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Veröffentlicht am 19.06.2022

Wundervoller Regencyroman!

Die Ladys von Somerset – Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich
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Schlägt euer Herz für Regencyromane? Habt ihr die Bridgerton-Serie auf Netflix voller Verzückung gebingewatched? Seid ihr womöglich eine begeisterte Janeite? Wenn ihr diese Fragen mit einem klaren JA beantwortet, ...

Schlägt euer Herz für Regencyromane? Habt ihr die Bridgerton-Serie auf Netflix voller Verzückung gebingewatched? Seid ihr womöglich eine begeisterte Janeite? Wenn ihr diese Fragen mit einem klaren JA beantwortet, müsst ihr dieses bezaubernde Werk aus der Feder von Julie Marsh lesen! Solltet ihr euch obendrein noch für den Themenbereich Schauspiel und Theater interessieren (so wie ich), dann wird 𝔻𝕚𝕖 𝕃𝕒𝕕𝕪𝕤 𝕧𝕠𝕟 𝕊𝕠𝕞𝕖𝕣𝕤𝕖𝕥 eines eurer Jahreshighlights werden.

"»Nicht jede Frau wartet darauf, dass ein Mann sich dazu herablässt, sie mit nichtssagenden Komplimenten oder Geschenken zu ködern. Manche Frauen erwarten mehr vom Leben« […]."

Was habe ich den Schlagabtausch zwischen der etwas weltfremden, aber ambitionierten Emma und dem vermeintlich oberflächlichen Lebemann
Mister Beauchamp genossen, der die auf Moral bedachte junge Frau mit seinen frechen Sprüchen und seinem anzüglich-lockeren Humor regelmäßig auf die Palme bringt!

"Der Dandy grinste. »Üben Sie schon für Ihre Laufbahn als Kurtisane? […] Wer hätte gedacht, dass Sie so temperamentvoll sind?«"

Ein weiteres Highlight für mich war der traumhaft angenehme, kenntnisreiche Schreibstil der Autorin, der mich dank authentischer, facettenreicher Figuren, stimmungsvoller Beschreibungen und durchwegs zeitgemäßer Wortwahl komplett in die Regency-Epoche eintauchen ließ!

Wenn ein Werk mich ganz im Stile Lady Whistledowns mit "werte Leserin" adressiert, muss ich vergnügt schmunzeln - und wenn es zudem mit dem gleichen Wortlaut wie mein absoluter Lieblingsroman beginnt - "Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass … " -, schlägt mein Austen-Herz natürlich sofort höher. Und tatsächlich entdeckte ich so einige Parallelen, sei es der zurückgewiesene Heiratsantrag, Kuppelversuche, das Theaterstück, dessen Proben herrlich unterhaltsam waren, Lady Fudge als störrische, reiche Tante oder der knuffelige Mops Muzzle, der von Lady Darlington vergöttert wird (Stichwort: Mr. Collins; Emma; Mansfield Park; Lady Catherine de Bourgh; Lady Bertram).

Mit viel Feingefühl beleuchtet die Autorin sowohl das düstere Thema Sklavenhandel sowie die damalige Rolle der Frau, ohne dem Werk dadurch einen deprimierenden Stempel aufzudrücken.

"»[…] Wenn ich mich verliebe, kann ich dem Mann keinen Antrag machen. Ich darf keinerlei Leidenschaft zeigen, um meinen Ruf nicht zu ruinieren, und muss warten, ob er dasselbe für mich empfindet oder nicht. Ich muss lächeln und meinen Blick senken, auch wenn ich viel lieber vor Wut brüllen oder vor Enttäuschung weinen würde, denn Gefühle sind nichts, was Frauen ausleben dürfen. Wir müssen sie unterdrücken, wo es nur geht. […]«"

