf lebhafte Geschichten gefreut und das habe ich bekommen. Dennoch fehlte mir etwas. Wahrscheinlich die Einordnung ins Große Ganze.

Inhalt und Gliederung

Armin Strohmeyr zeichnet das Leben von 12 Frauen nach, beginnend im 16. Jahrhundert, endend im 20. Jahrhundert. Er unterscheidet Frauen, die zur See gefahren sind, auf dem Landweg ferne Länder erkundet haben und Pionierinnen des Fliegens.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Jede Frau bekommt ca. 30 Seiten, jeder Abschnitt ca. 100 Seiten. Interessant ist, dass sich die Porträts unterschiedlich lang anfühlen: Die unendlichen Wege der Alexine Tinne wirkten sehr lang, durch den Abschnitt über Amelia Earhart war ich schnell durch.

Interessant fand ich die unterschiedlichen Motive der Frauen: Die Seefahrerinnen des 16. und 18. Jahrhunderts folgten häufig ihren Männern auf Reisen oder waren als "Beruf" als Räuberinnen aktiv. Außerdem wurden sie häufig von ihren Ehemännern oder Vätern unterrichtet. Sie mussten also auch häusliche Pflichten verrichten. Im 19. und 20. Jahrhundert erkundeten die Frauen aus eigenem Interesse oder als Begleitung ihres Mannes. Die Flugpionierinnen taten das entweder aus eigenem Interesse am Fliegen oder für das Prestige, weil Frauen im Flugsport etwas Besonderes waren. Die Geschichte der Frauen ist (leider?) immer auch eine Geschichte der Männer, die sie forderten und förderten.

Was im Buch erwähnt wird, verstärkt im dritten Abschnitt, ist das Thema "Werbung". Frauen haben ihre Abenteuer vermarktet, um Sponsoren zu sammeln und später, um davon zu leben.

Leider reduziert Strohmeyr die Frauen auf ihre Reisen und zeichnet sie weniger als Personen. Alexine Tinne war z.B. auch Fotografin. Andererseits betont er, wieviel die Frauen auf ihre Reisen mitgenommen haben. Ich hatte das Gefühl, dass hier eher eine Rolle dargestellt wird als die Vielseitigkeit der Person. Ich kann das verstehen, weil man bei soviele Informationen aussortieren muss, wenn man nur 30 Seiten hat. Und es gibt sicher Leser:innen, die genau diesen Fokus mögen. Ich fand es etwas schade.

Was mir auch gefehlt hat, war der gesellschaftliche Kontext. Strohmeyr umreißt gut die historischen Verhältnisse, wie die Welt geordnet war. Ich fand es sehr beeindruckend, dass die USA vor über 150 Jahren noch nicht von Ost nach West durchfahrbar waren, sondern man um Südamerika herumfahren musste. Welche Stellung Frauen zu dieser Zeit hatten, wie sie organisiert waren und wie all die Erkenntnisse und Errungenschaften der Frauen einzordnen sind, das kommt etwas zu kurz.

Dafür spart das Buch nicht mit fetzigen Zwischentiteln und Appetithäppchen am Anfang jedes Abschnitts. Mithilfe griffiger Zusammenfassungen und Kapitelüberschriften will es den Leser weiterlocken, das ist aber nur plumpe Deko, die man überlesen kann.

Auch an Bildmaterial fehlt es.

Immerhin schreibt Strohmeyr lebendig, selten kompliziert und man kommt gut durch das Buch. Nur das Wort "Chauffeurin" im Abschnitt über eine Autofahr von Blanche Stuart Scott hat mich irritiert, weil sie eine Beifahrerin hatte, die ihre Fahrt durch die USA dokumentieren sollte, aber nicht als "Chauffeurin" im eigentlichen Sinne tätig war.

Fazit

Das Buch zeichnet interessante Frauen und gibt jeder Person gleich viel Raum. Die Auswahl gefällt mir, weil die Intentionen der Frauen unterschiedlich sind. Der historische Kontext wird gut beschrieben. Trotzdem hätte ich mir mehr Gesellschaftliches gewüscht und mehr von den Frauen selbst.

