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Veröffentlicht am 24.03.2022

Wundervolle Love Story vor historisch bedeutsamer Kulisse

Die Rebellinnen von Oxford - Verwegen
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"»Erzählen Sie mir«, sagte er, »wie frustrierend ist es, von Menschen umgeben zu sein, die allein aufgrund ihres gesellschaftlichen Ranges bessergestellt sind als Sie, obwohl Sie Ihnen an Klugheit nicht ...

"»Erzählen Sie mir«, sagte er, »wie frustrierend ist es, von Menschen umgeben zu sein, die allein aufgrund ihres gesellschaftlichen Ranges bessergestellt sind als Sie, obwohl Sie Ihnen an Klugheit nicht das Wasser reichen können?«"

Mir war bereits im Vorfeld klar, dass ich dieses herrlich atmosphärische Werk aus der Feder von Evie Dunmore lieben würde – vor Kurzem hatte ich den dritten Oxford-Rebels-Band der beim LYX-Verlag erschienenen Buchreihe gelesen und war so begeistert vom gleichermaßen mitreißend-emotionalen wie auch informativ-klugen, pointierten Schreibstil der Autorin gewesen, dass mein Leserherz nach MEHR lechzte. Nun wusste ich zwar schon, wie die Liebesgeschichte zwischen der intelligenten Studentin aus bürgerlichen Verhältnissen und dem einflussreichen Herzog enden würde - immerhin finden beide Figuren auch im späteren Band Erwähnung -, doch dies tat meinem Lesegenuss keinen Abbruch. Ich habe die Annäherung zwischen Annabelle und Sebastian geliebt!

Es sprühen die Funken.

Es entwickeln sich tiefe Gefühle.

Es gibt diesen einen Oh-nein-das-hat-sie-nicht-wirklich-getan-Moment, bei dem ich mir voller Verzweiflung über Annabelles Selbstlosigkeit die Haare gerauft habe.

Mit ihrem Stipendium an der renommierten Oxford University geht für Annabelle, die bis dahin im Haus ihres dümmlichen Cousins die kostenlose Dienstmagd spielen musste, ein Traum in Erfüllung. Allerdings verpflichtet sie sich damit auch zur Unterstützung der Suffragetten, die sich – wie undamenhaft! – politisch engagieren und verbissen um eine Reform des Eigentumsgesetzes verheirateter Frauen kämpfen. Aus weiblicher Sicht war dies im Jahre 1879 ein durchaus wichtiges Anliegen, "denn noch immer verlor eine Frau ihren persönlichen Besitz am Hochzeitstag an ihren Ehemann", was wiederum die Beteiligung an Wahlen unmöglich machte, da nur Grundbesitzer und Haushaltsvorstände das Wahlrecht hatten. Dank der lokalen Gruppe der Nationalen Gesellschaft für Frauenwahlrecht findet Annabelle nicht nur reizende neue Freundinnen, sondern begegnet auch einem unterkühlten Aristokraten, dessen Arroganz ihre jahrelang unterdrückte Wut über all die Ungerechtigkeiten, mit denen Frauen sich konfrontiert sehen, auflodern lassen. Nie im Leben hätte sie geahnt, dass es ausgerechnet Sebastian Devereux sein würde, der ihr Leben auf mehr als nur eine Weise retten wird. Jener Herzog von Montgomery ist ein geschiedener Mann und der Wahlkampagnenberater der Torys – einer Partei, deren Mitglieder das Ansuchen auf Frauenwahlrecht größtenteils nicht unterstützen …

Im Hinblick auf Annabelle und Sebastian verspürte ich ganz leichte "Stolz und Vorurteil"-Vibes – die Fehleinschätzung und Vorurteile beiderseits, die große Erleuchtung im Anschluss, das Gefühlschaos, toll! Sowohl die vielschichtige Figurenzeichnung als auch die rundum überzeugenden Dialoge (- authentisch in der Wortwahl, humorvoll und voller Schlagfertigkeit -) haben mir wunderbar gefallen. Außerdem war ich erleichtert, dass der politische Themenbereich genau intensiv genug dosiert worden ist: spannend und nachvollziehbar, ohne (- wie es in anderen historischen Romanen manchmal leider der Fall ist -) staubtrocken und fade zu wirken. Vielmehr konnte ich tatsächlich spüren, wie sehr den Protagonistinnen eine Verbesserung der Lebensumstände für Frauen am Herzen lag.