Lady Darlington, so anstrengend ihre Art für ihr Umfeld sein mag, ist ein Unikat. Ich habe mich köstlich amüsiert, insbesondere im Hinblick auf ihren Versuch, Emmas Theaterstück umzuschreiben. Den Plot um Anthea, deren Mut ich bewunderte, habe ich geliebt - ein Hoch auf die wahre Liebe! Ihre Schwester, die wenig auf Etikette gebende, rebellische-schlagfertige Miss Frances Darlington gab mir enorme Eloise-Bridgerton-Vibes; noch während der Lektüre dachte ich bereits voller Freude an den Folgeband, "Die Ladys von Somerset – Ein Lord, die rebellische Frances und die Ballsaison", der im Januar 2023 erscheinen soll.

𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 5 begeisterte ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Die Netflix-Bosse wären dumm, sich nicht schleunigst die Filmrechte an diesem tiefgründigen, von Regency-Flair sprühenden und mit allerlei unerwarteten Wendungen aufwartenden Roman zu sichern!

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Veröffentlicht am 18.06.2022

Herrliche Regency-Romance!

Wie man sich einen Lord angelt
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"»Nur wer reich ist, kann sich den Luxus der Ehre leisten […]. Und nur Männer haben das Privileg, ihr eigenes Vermögen zu machen. Ich habe vier Schwestern, die auf mich angewiesen sind, und die Berufe, ...

"»Nur wer reich ist, kann sich den Luxus der Ehre leisten […]. Und nur Männer haben das Privileg, ihr eigenes Vermögen zu machen. Ich habe vier Schwestern, die auf mich angewiesen sind, und die Berufe, die Frauen wir mir offenstehen - Gouvernante, Schneiderin vielleicht - würden nicht einmal ausreichen, um die Hälfte von ihnen zu kleiden und zu ernähren. Was soll ich also tun, außer mir einen reichen Ehemann zu suchen?«"

Kitty ist eine hinreißende weibliche Hauptfigur! - Schlau wie ein Fuchs, schlagfertig, selbstbewusst … aber auch bewundernswert selbstreflektiert und selbstlos. Für das Glück ihrer geliebten Schwestern ist sie ohne mit der Wimpern zu zucken bereit, ihr eigenes zu opfern. Kitty weiß genau, was sie will - und setzt alles daran, ihr Ziel zu erreichen. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie keine andere Wahl: Sie musste stark sein für ihre jüngeren Geschwister, die sich ganz auf sie verließen, musste pragmatisch denken, Optimismus ausstrahlen, auch wenn ihr selbst zum Weinen war, und schlichtweg die Person sein, die stets für jedes Problem eine Lösung findet. Auf ihren Schultern lastet eine enorme Verantwortung, und ihre Stärke hat mich unheimlich beeindruckt.

"Verzweifelt wünschte sie sich, es gäbe jemanden, mit dem sie diese Bürde teilen könnte, aber sie war ganz allein. Die Gesichter ihrer Schwestern blickten schweigend zu ihr auf, selbst jetzt noch so voller Überzeugung, dass sie es schaffen würde, sie alle zu retten. So, wie sie es immer getan hatte. Wie sie es immer tun würde."

Wie viele Menschen hätten an ihrer Stelle längst aufgegeben und sich stattdessen in Selbstmitleid gesuhlt - oder egoistisch gehandelt und sich nicht um familiäre Verpflichtungen geschert. Den Traum von einer Liebesheirat hat Kitty längst begraben, für sie zählt einzig das Wohlergehen ihrer Familie. Mit jedem Rückschlag, den sie erleidet, jedem Fettnäpfchen, in das sie aufgrund ihrer Unkenntnis der ungeschriebenen Gesetze des ton tappt, jeder Ungerechtigkeit, die ihr widerfährt, scheint sie noch kämpferischer und fokussierter zu werden, und ich kam nicht umhin, ihre Resilienz und Determination zu bewundern.