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Veröffentlicht am 29.07.2024

100 Seiten zu lang

Experienced. Die Liebe bietet unbegrenzte Möglichkeiten
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Ich hatte das Buch angefordert, weil ich die Grundgeschichte interessant fand. Außerdem hatte ich mich auf eine Figur gefreut, die wechselnde Partner genießt, anstatt am Ende reuevoll zur Monogamie zurückzukehrn. ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich die Grundgeschichte interessant fand. Außerdem hatte ich mich auf eine Figur gefreut, die wechselnde Partner genießt, anstatt am Ende reuevoll zur Monogamie zurückzukehrn. Spoiler: Die Monogamie bleibt gewahrt. Puh!

Worum geht es?

Bette ist seit einem Jahr offiziell lesbisch und das erste Mal verliebt. Doch ihre Partnerin Mei möchte, dass sie sich austobt, damit sie sich sicher in der Beziehung ist. Bette geht widerwillig auf die Suche und findet einige Partnerinnen und noch mehr.

Ein Wort zum Cover

Das Titelbild zeigt eine leicht verfremdete Frau in Ölfarben-Optik. Andere Bücher ähnlicher Thematik vom selben Verlag haben ein ähnliches Design. Durch die Perspektive und Platzierung wirkt das Motiv sehr dynamisch, durch die Farben lebendig. Es hat mich aber eher an ein populärwissenschaftliches Sachbuch erinnert als an einen klassischen Liebesroman. Für sich genommen ein wunderschönes Motiv! Beim englischen Cover hat man sich aber für zwei gezeichnete Frauen entschieden, die normalgewichtig, sogar kurvig sind. Das Cover vermittelt dort eher, dass Figuren nicht schlank sein müssen, um Protagonistinnen zu sein. Im Buch spielt das Gewicht keine Rolle, aber ich finde es wichtig, dass Menschen jedes Gewichts in der Literatur präsent sind.



Wie hat mir das Buch gefallen?

Der Einstieg ins Buch war flott und ab 20 % dachte ich, dass mir die Figur aus der Seele spricht. Nach 50 % habe ich aber ganze Absätze überlesen. Denn Bette ist ein typische Figur in Liebesromanen: Ich-bezogen, fühlt sich für alles verantwortlich, tut aber selbst fast nichts. Muss ständig von Freund:innen aufgebaut und bestätigt werden. Gerät ständig in kleine Schwierigkeiten, aus denen sie aber durch ein Wunder wieder herauskommt. Betrachtet alles im Detail, findet alles sehr, sehr wichtig. Hat ansonsten kaum nennenswerte Charaktereigenschaften.

Bette ist eine Figur, mit der man nicht zusammen sein möchte, weil sie so mit Selbstmitleid beschäftigt ist, dass für einen Partner kein Platz ist. Man möchte sie anschreien.

Auch der Subplot mit der konservativen Familie wird so kurz abgehandelt, dass man ihn hätte weglassen können.

Der Konflikt selbst ist ja interessant: Muss man sich als Mensch austoben oder kann man das auch später machen, wenn man sich bereit fühlt? Ist die Wahrscheinlichkeit jemanden zu verlassen geringer, wenn man sich ausprobiert hat, weil man weiß, was man will?

Und anfangs macht Bette gute Fortschritte: Sie hat mit drei verschiedenen Frauen Sex und erlebt eine freigeistige und technisch tolle, eine anhängliche und eine Frau, die nicht mehr will.

Doch dann kommt das Love-Interest und spätestens nach 30 % ist klar, wie es ausgeht. Das Interest selbst hilft Bette immer, egal, was sie tut. Ist wie ihre beste Freundin, nur in lesbisch und etwas schüchterner. Das Love-Interest hat ein Problem, das sich am Ende aber in Luft auflöst. Obwohl der Konflikt Potential hätte.

Der Grundkonflikt wird sehr erwartbar gelöst, und ich fand sowohl den Höhepunkt als auch dessen Aufklärung schwer nachvollziehbar. Die Figuren wissen alles voneinander. Warum sie dann in Streit geraten, wusste ich nicht. Immerhin fand ich das zentrale Gespräch mit Mei sehr nahbar.