Das schlichte, elegante Cover passt hervorragend zur Geschichte und lässt das Genre erahnen. Ich muss gestehen, dass mir bis zur Entdeckung dieser angenehm anspruchsvollen, überaus unterhaltsamen Reihe gar nicht bewusst gewesen war, dass auch historische Romane Bestandteil des LYX-Programms (- mit welchem ich bisher ausschließlich meine geliebten New Adult-Veröffentlichungen assoziiert hatte -) sind. Was für eine erfreuliche Überraschung!

Fazit: Ein Buch ganz nach meinem Geschmack – ich bekam eine bezaubernde, gefühlvolle, leidenschaftliche Liebesgeschichte (inklusive geschmackvoller erotischer Szenen), sympathische, wie aus den Leben gegriffene Charaktere und all dies in Kombination mit interessanten historischen Fakten. Perfekt für alle Leser:innen geschichtsträchtiger Romane und romantischer Storys sowie für Fans von Jane Austen und Bridgerton.

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Veröffentlicht am 23.03.2022

2. Fall des Donnerstagsmordclubs

Der Mann, der zweimal starb (Die Mordclub-Serie 2)
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Mit seiner international gefeierten Buchreihe 'Die Mordclub-Serie' hat Richard Osman auf Bookstagram solche Wellen geschlagen, dass ich natürlich die Ohren gespitzt habe – eine neue Cosy-Crime-Reihe? Das ...

Mit seiner international gefeierten Buchreihe 'Die Mordclub-Serie' hat Richard Osman auf Bookstagram solche Wellen geschlagen, dass ich natürlich die Ohren gespitzt habe – eine neue Cosy-Crime-Reihe? Das wollte ich mir mal näher anschauen. Als Fan von Krimis, die eher mit charmanten Amateurdetektiven und einem idyllisch-ländlichen Setting als mit blutrünstigen Schauplätzen punkten, war ich vollends begeistert von der Idee, einem rüstigen Seniorenquartett beim Lösen von Kriminalfällen über die Schulter zu gucken. Da der zweite Band des Donnerstagsmordclubs gerade erschienen war (List Hardcover/Ullstein, Januar 2022), nutzte ich diesen als Reiheneinstieg und hatte keinerlei inhaltliche Verständnisschwierigkeiten, auch wenn es durchaus hin und wieder Anspielungen auf die Entwicklungen im ersten Band gibt.

Was die Handlung betrifft, verweise ich auf den akkuraten Klappentext, in welchem die wichtigsten Infos gekonnt eingestreut und ein paar relevante Details clever ausgelassen worden sind, um die Story entsprechend anzuteasern – Chapeau!

Der Schreibstil war zunächst sehr ungewohnt für mich – ich lese selten Geschichten, die im Präsens und aus der Sicht einer allwissenden Erzählstimme geschrieben sind, wobei es im vorliegenden Werk interessanterweise Ausnahmen gibt, so wird Joyce' Perspektive in der Ich-Form wiedergegeben. Anfangs war ich mir nicht sicher, ob es mir gelingen würde, mich mit diesem Stil anzufreunden, er wirkte eine Spur zu neutral, zu entrückt auf mich, allerdings sind die schrullig-exzentrischen, größtenteils liebenswerten Charaktere so einnehmend beschrieben worden, dass ich ruck, zuck in den spannend-unterhaltsamen Roman vertieft war, der immer wieder überraschende Wendungen für mich bereithielt. Nicht nur Elizabeth, Joyce, Ibrahim – der in dieser Episode ziemlich viel verkraften muss – und Ron brachten mich mit ihrem trockenen Humor und ihrer naiv-unverzagten, leicht realitätsentrückten Lebenseinstellung zum Schmunzeln, sondern auch die Polizistin Donna und ihr Vorgesetzter Chris (der neuerdings in einer Beziehung mit Donnas Mutter Patrice ist und seitdem ungesunden Snacks abgeschworen hat). Die gängigen Altersklischees (wie Probleme mit der modernen Technik) hat der Autor mit einem Augenzwinkern in die Handlung eingebettet.