"Die Zeit der Verzweiflung war vorbei. Sie würde sich - durfte sich - nicht so einfach besiegen lassen. Entschlossen schluckte sie ihre Tränen herunter und straffte die Schultern."

Kittys stark ausgeprägter Beschützerinstinkt lässt sie manchmal sogar den großen Plan vergessen, z.B. als sie ihre jüngere Schwester Cecily vehement verteidigt und vor einem für seine wandernden Hände bekannten Tanzpartner bewahrt. "Weniger charakterstarke Menschen mochten die Aufmerksamkeit dieses abscheulichen Mannes als notwendiges Übel betrachten, aber Kitty tat das nicht." Sie handelt in meinen Augen vollkommen richtig, bekommt aber sogleich die Empörung der Gesellschaft zu spüren: einen 'Gentleman' öffentlich derart zu brüskieren, welch Skandal! Jahrhunderte vor MeToo-Kampagnen setzt Kitty dem schmierigen Herrn klare Grenzen, bravo!

Die passionierten Dialoge zwischen den Hauptfiguren sind ein absoluter Traum! Enemies-to-Lovers-Romances gehören nicht ohne Grund zu meinen liebsten Tropes, bieten sie doch reichlich Gelegenheit für erhitzte, vor unterschwelliger Leidenschaft brodelnde Wortgefechte zwischen den Charakteren, ehe nach allerlei heftigem Schlagabtausch eine vorsichtige Annäherung erfolgt … und die gegenseitige Abneigung tieferen Emotionen gänzlich anderer Art weicht.

"»Pragmatismus?«, wiederholte er. »So nennt Ihr es also? Nicht vielleicht lieber Berechnung - Gier - Manipulation? Denn leider sind es diese weitaus weniger ehrbaren Worte, die ich Euch zuschreiben würde, Miss Talbot.«"

Wie oft rang ich mit Kitty um Beherrschung oder beglückwünschte sie zu ihren treffsicher platzierten Spitzen, die deutlich machten, dass sie dem sprachlichen Duell mit Lord Radcliffe mehr als gewachsen ist! Der Humor kommt hierbei nicht zu kurz; insbesondere über ihre spontanen morgendlichen Besuche bei Radcliffe habe ich mich köstlich amüsiert! Auch die Nebenfiguren sind vielschichtig ausgearbeitet worden; die Dynamik zwischen Kitty und ihrer Schwester Cecily sowie zwischen den Mädchen und ihrer 'Tante' Dorothy wurde überaus glaubwürdig und nachvollziehbar dargestellt.

Natürlich war mir bewusst gewesen, dass gerade Frauen, obendrein jene mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln, es damals besonders schwer hatten, doch wie streng die Regeln für Erfolg auf dem sozialen Parkett waren, wurde mir erst hier vor Augen geführt. Es reicht nämlich bei Weitem nicht, diversen reichen Junggesellen vorgestellt zu werden - wobei schon allein dies zu bewerkstelligen einen Heidenaufwand bedeutet -, anschließend in hübschen Kleidern elegant über die Tanzfläche zu schweben, kokett die Augen niederzuschlagen, im richtigen Moment zu lächeln - aber ja nie undamenhaft laut zu lachen … Nein, um nicht auf den ersten Blick als nutzlose Bekanntschaft abgestempelt zu werden, muss man nachweislich aus guten Hause stammen: die richtigen Leute kennen (und vice versa), selbstverständlich vermögend sein, tadellos-sittsames Verhalten an den Tag legen, und, das ist ganz besonders wichtig, auf gar keinen Fall darf einem auch nur der Hauch eines Skandals anhaften.