In der fallenden Handlung gibt es auch eine Szene, die auf einem Treffen für queere Frauen spielt, in dem sich vor allem Bi-Frauen befinden. Die Figur wurde nicht müde zu betonen, wie wichtig solche Treffen, auch ohne Männer, sind. War gewollt.

Es gibt ein paar kleinere Erotik-Szenen und eine größere, die aber verkrampft und nicht sinnlich wirkt. Dazu passt, dass die Autorin im Nachwort schreibt, sie hätte sich mit "Mechanik und Choreografie von lesbischem Sex" (99 %) beschäftigt. Es wirkte nicht natürlich.

Nett waren die Nebenfiguren, allen voran Ash, die beste Freundin unserer Hauptfigur. Sie hat für alles Verständnis und eine Lösung. Die Figuren beider Freundeskreise waren vielfältig, mir aber zuviel. Ich habe den Überblick verloren. Schwierig fand ich, dass bei einer nicht-binären Figur das Pronomen "dey" genutzt wird - ich wusste nicht, ob es sich um einen Namen handelt und da es ein englisches Lehnwort ist, fühlte es sich wie ein Fremdkörper an. Eine andere Form des Pronomens hätte ich besser gefunden.

Auch hat mich gestört, dass zwei "Panikattacken" vorkommen, bei denen "Angstzustand" aus meiner Sicht treffender gewesen wäre. Über die Verwendung des Begriffs wird immer wieder gestritten. Die Gründe für die Angst sind in beiden Fällen real, die Attacke kommt nicht aus dem Nichts, sondern es sind Probleme, von denen sich die Figuren überwältigt fühlen. Körperliche Symptome treten auf, die für mich nachvollziehbar waren. Trotzdem war ich nicht glücklich damit.

Nett fand ich aber manche sprachliche Metapher, die ganzen Bilder und Wahrnehmungen. Wem es Spaß macht, all die Puzzelteilchen der Welt zu entdecken, der wird mit Bette Spaß haben.

Fazit

Hinter einen tollen Grundidee verbirgt sich ein klassischer Liebesroman mit einer nervigen Figur und einer vorhersehbaren Dramaturgie. Nett zu lesen, aber eher Flop.

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Veröffentlicht am 13.07.2024

Klischeehaft, aber die Sprache ...

Manhattan Law & Passion - Tiefes Verlangen
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Ich habe das Buch gelesen, weil es um eine Journalistin geht und ich mich über ein paar Einblicke in ihre Arbeit gefreut hätte. Ein hübscher Anwalt sollte mein Herz höher schlagen lassen. Letztlich ist ...

Ich habe das Buch gelesen, weil es um eine Journalistin geht und ich mich über ein paar Einblicke in ihre Arbeit gefreut hätte. Ein hübscher Anwalt sollte mein Herz höher schlagen lassen. Letztlich ist das Buch ein klischeehafter Roman mit ein paar Abstrichen in der Sprache.

Rezi enthält Spoiler!


Worum geht es?

Madison, kurz Maddie, war als Reporterin im Nahen Osten, schreibt aber seit dem Tod eines Kollegen für ein Frauenmagazin. Anwalt Sam knabbert am problematischen Verhältnis zum Vater und dem Tod seiner Ehefrau. Ein Mord an einem Politiker führt beide zusammen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Womit der Roman emotional 280 Seiten verbringt, weiß ich leider nicht - Figurenzeichnung war es nicht. Über Maddie als Mensch erfährt man fast nichts, obwohl der Kontrast aus Frauenzeitschrift und einer Arbeit für humanitäre Werte interessant wäre. Am Ende greift der Roman das Thema "Frauen" kurz auf und führt beides zusammen. Aber ich habe nicht verstanden, warum eine Frau, die so viel erlebt hat, so wenig davon in ihrem Denken hat. Es ist einfach nicht spürbar. Der Tod des Kollegen klingt bis zur Hälfte an, danach findet er nicht mehr statt.

