Ein Roman mit starker Prämisse, aber nur mittelmäßiger Umsetzung
Seelen unter dem EisIn „Seelen unter dem Eis“ von Astrid Korten begleiten wir den zum Tode verurteilen Werbemacher Tom in seinen letzten Tagen auf der Death Row. Während er seine letzten Angelegenheiten regelt, wird in Rückblenden ...
In „Seelen unter dem Eis“ von Astrid Korten begleiten wir den zum Tode verurteilen Werbemacher Tom in seinen letzten Tagen auf der Death Row. Während er seine letzten Angelegenheiten regelt, wird in Rückblenden erzählt, wie es dazu kam: von seiner tödlich endenden Affäre mit seiner Studentin Amal und der immer schwieriger werdenden Beziehung zu seiner Frau Helen.
Der Roman beginnt leise und traurig, ein erschütternder Einstieg in die Lebensrealität eines Mannes, der seinen Tod vor Augen hat. Wir begleiten Toms Alltag im Hochsicherheitstrakt, den er mit anderen Todeskandidaten und dem erstaunlich empathischen Wärter „Goodman“ verbringt. Auf dieser Zeitebene war ich als Leserin ganz gefesselt, habe mit Tom gelitten und empathisiert, obwohl er wegen Mordes verurteilt ist. Ein fein gezeichnetes Porträt eines Menschen, der große Fehler gemacht hat.
Leider gibt es jedoch nicht nur Positives über diesen Roman zu sagen. Der Autorin gelingt es nicht, mich als Leserin in eine US-amerikanische Lebenswelt hineinzuziehen: Da wird dann plötzlich Goethe zitiert, Weizenbier bestellt, und ein Trakt im Gefängnis ist der „Zauberberg“. Das deutsche Bildungsbürgertum mogelt sich so immer wieder in ein vorgeblich amerikanisches Setting.
Die Frauenfiguren, allen voran die „Verführerin“ Amal, werden leider nie mehr als Stereotype: Als femme fatale begeht Amal Tom gegenüber richtiggehende Gräueltaten, ist sexuell unersättlich, und ihr Leben dreht sich einzig und allein um ihn. Eine Biographie, einen Einblick in ihr Warum erhalten wir dabei nie. Auch Helen bedient eine ganze Reihe typisch weiblicher literarischer Topoi, ohne dass ihr eine echte Persönlichkeit oder eine Geschichte zugestanden wird.
Der Roman krankt ganz klar an der fehlenden Tiefe der Frauenfiguren, die jedoch absolut zentral für die Geschichte sind. Auf der Handlungsebene überzeugt er hingegen mit einem intensiven, sich langsam, aber stetig aufbauenden Spannungsboden und einem explosiven Twist. Ein Buch, das ich mit gemischten Gefühlen zur Seite lege.