Kittys Debüt in London gleicht einem Tanz auf dem Vulkan, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Bei all meiner Liebe für das Regency-Zeitalter bin ich dennoch dankbar, nicht mit ihr tauschen zu müssen und stattdessen im Hier und Jetzt leben zu dürfen, wo ich mittels solch brillanter Romane in diese für Frauen so herausfordernde Ära eintauchen kann. Dass viele Menschen damals ihr Glück lediglich in einer gewissen Außenwirkung sahen, deren Oberflächlichkeit schwerer wog als die wahre Liebe, scheint uns heutzutage unbegreiflich. Allerdings darf man nicht vergessen: einige der hier aufgeführten Strukturen, über die wir vielleicht instinktiv den Kopf schütteln, sind im Grunde weiterhin gang und gäbe. Ob es uns passt oder nicht, aber Geld regiert die Welt und 'Vitamin B' öffnet noch immer sämtliche Türen am schnellsten, beruflich wie auch privat. (Um beim Thema Londoner Adel zu bleiben: Selbst Everybody’s Darling Meghan Markle soll einst eine Freundin gefragt haben, ob diese nicht 'irgendeinen berühmten Engländer' kenne, den sie ihr vorstellen könnte; er solle aber bitte keinen miesen Ruf haben …)

Ein spezielles Lob verdient die hochwertige Aufmachung des Werkes. Die Innenseiten des Umschlags sind hinreißend gestaltet und mit ausgewählten Zitaten und Bildern verziert worden, das ungewöhnlichste Extra bildet allerdings das erweiterte, umklappbare hintere Cover, welches die Buchseiten umschließen und wie ein Lesezeichen verwendet werden kann.

Fazit: 5 Sterne!
Was für ein umwerfender Debütroman! Ich bin hin und weg. Wann erscheint Band 2? Bitte bald!! Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung für alle Janeites, Bridgerton-Liebhaber und Regency-Fans!

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Veröffentlicht am 12.06.2022

Gelebter DDR-Alltag aus Sicht dreier junger Frauen

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
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"𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘪𝘯𝘥 𝘥𝘪𝘦 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘸𝘪𝘳 𝘶𝘯𝘴 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘴𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦𝘯."
— 𝘗𝘦𝘵𝘦𝘳 𝘜𝘴𝘵𝘪𝘯𝘰𝘷

"»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"

𝓓a es ...

"𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘪𝘯𝘥 𝘥𝘪𝘦 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘸𝘪𝘳 𝘶𝘯𝘴 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘴𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦𝘯."
— 𝘗𝘦𝘵𝘦𝘳 𝘜𝘴𝘵𝘪𝘯𝘰𝘷

"»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"

𝓓a es noch gar nicht lange her ist, dass ich ein anderes, ebenfalls bei Ullstein erschienenes Werk der Autorin begeistert verschlungen habe (ihre mitreißende Romanbiografie "Diana - Königin der Herzen"), freute ich mich riesig, als ich den Auftakt der Müggelsee-Saga entdeckte - zumal die Geschichte in meiner alten Heimat spielt und daher ohnehin ein Must-Read für mich gewesen wäre. Dass nun solch eine wunderbare Erzählerin wie Julie Heiland mit ihrem feinsinnig-emotionalen, fesselnden Schreibstil die Story um die drei Freundinnen Martha, Betty und Clara zum Leben erweckt, war sozusagen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

𝓜eine Oma pflegte immer zu sagen "Drei sind einer zu viel", allerdings könnte dieser Spruch im Hinblick auf die sympathischen Hauptfiguren kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein: So unterschiedlich die Mädchen in puncto Charaktereigenschaften und Gesellschaftsschichten sind, so sehr brauchen sie einander und geben einander Halt.

"Eine Blonde, eine Rothaarige, eine Brünette - ihre Leben waren in unterschiedlichen Bahnen verlaufen, doch von einer Sekunde auf die andere hatte das Schicksal sie zusammengeworfen."

𝓞b Schulalltag, erste Liebe, Familienprobleme und -geheimnisse, Verlust geliebter Menschen oder Karriereträume, alles erleben sie zusammen. Ihre aufrichtige Freundschaft und Loyalität - in einem Land, das linientreue Ergebenheit einfordert, Andersdenkende ausgrenzt und seine Bürger:innen gegeneinander aufstachelt - empfand ich als sehr rührend.