Im Zentrum steht Sam als Mann, der mittels neuer Frau therapiert werden muss. Das findet man häufig in solchen Romanen, in diesem Werk wird das noch mal deutlicher, weil Maddie als Gegenstück wenige kleine Probleme hat. Sam als Figur ist liebenswürdig und interessant: Er kommt aus reichem Hause, hat sich aber losgesagt und mit seiner Frau eine Organisation gegründet, die Frauen in Not juristische Unterstützung anbietet. Das zieht sich durch den Roman und ist auch der Auslöser für die Handlung. Im Laufe des Romans verarbeitet er (allein) den Tod der Frau und auch der Vater bekommt seinen Auftritt.

Obwohl das Buch aus beider personaler Perspektive geschrieben ist, steht das Leiden des Mannes im Vordergrund. Das habe ich auch bei den erotischen Szene gemerkt. Es gibt zwei große, explizite Szenen, in denen der Mann die Frau beglückt. Dass sie ihm Gutes tut, lässt er nicht zu. Das ist ok, denn er ist der Held der Handlung, er braucht das einfach und kann wohl keine Kontrolle abgeben, aber andere Bücher machen das besser. Beglückt wird in einer Wohnung und im Wald, gern in Hündchen-Stellung. Die Szene selbst sind nett, aber etwas hölzern geschrieben, der Orgasmus war aber ok.

Der Kriminalfall ist eine der Stärken des Buches. Für erfahrene Leser:innen ist er simple und nicht so spannend, aber die Autorin schafft es gut, den Fall über das ganze Buch zu spannen und die Auflösung hat mich ein bisschen überrascht. Das Motiv wirkte ein bisschen beliebig und es gibt ein paar Logik-Löcher, aber das ist ok. Dass nicht alles erklärt wird, gehört dazu und war für mich in Ordnung. Es wird nicht blutig, ich hatte daran wirklich Spaß.

Auch dramaturgisch kann ich nicht meckern, das Buch ist über die ganze Zeit interessant gewesen, das retardierende Moment am Ende hat mich überrascht, weil es innerhalb von 10 Seite aufgeworfen und aufgeklärt wird. Logisch war es nur bedingt, aber ich spürte, dass sich hier jemand Gedanken gemacht hat.

Die große Schwäche war die Sprache. Sie wirkt etwas hölzern - verglichen mit anderen Büchern, die ich gelesen habe, ist der Text im unteren Mittelfeld. Wortwiederholungen tauchen gern innerhalb eines Absatzes auf z.B. "Der Aufzug erreichte das Erdgeschoss, das sie durchquerten. 'Hallo, Mister Allen', begrüßte Jessica den Mann am Empfang, als sie nebeneinander das Foyer durchquerten." (42 %) Außerdem schwankt die Sprache innerhalb der Erzählpassagen. Abgesehen von ein paar süddeutschen Einschlägen (vor allem Grammatik) ist der Text in Hochdeutsch geschrieben, doch plötzlich taucht Umgangssprache auf z.B. "Über Sams Mandantin schrieb der Verfasser sehr miese Dinge" (22 %) Die Figuren haben kaum eine eigene Sprache. Menschen aus "niederen" Bevölkerungsschichten sprechen mal Umgangssprache, mal nicht. Genervt hat mich auch, dass in Dialogen oft der Tonfall und die Intention klar ist, das aber in den Ausleiteworten nochmal wiederholt wird - wie im obigen Beispiel. Ich verstehe, dass Dialoge schwer zu integrieren sind und dass das wohl eine stilistische Besonderheit der Autorin ist. Ich fand das aber nicht angenehm.

Es gibt im Buch aber Highlights z.B. den Metapher einer Spinne, die am Ende auftaucht. Das war bildlich und das Motiv wurde gut umgesetzt. Auch die Eheringe, die Sam noch trägt, als Fessel zu bezeichnen, fand ich treffend.

Figuren aus den anderen Bänden haben Kurzauftritte; zwei kommen und gehen, einer bleibt als Nebenfigur.

Dass Maddie ihre Artikel gern auf Papier ausdruckt, anstatt sie als Datei zu schicken, wirkt auf mich etwas alt. Es gibt aber Leute, die gern damit arbeiten.