Volle Punktzahl gibt es für die gemütliche Atmosphäre – die verschlafene, von wunderschöner Natur umgebene Seniorenresidenz Coopers Chase in der Grafschaft Kent wirkte so heimelig auf mich, dass ich Elizabeth, Douglas und Poppy auf ihrem konspirativen Spaziergang am liebsten begleitet hätte.

Fazit: Kluger, britischer Humor, ein skurriler Kriminalfall und ein Grüppchen scharfsinniger Senioren – definitiv eine gelungene Mischung. Bis auf die Tatsache, dass ich generell kein Fan von dem Konzept der Rache/Selbstjustiz in Büchern bin, habe ich mich wunderbar amüsiert.

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Veröffentlicht am 18.03.2022

Spannend, aber nicht so catchy wie erhofft

Four Houses of Oxford, Band 1: Brich die Regeln (Epische Romantasy für alle Fans des TikTok-Trends Dark Academia)
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Puh, ich muss sagen…ich bin ernüchtert. Der Klappentext klang so vielversprechend. Das Cover gefiel mir so gut. Das gesamte Konzept erinnerte mich enorm an Stefanie Hasses Matching-Night-Dilogie, die zu ...

Puh, ich muss sagen…ich bin ernüchtert. Der Klappentext klang so vielversprechend. Das Cover gefiel mir so gut. Das gesamte Konzept erinnerte mich enorm an Stefanie Hasses Matching-Night-Dilogie, die zu meinen absoluten Highlights zählt. Wahrscheinlich hatte ich unterbewusst gehofft, dass ich mit Anna Savas' Dark-Academia-Romantasy-Reihe ein ähnlich berauschend positives Leseerlebnis haben würde – und gemäß dem Motto 'be careful what you wish for' bekam ich genau das: eine Geschichte, die sich wie eine Kopie von "Matching Night" anfühlte, mich jedoch unterm Strich weniger packen konnte. Damit meine ich nicht, dass bei jeder Romantasy-Story, überhaupt bei jeder Story, das Rad neu erfunden werden müsste. Aber wenn schon eine ähnliche Geschichte, dann bitte in 100%ig überzeugender Ausarbeitung, sodass sie zumindest ein wenig eigene Substanz, einen eigenen Charakter hat. Nun könnte man sagen: "Moment, im vorliegenden Werk gibt es schließlich Magie und in Matching Night nicht, ha!" Das ist natürlich richtig und ein bedeutender Unterschied. Dennoch ging dieser Punkt für mich im Gesamtkonzept einfach ziemlich unter. Hauptsächlich geht es um ein "Spiel" der Studentenvereinigungen Diamonds, Hearts, Cross und Spades – und das Wort setze ich in Anführungszeichen, weil besagtes Spiel ziemlich sadistisch, um nicht zu sagen gestört ist. Klar sollen die Figuren einen persönlichen Einsatz bringen, klar sollen sie an ihr Limit gehen, allerdings sollte das Ganze insgesamt im Bereich fun to read bleiben, und in meinen Augen war es das nicht immer. Viele Aktionen und Verhaltensweisen wirkten erzwungen und teilweise undurchdacht bzw. widersprüchlich auf mich.