ℰs sind die letzten Jahre vor dem Mauerbau. Die hübsche Betty träumt von einer Zukunft als berühmte Hollywood-Schauspielerin; die hochbegabte Clara greift ebenfalls nach den Sternen: sie möchte ins Weltall fliegen. Allerdings werden ihr bewusst Steine in den Weg gelegt, da ihre Familie nicht Mitglied in der Partei ist und es wagt, eine eigene Meinung zu vertreten. Und FDJ-Anhängerin Martha weiß exakt, was von ihr erwartet wird, würde jedoch am liebsten einen gänzlich anderen Weg einschlagen.

𝓥iele Entwicklungen und Verstrickungen habe ich recht früh erahnen können, dennoch verblüffte mich auch der ein oder andere Twist (Stichwort: Marthas Bruder Ronny - ein übrigens tatsächlich weit verbreiteter Name im Osten) und ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen.

𝓞bwohl ich selbst in der DDR aufgewachsen bin, befällt mich die sogenannte Ostalgie eher selten, maximal wenn es um Figuren aus der Ost-Version der TV-Kindersendung "Das Sandmännchen" geht. Wenn im Zusammenhang mit der DDR in den Medien oder in Gesprächen mit Bekannten dann der Satz "Es war nicht alles schlecht." fällt, schüttelt es mich. - Familien wurden grausam auseinandergerissen, Träume zerstört. Menschen mussten Angst haben, dass jedes in den eigenen vier Wänden gesprochene Wort vom Staat belauscht und gegen einen verwendet werden könnte. Niemand traute niemandem mehr, nicht mal Familienmitgliedern oder dem (Ehe-)Partner. Personen 'verschwanden', einfach so - flüchteten, wurden weggesperrt oder ermordet. Müsste ich die DDR in einem Wort beschreiben, wäre es 'unmenschlich'. In ihrem Roman zeichnet die Autorin mehrere Extremfälle. Natürlich ereigneten sich solche Dinge nicht in 𝑗𝑒𝑑𝑒𝑟 Familie - aber es gab zahlreiche solcher Fälle. Viel zu viele. Insbesondere Marthas Backgroundstory bewegte mich enorm … und machte mich furchtbar wütend auf das gnadenlose DDR-Regime, ebenso die Ungerechtigkeit, die Clara wieder und wieder erdulden muss.

𝓓ie Hauptfiguren, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird, sind facettenreich gestaltet worden. Dank zeitgemäßer Wortwahl und nachvollziehbarem Verhalten wirken sie vollkommen glaubwürdig, und obgleich ich alle drei Freundinnen gerne mochte, war es die zielstrebige Clara, mit der ich besonders mitfieberte. Die Dialoge zwischen ihr und ihren Eltern bewiesen stets, dass in der ärmlichen kleinen Wohnung der Vogels viel mehr Liebe herrschte als z.B. in der noblen Villa von Bettys Familie, deren vermeintliches Glück nur Fassade ist.

"»Weißte, det Leben ist ein Chaos und furchtbar schnell vorbei. […] Det, was uns den Kopf oben halten lässt, det is nich unsere Arbeit oder Erfolg, det is unser Glaube und die Liebe.«"

𝓩u Beginn der Handlung herrscht Sommer-Feeling pur, genau wie es auf dem passend gestalteten Cover suggeriert wird. Ich wähnte mich aufgrund der bildreichen, atmosphärischen Beschreibung des Settings selbst im Strandbad, lauschte dem ausgelassen Kreischen der im Wasser tobenden Kinder, dem herrlichen Berliner Dialekt, dem Radio, das irgendwo leise dudelt … roch die Sonnencreme auf meiner Haut und spürte die heiße Sonne im Gesicht. Mit gleicher Intensität widmete sich die Autorin den Lebensumständen der Protagonisten und ließ mich mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Die unzähligen feinen Details, die in die Geschichte eingeflochten worden sind - von gängigen Modetrends, Musikhits und beliebten Gerichten der ostdeutschen Küche bis hin zur Inneneinrichtung der Wohnung - machen deutlich, dass hier gründliche Recherchearbeit geleistet worden ist.