Fazit

Wenn man keinen Wert auf Sprache legt, sondern auf gebrochene Helden steht, die sich finden, und wenn man Kriminalfälle mag, dann wird man daran seine Freude haben. Es ist keine schlechte Wahl, wirkt aber aus der Zeit gefallen und nicht kreativ. Eine nette Lektüre für zwei Stunden, aber ... man hätte mehr rausholen können.



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Veröffentlicht am 19.06.2024

Falsch verpackt

Eine kurze Geschichte queerer Frauen
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Ich wollte das Buch lesen, weil ich bereits ein Buch über die Geschichte deutscher Queers gelesen hatte - überwiegend männlicher Menschen. Das eher geometrische Cover sprach auch dafür, dass es ein Sachbuch ...

Ich wollte das Buch lesen, weil ich bereits ein Buch über die Geschichte deutscher Queers gelesen hatte - überwiegend männlicher Menschen. Das eher geometrische Cover sprach auch dafür, dass es ein Sachbuch ist. Leider ist es das nicht.

Der Text ist sehr umgangssprachlich geschrieben und liest sich wie ein Comedy-Beitrag auf einer OpenStage - über ca. 150 Seiten. Das muss man mögen. Meins war's gar nicht.

Worum geht es?

Der rote Faden sind Beziehungen queerer Frauen beginnend mit Sappho bis in die Neuzeit. Ab 70 % gewinnen People of Color und die Bürgerrechtsbewegung der 50er bis 70er mehr Raum, auch die AIDS-Epidemie wird behandelt, was ich interessant fand. Am Ende gibt es noch Hinweise zu den Quellen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Es war eine Quälerei und ich war froh, als es vorbei war. Es ist eine satirsche Darstellung lesbischer Frauen in all ihren Klischees. Selbst der Krieg gegen das Patriachat wird ständig auf's Korn genommen. Das Buch ist voller Verallgemeinerungen. Was wahr ist und was nicht, was der Erzählerin überhaupt wichtig ist, weiß ich nicht. In den letzen 30 % klingt das Buch weniger humorvoll, sondern (endlich!) wahrhaftig.

Übertrieben formuliert: Vielleicht ist das Buch für Lesben gedacht, die die Nase voll haben von all den Bewertungen, dem ständigen Kampf, und die einfach mal lachen wollen. Und natürlich für alle anderen, die damit klarkommen.

Ein eher dezentes Beispiel: "Die NUWSS war gechillt. Ihre Mitglieder standen nicht so auf Gewalt und glaubten an die Macht der Worte." (49 %). Ein Beispiel, wo der Inhalt einfach untergeht: "The Ladder erhielt einerseits viel Zuspruch, wurde andererseits aber auch heftig kritisiert. Viele queere Frauen konnten nicht verstehen, wieso die DOB so besessen davon waren, das Gleiche haben zu wollen wie Heteros. Wollten sie wirklich heiraten dürfen, nur um sich zehn Jahre später wieder scheiden zu lassen? Wollten sie wirklich im Partnerlook herumlaufen und Urlaubsfotos in Alben kleben? Wollten sie sich wirklich chinesische Schriftzeichen auf den Rücken tätowieren lassen?" (68 %)

In einem belletristischen Roman oder einer Essay-Sammlung wäre das nett gewesen, aber in einen Buch, das mir als Ratgeber oder Sachbuch verkauft wird, finde ich das deplatziert.

Vor allen, weil der Inhalt untergeht. Die Erzählerin greift einige bekannten Persönlichkeiten auf und viele unbekannte. Das ist löblich! Aber sie stellt oft die sexuelle Freizügigkeit bzw. das Liebesleben der Figuren in den Vordergrund. Denn es geht überwiegend um lesbische Frauen - und die wurden selbst innerhalb des Feminismus kritisch gesehen. Ab den 1950er Jahren, als erste Zeitschriften für lesbische Frauen entstanden, wird das Buch sachlicher, doch man wird mit Namen überflutet, vieles kurz angerissen und oft ist es wichtiger, mit wem die Herausgeberin Sex hatte. Es ist so schade, dass bei den meisten Frauen um Buch nicht im Vordergrund steht, was sie für die Gesellschaft geleistet hat.

