Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
offline

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.11.2024

Wortscharmützel inklusive

Gegenspieler
0

Wenn der derzeitige Fallanalytiker Max Bischoff aus der Reihe „Mörderfinder“ von Thrillerautor Arno Strobel und die Strafverteidiger Dr. Anton Pirlo und Sophie Mahler aus der Serie „Pirlo“ von Schriftsteller ...

Wenn der derzeitige Fallanalytiker Max Bischoff aus der Reihe „Mörderfinder“ von Thrillerautor Arno Strobel und die Strafverteidiger Dr. Anton Pirlo und Sophie Mahler aus der Serie „Pirlo“ von Schriftsteller und Strafverteidiger Dr. Ingo Bott gemeinsam ermitteln, dann wird hieraus der Kriminalfall „Gegenspieler – Bischoff und Pirlo ermitteln“. Handlungsort ist selbstverständlich Düsseldorf, denn dort spielen auch beide Serien.

Max Bischoff hat in der Pirlo-Reihe bereits Erwähnung gefunden. Dieses Mal wird Bischoff von Sophies Vater beauftragt, der seine Tochter bittet, mit diesem zusammenzuarbeiten. Sophies Vater ist einer der Partner der Düsseldorfer Kanzlei Müller & Mahler mit Sitz an der Königsallee. Zum großen Entsetzen aller, wird Karl Müller, ebenfalls Partner der Kanzlei und Patenonkel von Sophie, tot in seinem Auto aufgefunden. Die Polizei geht davon aus, dass er sich umgebracht hat, denn in wenigen Tagen hätte er vor Gericht in Sachen umstrittener Steuersparmodellen aussagen sollen. Von den Kanzleiangehörigen glaubt so recht niemand, dass er Selbstmord begangen hat. Das Blatt wendet sich, als ein weiteres Mitglied der Kanzlei ermordet wird. Jedoch gerät schließlich Sophies Vater unter Verdacht und Pirlo benötigt gute Gründe, um ihn vor Gericht verteidigen zu können.

Wer sowohl die Bücher der „Mörderfinder“-Serie als auch die der „Pirlo“-Reihe kennt wie ich, wird in der Geschichte Stilelemente aus beidem wiederfinden. Bischoff versetzt sich gerne in den Kopf des Mörders und versucht auf diese Weise, die Gedanken des Täters nachzuvollziehen, warum und wie dieser ein Verbrechen begangen hat. Das ist auch im vorliegenden Fall so, aber Bischoff hat es diesmal nicht einfach, weil er kaum Ansatzpunkte findet. Horst Böhmer, sein früherer Kollege beim Mordkommissariat, von dem er bisher immer wieder gute Tipps erhalten hat, schweigt zu den polizeilichen Erkenntnissen. Erst spät zieht Bischoff den Psychologen Marvin Wagner hinzu, mit dem er bald die Privatdetektei WaBi Investigations eröffnen wird (Mörderfinder – Das Muster des Bösen, ET 02/2025).

Sophie Mahler nimmt in „Gegenspieler“ eine größere Rolle ein als ihr Kanzleipartner Pirlo, denn sie ist persönlich betroffen. Nicht nur, dass ihr Patenonkel verstorben ist und ihr Vater unter einen gewissen Verdacht gerät, sondern auch weil ihre Mutter unter äußerster Anspannung steht und noch mehr Alkohol trinkt als bisher. Der Fall konzentriert sich im Privaten auf Sophies Familie, so dass die Brüder von Pirlo und seine Kontakte zu diversen Clans nur eine nebensächliche Rolle spielen. Pirlo ist als Figur auch hier der manchmal planlos erscheinende, mit unkonventionellen Methoden arbeitende und mit einnehmenden Wesen ausgestattete Strafverteidiger, als der er auch in der eigenen Reihe auftritt.

Während es Pirlo darum geht, für seinen Mandanten einen Freispruch zu erwirken oder eine Einstellung des Verfahrens ist es Bischoff wichtig, denjenigen zu finden, der die Taten tatsächlich begangen hat. Die für den Lesenden verständlich geschilderte und authentisch dargestellte Strafverteidigung ihren Raum in der Geschichte benötigt, ist die Spannung anders wie den Thrillern des Mörderfinders und erscheint im Vergleich mit der Reihe nicht ganz so hoch.