𝓢ehr erfreulich fand ich, dass die Autorin bewusst darauf verzichtet hat, Intrigen zwischen den Mädchen zu spannen, (wie es leider oft in Romanen über Freundesgrüppchen der Fall ist). Dieses Fehlen von Konkurrenzdenken und Missgunst war erfrischend, zumal es durchaus Situationen gab, in denen es naheliegend gewesen wäre.

𝓝ach und nach wurde der Ton ernster, die Ereignisse dramatischer, ohne dass es in Hektik ausartete. Es ist ein insgesamt ruhiger, aber dennoch spannender Roman, der mich von Anfang bis Ende überzeugt hat. Apropos Ende: Die Autorin ließ die Story zum Teil offen enden, sodass man gespannt sein darf, was das Schicksal für Martha, Betty und Clara noch bereithalten wird.

𝓐bschließend noch ein paar Worte zur Aufmachung. Die drei DDR-Rezepte im Anhang waren eine tolle Überraschung; Soljanka gab es tatsächlich hin und wieder in meiner Familie. Dass bereits eine Leseprobe aus dem Folgeband inkludiert war, gefiel mir sehr, ebenso die geriffelte Oberflächenstruktur des Einbandes.

𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 5 ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Mich hat das Werk prächtig unterhalten und ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die im Juli 2022 erscheinen soll.

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Veröffentlicht am 11.06.2022

Ernste Thematik

Das Cottage in den Dünen
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Eigentlich hatte ich aufgrund des verträumt wirkenden Covers und des vielversprechend klingenden Klappentextes eine luftig-leichte Sommerromanze vor bezaubernder Kulisse erwartet - etwas Herzklopfen inmitten ...

Eigentlich hatte ich aufgrund des verträumt wirkenden Covers und des vielversprechend klingenden Klappentextes eine luftig-leichte Sommerromanze vor bezaubernder Kulisse erwartet - etwas Herzklopfen inmitten einer süßen Kleinstadt am Meer. Zudem ließ mich die Ankündigung eines Vierbeiners frohlocken.

Uff, nachdem die letzte Seite des Romans umgeblättert war, musste ich zunächst einmal tief durchatmen und mich sammeln. McClain hat einen herrlichen, überaus authentischen Schreibstil, entwirft glaubwürdige Dialoge und Figuren, in die ich mich hineinfühlen kann, ABER … von meiner beschwingten, fröhlichen Stimmung (- ich hatte zuvor gerade ein wunderschönes Buch beendet -) war nach der Lektüre trotz des idyllischen Settings nichts mehr übrig. Wieso? - 𝐀𝐜𝐡𝐭𝐮𝐧𝐠, 𝐒𝐩𝐨𝐢𝐥𝐞𝐫!

Gefühlt dreht sich die Story zu 75% um sehr ernste, enorm negativ behaftete Themen, wie Tod naher Angehöriger, Schuld (und Vergebung), Untreue sowie autoritäres, herablassendes Verhalten von Vorgesetzten, aber allem voran Krebs (inkl. Chemotherapie, genetische Mutationen, Auswirkungen auf die Familie). Im Nachwort der Autorin erfährt man von ihrem persönlichen Bezug zu dieser grauenhaften Krankheit, was erklärt, wie treffsicher und berührend sie die damit einhergehenden Emotionen und Herausforderungen erfassen und zu Papier bringen konnte.