Vom Setting war ich leider enttäuscht. Das war meines Erachtens das größte Minus des Buches. Was mir fehlte? Das Uni-Flair. Offiziell befinden wir uns auf dem Campus der Oxford University. Gespürt habe ich davon nichts. Weder an kulturellen Eigenheiten (Bräuche, Musik, Sprache, Essen, etc.) noch an landschaftlichen Beschreibungen der Umgebung. Anfangs gab es einen Vermerk zum Wetter, aber das war es auch schon. Wird nebenbei auch ein wenig studiert? Eventuell, allerdings dreht sich alles nur um die von den Novizen zu bewältigenden Aufgaben und um die unerklärliche Magie – von der man am Ende des Bandes noch immer nicht weiß, wie sie überhaupt zustande kommt. Zumindest ein paar Antworten auf die vielen offenen Fragen wären schön gewesen. Vielleicht wird dies im 2. Band näher erklärt, ansonsten bliebe dieses Story-Element nur oberflächlich angekratzt.

Mit Finley und Harper, aus deren beider Perspektive erzählt wird (wobei der Schwerpunkt auf Harpers Sichtweise liegt), sowie mit der Nebenfigur Lexie hat die Autorin sympathische Charaktere geschaffen, mit denen man mitfiebert und denen man die Daumen drückt, dass sie heil aus der ganzen Misere rauskommen, die sie sich mit dem Beitritt zu den mysteriösen Vier Farben eingebrockt haben. Der Romance-Aspekt blieb eher im Hintergrund. So richtig wollte sich bei mir kein Herzklopfen für die Hauptprotagonisten einstellen, die sich einst in einer Pflegefamilie kennen- und lieben gelernt hatten, ehe Finley aus Harpers Leben verschwunden war und ihr das Herz gebrochen hatte. Hier interessierten mich eher ihre Einzelschicksale. Was ist mit Finleys bestem Freund Dorian geschehen, warum hatte er sterben müssen? Wer sind Harpers leibliche Eltern?

Am sonstigen Schreibstil von Anna Savas gibt es nichts zu rütteln, sie erzählt emotionsgeladen, flott und modern, und setzt gekonnt Kapitelübergänge, sodass die Spannung immer weiter gesteigert wird und man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Hier und da ein paar Informations-Bröckchen, dort ein paar Überraschungsmomente, super! Vom fiesen Cliffhanger, der mir ein böses Kopfkino beschert hat, fange ich gar nicht erst an. Dieses Ende kam echt abrupt – unabhängig von den Punkten, die mir weniger gefallen haben, muss ich Band 2 lesen, weil ich ansonsten wohl vor lauter Neugier platzen würde.

Fazit: Minimal (durch Hinzufügen von Magie) abgewandelte Version von einer anderen College-Dilogie, nur deutlich weniger atmosphärisch, aber trotzdem spannend und mit sympathischen Hauptfiguren.

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Veröffentlicht am 18.03.2022

Ganz okay, nur zwischenzeitlich mit ein paar Längen

Der Klang unserer Liebe
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Für mich war dies das erste Buch von Autorin Kate Clayborn und aufgrund des Klappentextes erwartete ich eine unterhaltsame Love Story mit viel Herzklopfen und Schmunzelmomenten. Der Humor packte mich nicht ...

Für mich war dies das erste Buch von Autorin Kate Clayborn und aufgrund des Klappentextes erwartete ich eine unterhaltsame Love Story mit viel Herzklopfen und Schmunzelmomenten. Der Humor packte mich nicht so ganz, dafür war der stets lebensnahe Wortlaut in den Dialogen (- vor allem in Form der gedanklichen Einfügungen -) genau mein Fall.