Es wird, wie im zweiten Beispiel ersichtlich, auch nicht unterschieden, welche Strömungen, welche Fragestellungen es innerhalb der lesbischen Communitys gab. Auch, wie sich die erste und zweite Welle des Feminismus entwickelt haben, war nicht ganz klar. Es gibt im Buch soviele Aspekte, die man hätte ansprechen können - und soviel Klatsch und Tratsch soviele retorische Mittel, die nicht nötig gewesen wären.

Für mich war es auch befremdlich, dass jede Frau als "lesbisch" einsortiert wird, die körperliche Zuneigung zu einer Frau gespürt hat. Selbst Anne Frank. Obwohl es auch Frauen gibt, die sich aus emotionalen Gründen körperlich zu Frauen hingezogen fühlen oder die Frauen begehrten, aber sich nicht als "lesbisch" definierten. Virginia Woolfe hatte wahrscheinlich eine Affäre mit Vita Sackville-West, aber ob sie ein generelles Bedürfnis nach körperlichen Beziehungen hatte, kann bezweifelt werden.

Übrigens ist das Buch mit "queer" überschrieben, es geht aber meist um lesbische Frauen. TransMänner kommen vor, TransFrauen weniger, People of Color ein bisschen. Bisexuelle werden manchmal mit-eingeschlossen, aber bei keiner der Frauen, die erwähnt werden, stand das im Mittelpunkt.

Ich finde es aber gut, dass queere People of Color erwähnt werden, leider zuwenig. Denn diese Gruppen haben aufgrund der Mehrfachdiskreminierung einen anderen Blick auf das Thema und ihren eigenen Teil der Geschichte.

Es gibt auch kaum direkte Zitate, vieles ist nacherzählt und oft phantasiert die Erzählerin darüber, wie etwas stattgefunden hat oder hätte stattfinden sollen. Was wahr ist und was hinzugedichtet wurde, ist nicht ersichtlich.

Allerdings liegt das auch an der Quellenlage. Das Buch erwähnt das nur am Rande, aber schriftliche Aufzeichnungen über queere Liebe gibt es vergleichsweise selten, am ehesten in der Literatur. Queerness wurde zu vielen Zeiten verurteilt, aus der Geschichte gelöscht. Schriftverkehr von queeren verheirateten Frauen wurden später von deren Ehemännern oder Erben vernichtet oder verändert herausgegeben.

Trotzdem ärgert es mich, dass die Erzählerin ihre Glaubwürdigkeit zusätzlich herabsetzt, in dem sie kaum Zitate und Quellenangaben verwendet.

Fazit

Für war das Buch leider nicht schön. Wenn man es als satirische Abrechnung mit queeren Klischees versteht und sich darüber freut, dann ist es nett zu lesen. Wenn man dagegen ein Sachbuch erwartet, sollte man zu einem anderen Werk greifen.

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Veröffentlicht am 14.06.2024

Doch lieber getrennt

It's a match – Ein Update für die Liebe
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Ich hatte mich auf den Text gefreut, weil er nach einer lustigen Verwechslungskomödie klang. Und gut geschrieben ist er. Aber extrem vorhersehbar und mit unsympatischen Charakteren. Es gibt Paare, die ...

Ich hatte mich auf den Text gefreut, weil er nach einer lustigen Verwechslungskomödie klang. Und gut geschrieben ist er. Aber extrem vorhersehbar und mit unsympatischen Charakteren. Es gibt Paare, die sich lieber trennen sollten. Die Figuren aus dem Buch sollten das.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Die Ehe zwischen Tara und Colin steckt fest, die beiden haben sich auseinanderentwickelt, sind häuslicher geworden, der Kick ist verloren gegangen. Als der dritte Versuch einer künstlichen Befruchtung fehlschlägt und sich Tara weigert weiterzumachen, bringt das das Fass zum Überlaufen. Beide suchen eine Affäre auf der App "Fling", die dem Buch im Original ihren Namen gibt.