Mir war die Gesamtheit, diese geballte Wucht an mitschwingender Schwermut, die sich im Laufe der Handlung entfaltet, zu viel. Beim Lesen der an sich gut durchdachten, aus mehreren Perspektiven (in der 3. Person) erzählten Geschichte hatte ich permanent eine düstere Wolke über mir. Insbesondere die Passagen rund um gesundheitlich bedingte Kinderlosigkeit/unerfüllten Kinderwunsch setzten mir heftig zu.

"Die drei Kinderbetten an der Wand, der süßsäuerliche Geruch nach Babys, die bunten Spielsachen, die in einem Kasten aufgestapelt waren - all das traf Erica härter als der Sturm […]. Sie würde nie die erschöpfte Mutter sein, die ihr Baby herbrachte, nie die glückliche, erholte Mutter, die die Betreuerinnen nach der Kirche begrüßte, nie die launische Mutter, die sich über das Stillen und volle Windeln und Schlafmangel beklagte. Sie würde nie eine Mutter sein, nie zu den Müttern gehören. Sie hatte gedacht, mit dem Weinen sei es vorbei, aber jetzt kamen die Tränen wieder, stärker als je zuvor."

Natürlich versuchte ich, mich auf die anderen Elemente zu konzentrieren - die Fellnasen King und Ziggy, das Förderprogramm für gefährdete Jugendliche, den Plot um die kürzlich geschiedene Seniorin Julie. Allerdings wird mir von diesem tiefgründigen Roman vor allem der Fokus auf das Thema Eierstockkrebs in Erinnerung bleiben, nicht die Love Story.

𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 4 ✰ ✰ ✰ ✰
Wenn es nicht solch eine Vielzahl trauriger Inhaltspunkte gewesen wäre, sondern nur einer, hätte ich dem Roman, obwohl er aufgrund seiner Thematik für mich nicht in die Kategorie Herzensbuch fällt, guten Gewissens 5 Sterne gegeben, denn der Schreibstil ist super. Gerne empfehle ich das Werk allen Fans von Liebesgeschichten mit ernsten Elementen.

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Veröffentlicht am 08.06.2022

Wunderbarer Feel-Good-Roman für Irland-Fans

Das kleine Cottage in Irland
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Seit ihrem Roman "Der kleine Teeladen in Tokio", einem meiner Jahreshighlights von 2021, bin ich ein Fan der Autorin - und habe mir fest vorgenommen, nach und nach all ihre Werke (wenn auch nicht in chronologischer ...

Seit ihrem Roman "Der kleine Teeladen in Tokio", einem meiner Jahreshighlights von 2021, bin ich ein Fan der Autorin - und habe mir fest vorgenommen, nach und nach all ihre Werke (wenn auch nicht in chronologischer Reihenfolge) zu lesen! Das kleine Cottage in Irland ist bereits der 7. Band ihrer international gefeierten Romantic-Escapes-Reihe, und erneut gelingt es Julie Caplin, so selbstverständlich und kenntnisreich über den Handlungsort zu schreiben, als würde sie selbst dort leben. Beeindruckend!

Neben leckeren Gerichten (- gutes Essen spielt in Julies Romanen immer eine Rolle -) könnt ihr euch auf eine interessante Familiendynamik freuen (- Conor entstammt einer Koch-Dynastie -), angereichert mit humorvollen Dialogen und einer Prise Drama, die für die richtige Würze nicht fehlen darf!

Der Klappentext erschien mir im Nachhinein etwas unglücklich gewählt. Hannah reist nicht aufgrund ihrer Unzufriedenheit im Hinblick auf ihr (Single-)Leben in Manchester nach Irland, sondern wegen ihrer Selbstzweifel (und einem angekratzten Ego) - weil "es ihr einfach nicht behagte, etwas so Grundlegendes wie Kochen nicht zu können". Eine neue Kollegin hatte ihr vor Augen geführt, dass sie zwar eine begnadete Anwältin sein mag, in der Küche jedoch jämmerlich versagt. Gepaart mit der Tatsache, dass Hannah sich neben ihrer im Zaubern kulinarischer Köstlichkeiten begnadeten Schwester Mina irgendwie in der Rolle der 'Nicht-Köchin' eingefunden hat, ergibt dies den Wunsch, endlich selbst kochen und backen zu können.