Als Teenager verliebt sich Will Sterling in ein Mädchen, dessen Lachen ihn verzaubert hat. Dumm nur, dass seine Augen zu diesem Zeitpunkt nicht die besten sind – aus Eitelkeit und Angst vor einer Brille hatte er sich bisher durchs Leben gemogelt, ohne dass seine Sehschwäche jemandem aufgefallen wäre, und nun kann er seine Traumfrau, die auf einem Balkon steht, nicht einmal gescheit erkennen. Ihr Gesicht ist oval, ihre Haarfarbe braun, mehr Details sieht Will nicht. Allerdings wird er kurz darauf ohnehin aus seinen frisch verliebten Gedanken gerissen, denn zufällig hört er ein Gespräch zwischen seiner Mutter und seinem ihm bis dahin unbekannten Onkel mit an, das nicht für seine Ohren bestimmt gewesen war. An diesem Tag beschließt er, seine Kindheit zu beenden und ab sofort erwachsen zu sein. Sechzehn Jahre später ist Will, der inzwischen als Arzt in einem Krankenhaus arbeitet, zurück am Haus seines Onkels, welches dieser ihm vererbt hat. Er hat keine guten Erinnerungen an diesen Ort und möchte den Besitz schnellstmöglich verkaufen. Doch dann hört er wieder diese einzigartige Stimme von einem Balkon herunterwehen… Wie sich herausstellt, gehört diese zu Nora – die fuchsteufelswild ist darüber, dass Will die Wohnung seines Onkels für Kurzmieter bereitstellen möchte. Auch die restlichen Hausbewohner:innen, eine eingeschworene Gemeinschaft voller urig-schrulliger Unikate, die das Haus als ihren zu schützenden Lebensraum betrachten, sind entsetzt und leisten durch diverse Sabotageakte erbitterten Widerstand gegen Wills Pläne.

Mein Highlight des Romans waren die Nebenfiguren, allen voran Wills Chef, der zunächst unnahbar und pedantisch wirkende Dr. Gerald Abraham, dessen trockene, aber klugen Kommentare ich einfach herrlich fand, und seine vor Fröhlichkeit und Energie übersprudelnde Ex-Frau, Sally Nicht-mehr-Abraham. Den Plot um diese zwei Figuren fand ich tatsächlich niedlicher als die Haupthandlung und hätte gerne viel mehr Szenen mit ihnen gelesen, zum Beispiel statt der Passagen, in denen es um verschiedene Bewohner:innen des Hauses geht.

Dabei ist der Schreibstil an sich super angenehm, locker und umgangssprachlich gehalten. Will und Nora, aus deren beider Sicht abwechselnd erzählt wird, sind sympathische junge Menschen. Für meinen Geschmack passierte in Sachen Handlung zu wenig; mir fehlte es an Spannung. Zudem erreichte mich die Annäherung zwischen Nora und Will emotional nicht so recht; es war nett, aber ohne jeden Pep.

Kurzum: Tolle Idee, sehr viel Potential für eine Verfilmung als romantische Komödie im TV-Abendprogramm; in Buchform jedoch zu viele Längen, in denen ich das Gefühl hatte, auf der Stelle zu treten, und Figuren, die zwar liebenswert sind, deren Miteinander mich aber leider nicht mitreißen konnte. Es ist ein solides 3 ½-bis-4-Sterne-Werk für Zwischendurch. Wer ein paar entspannte Lesestunden genießen möchte und kurzweile Liebesromane ohne viel Drama mag, ist hiermit gut beraten.

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Veröffentlicht am 15.03.2022

Schwermütig

Als uns die Welt zu Füßen lag
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Bei diesem Buch war es vor allem das in verblichenen Sepiatönen gehaltene, nostalgisch wirkende und ein Gefühl von Leichtigkeit verströmende Cover, das mich wie magisch angezogen hatte. Ich liebe historische ...

Bei diesem Buch war es vor allem das in verblichenen Sepiatönen gehaltene, nostalgisch wirkende und ein Gefühl von Leichtigkeit verströmende Cover, das mich wie magisch angezogen hatte. Ich liebe historische Frauenromane und nach einem kurzen Blick auf den Klappentext freute ich mich auf eine interessante Story im Norddeutschland der Dreißigerjahre.