Ein Wort zum Cover

Die englisch Ausgabe zeigt zwei liegende Figuren auf pinkem Hintergrund, für die deutsche hat man sich für eine geometrische Kombination aus Himmelblau und Braun entschieden. Einprägsam, aber Braun ist keine schöne Farbe. Immerhin passt das zu all dem Dreck mit dem sich die Figuren bewerfen.

Meine Meinung

Über 90 % schafft es der Autor, die Figuren hässlich wirken zu lassen. Besonders die weibliche Hauptfigur vermutet hinter jedem Wort ihres Mannes eine Demütigung und schießt zurück. Er wiederum wirkt eher schwach, will aber stark sein. Letztlich streben beide nach dem klassischen Rollenbild: Er will das Alphamännchen sein, sie will ihn als Alphamännchen haben. Sie sagen es nur nicht. Was ich vor allem zum Schluss unverständlich fand. Die Dialoge der beiden sind nichtmal witzig, sie sind nur verletzend.

Die beste Stelle kommt am Anfang - als die beiden über das Thema Kinder diskutieren und Tara sagt, dass sie das nichtmehr aushält. Ich fand das sehr nahbar und es hätte einen interessanten Konflikt ergeben. Der geht aber über weite Strecken unter, am Ende muss er gar nicht geklärt werden, weil Happy End. Wahrscheinlich würden die beiden aber sogar am Kind scheitern, weil sich beide wieder zurückgesetzt fühlen.

Die Probleme der beiden müssen nicht aufgearbeitet werden, ein Blick in die Vergangenheit und eine neue Frisur reichen.

Interessant ist, dass sich Tara als Feministin sieht, das aber sehr unterschiedlich auslebt. Beruflich versucht sie sich den Männern anzupassen, was dazu führt, dass sie erst recht nicht ernst genommen wird. Obwohl sich das später als Irrtum herausstellt. Auch hier: Taras Vorurteile behindern sie. Feminismus hält unsere Figur auch nicht von ihrem Cinderella-Moment ab - neues Outfit, neuer Selbstwert. Ich hatte das Gefühl, dass das Thema im Buch anklingen soll, aber nicht zuviel Raum einnehmen sollte.

Und warum die Assistentin bei einem Geschäftsessen im Auto wartet, obwohl beiden Frauen klar ist, dass ein "Meeting" in einem Restaurant zu einer Belästigung führen könnte, weil der Kunde eindeutige Signale sendet, ist mir nicht klar. Das war sehr gewollt.

Ich fand auch die Dialoge innerhalb der Dating-App nicht spritzig. Die beiden klagen sich ihr Leid und sie sind plötzlich verliebt ineinander.

Was der Autor gut hinbekommen hat, sind die Nebenfiguren: Colins promiskuitiver Kollege, Taras promiskuitive Assistentin, dazu Taras Mutter mit einem Hang zur Esoterik, die im Buch immer wieder anklingt. Der Bösewicht. Der Held. Kennt man, war aber nett.

Und die Macken der beiden Hauptfiguren waren schön, Colins Hang zu Aluminium-Schildern, Taras Angst vor vielem.

Gut gelungen sind die parallelen Handlungsstränge. Denn natürich erleben Tara und Colin Ähnliches. Man kann das gewollt finden und konstruiert, ich fand's aber handwerklich gut. Es ist eine Kunst, das so exakt hinzubekommen.

Allerdings ist der Buch durch den personalen Stil etwas trocken - am Anfang fand ich das reizvoll, weil es Distanz schafft. Letztlich gibt es dem Buch aber nichts, keine neue Ebene.

Und ich habe ein paar Stolpersteine in der Übersetzung gefunden - das war nicht so toll.

Fazit

Der Autor hat sich sicher viel dabei gedacht und ich mochte die Figuren mit ihren Besonderheiten. Man hätte viel daraus machen können. Die Geschichte ist aber SO konstruiert, dass es langweilig wirkt. Vor 30 Jahren hätte die Geschichte in einem Hollywood-Film funktioniert, der Autor schafft es aber nicht, etwas Neues, Interessantes hinzuzufügen.

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