"»Ich bin hergekommen, weil ich richtig kochen lernen wollte. […] Du weißt schon, wenn die in diesen Kochsendungen Ausdrücke benutzen wie schmoren, braten, sautieren, Wasserbad … oder sie reden von einer Fleischschulter oder einer Haxe, und ich will einfach wissen, was das alles ist.«"

Mit der weiblichen Hauptfigur wurde ich nicht direkt warm; an Mitte der Handlung wurde es besser, doch zwischen ihr und mir blieb immer eine gewisse Distanz bestehen. Vielleicht lag es daran, dass mir Hannahs Beweggründe, den exklusiven und sündhaft teuren Kochkurs zu besuchen, nicht überzeugend erschienen. Als würdet ihr euch von Celine Dion die Tonleiter erklären lassen, bei Serena Williams die erste Tennisstunde eures Lebens buchen, … you get the picture. Prinzipiell bin ich voll dafür, wenn man eine neue Fertigkeit direkt vom Profi lernen möchte, aber bei Hannah wirkte es eher wie ein seichter Grund, um sie nach Irland schicken zu können. Zudem fand ich ihr Verhalten bei der ersten Begegnung mit Conor etwas sonderbar. Kess, schlagfertig und definitiv unterhaltsam, aber eben einen Hauch zu unrealistisch sowie - im Hinblick auf den 'Morgen danach' - unreif und respektlos … was, das muss man ihr zugutehalten, ihr auch selbst schnell bewusst wird. Ich weiß ehrlich nicht, warum ich mich mit ihr so schwergetan habe, denn im Grunde ist Hannah echt eine Nette (und ihre Unbeholfenheit in der Küche konnte ich so gut nachvollziehen - story of my life, wie mein kochbegabter Ehemann euch bestätigen würde).

Conor hingegen kaufte ich die ihm zugeschriebene Rolle als charismatischer Hottie sofort ab und fand sein Verhalten manchmal zwar etwas vorschnell, aber durchaus glaubwürdig.

Die atmosphärischen, bildreichen Beschreibungen der traumhaft schönen Landschaft befeuerten meinen Wunsch, endlich selbst einmal die Grüne Insel, die seit jeher mein Sehnsuchtsort ist, zu bereisen. Über die niedliche Karte im Innencover habe ich mich total gefreut, ich liebe solche Details!

Ein weiteres Highlight für mich waren die sympathischen, facettenreich ausgearbeiteten Nebenfiguren, die herrlich viel Unterhaltungswert hatten und einen Großteil des Charmes der Geschichte ausmachten. Ob die knuddelige Merry, die vermeintlich arrogante Fliss (deren Kabbeleien mit dem nie um einen frechen Spruch verlegenen Jason zum Piepen waren), die liebenswerte Izzy oder die berühmte Starköchin Adrienne, die bei jedem in ihrer Küche ausgestoßenen Fluchwort streng einen Euro Schimpfgebühr einfordert - sie alle bereicherten die Story ungemein.

Clever verknüpft die Autorin die Figuren ihrer Reihe untereinander; im vorliegenden Werk erfährt man z.B. viel über die Handlung des Vorgängerbandes, in welchem Hannahs Schwester Mina die Hauptrolle spielt. Wer also "Das kleine Chalet in der Schweiz" noch nicht kennt und nicht gespoilert werden möchte, dem empfehle ich, zunächst Band 6 zu lesen.

Fazit: 4 Sterne.
Ein wunderbarer Feel-Good-Roman, den ich allen Irland-Fans wärmstens empfehlen kann!

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