Umso erstaunter war ich, als das Werk im Hamburg des Jahres 2019 begann; tatsächlich gibt es also zwei Zeitebenen. In der Gegenwart lernen wir die erfolgreiche Zuckerbäckerin Tilda kennen, die nur für ihr eigenes Cafélädchen Bellefleur zu leben scheint. "Was ihre Konkurrenz mit Neid erfüllte, betrachteten ihre Freundinnen mit Sorge. Denn die viele Arbeit machte Tilda in ihren Augen zu einer Einzelgängerin, die sich außer für die Zutaten ihrer köstlichen Backwerke nur für ihre Bilanzen interessierte."

In der Vergangenheitshandlung flüchtet die junge Vicky, deren Vater sie gegen ihren Willen verheiraten möchte, vom ländlichen Familiensitz, dem Rosenhof Willenbrock, in die Hansestadt Hamburg, wo ihre Tante Carla lebt. Nachdem sie ihr Hab und Gut verliert, findet sie in Luise, die sie vorübergehend bei sich und ihrem Bruder Ludwig aufnimmt, eine neue Freundin. Aber nicht alles ist, wie es scheint. Als es Vicky bald darauf durch einen Zufall gelingt, Carla zu finden, staunt sie nicht schlecht – denn ihre Tante lebt mittlerweile als Mann, nennt sich Karl und ist mit einer Frau namens Eve Bellefleur zusammen. Ihnen gehört der legendäre gleichnamige Tanzpalast sowie ein Modesalon. "»Das Bellefleur ist das Herz des Hamburger Nachtlebens, in unserem Haus findet man alles unter einem Dach: Mode, Tanz, Musik, Lustbarkeiten … Jeder, der etwas auf sich hält, ist hier zu Gast!«" Alles scheint sich endlich zum Guten zu wenden, Vicky genießt ihre neue Freiheit und verliebt sich in den Swing Musiker Johnny, der ihre Gefühle erwidert. Allerdings drohen die Schatten der Vergangenheit sie einzuholen und so wohl sie sich in ihrem neuen Zuhause fühlt, es ist nicht der sichere Hafen, den sie sich erträumt hatte. Die Lage spitzt sich immer weiter zu: Johnny wird wegen seiner Hautfarbe angefeindet, Carla/Karl schlägt aufgrund ihrer/seiner Lebensweise regelmäßig Hass entgegen; die Weltwirtschaftskrise greift um sich und die Nationalsozialisten gewinnen an Macht.

Die in der Vergangenheit spielende Handlung war mein Highlight des Romans.Tildas Geschichte hingegen gefiel mir weniger; ohne diesen Plot hätte das Buch, glaube ich, insgesamt positiver auf mich gewirkt. Alle Figuren sind vielschichtig angelegt, haben Fehler und Schwächen, wirken real. Die Autorin hat die Lebensumstände der damaligen Zeit sehr authentisch eingefangen, den Kontrast zwischen Armut und Reichtum, die Einschränkungen, mit denen Frauen zu kämpfen hatten. Ich musste mir immer wieder ins Gedächtnis rufen: 'Es ist kein Wohlfühlroman, sondern soll das echte Leben widerspiegeln.' Teilweise wurde mir das Ganze dennoch zu deprimierend, ich empfand die Tragik als erdrückend und die erhoffte Leichtigkeit stellte sich nicht ein. Ich las von harter Arbeit und Geldnot, Unglück und Tod, von Rassismus und Vorurteilen gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe. Insbesondere die Thematik um ungewollte bzw. ungeplante Schwangerschaften (ja, Plural) setzte mir zu.

Einerseits gab es sehr berührende Passagen, andererseits empfand ich die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte a) als zu schwermütig und b) als nicht flüssig erzählt. Zum Teil mag das an der Vielzahl der Sichtweisen gelegen haben, aber auch die Übergänge wirkten manchmal etwas abgehackt auf mich und die Zeitsprünge innerhalb einer Zeitebene störten mich eher, als dass sie Spannung erzeugten. Was das Ende betrifft – nun ja, es war okay, ich hätte mir jedoch einen runderen Abschluss gewünscht.

Fazit: Gefühlvoll und durchaus unterhaltsam, unterm Strich allerdings zu negativ-behaftet für meinen Geschmack.

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