Wortgefechte zwischen Bischoff und Pirlo sorgen für Abwechslung und sind titelgebend für „Gegenspieler – Bischoff und Pirlo ermitteln“, was dem vorliegenden Fall einen eigenwilligen Charakter verleiht und ihn von den jeweiligen Reihen der ermittelnden Charaktere abhebt. Einige Wendungen sind unerwartet und sorgen jeweils für eine nötige Neuausrichtung der beiden Titelfiguren und Sophie Mahler mit deren Hoffnung darauf, den Täter endlich zu stellen. Ich mag das Wendecover mit der Klappe, die sich um den seitlichen Buchschnitt legen lässt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung an Lesende von Kriminalromanen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.11.2024

Voller Drama, mit dem Flair des Abenteuers

Sing, wilder Vogel, sing
0

In ihrem historischen Roman „Sing, wilder Vogel, sing“ erzählt Jacqueline O`Mahony von der Irin Honora, die sich nach Freiheit von allen Zwängen sehnt, die sie persönlich einengen. Dabei versucht sie, ...

In ihrem historischen Roman „Sing, wilder Vogel, sing“ erzählt Jacqueline O`Mahony von der Irin Honora, die sich nach Freiheit von allen Zwängen sehnt, die sie persönlich einengen. Dabei versucht sie, ihre Identität zu bewahren. Die Protagonistin lebt im Jahr 1849 an der irischen Westküste. Land und Unterkünfte sind dort von englischen Gutsherren gepachtet. Wer nicht rechtzeitig zahlt, dem wird der Besitz weggenommen. Am Tag von Honoras Geburt ist ein Rotkehlchen ins Zimmer geflogen, was im Dorf als Fluch gilt, der nun auf ihr liegt. William zu heiraten, den Sohn eines im Dorf angesehenen Bürgers, erscheint ihr als glücklicher Umstand. Doch eine Hungersnot nimmt ihr all das, für welches es sich bisher für sie zu leben lohnte. Aus der prekären Lage heraus entwickelt sie einen Plan, mit einem Schiff von der drei bis vier Tagesmärsche entfernten Hafenstadt Westport nach New York zu fahren. Er gelingt und zunächst fühlt sie sich freier, bis die Realität sie einholt und sie das Schicksal erneut hart trifft. Ihr wird bewusst, dass sie noch nicht am Ende ihrer Reise angelangt ist.

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, in dem Honora sich fünf Jahre nach ihrem Aufbruch in Irland im Westen der USA befindet. Von einem Mann erhält sie Avancen. Erst später konnte ich die Szene richtig zuordnen. Vorerst gab mir die Szene das Wissen darum, dass die Protagonistin die furchtbaren Geschehnisse in Irland überlebt hat, die die Autorin im Folgenden schildert. Der Roman beruht auf wahren Begebenheiten. Sie sind unter dem Begriff „Doolough Famine Walk“ in die Geschichtsbücher eingegangen.

Honora hat früh gelernt, sich um sich selbst zu kümmern, weil ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben ist. Die Arbeit ist schwer und ihr Körper vom Hunger ausgezehrt. Doch ohne zurückzublicken lebt sie für den Augenblick, ohne sich beirren zu lassen. Sie weiß, dass viele der Dorfbewohner sie für seltsam halten, aber gerade ihre Beharrlichkeit, ihre Wut gegen Ungleichbehandlung und ihr Wildheit, die sie in die Natur zieht, geben ihr die Kraft bis an die Grenze des Erträglichen zu gehen.

Jacqueline OMahony thematisiert in ihrem Roman den Kampf der Protagonistin gegen die ihr auferlegten Zwänge, die nicht nur durch Gesetze, sondern auch durch Konventionen gegeben sind. Es ist tiefbewegend, davon zu lesen, wie gering die englischen Landlords das Leben ihrer Untergebenen schätzen. In Amerika, dem Land der von Honora erhofften unbegrenzten Möglichkeiten, erkennt sie schnell, dass der von ihr ersehnten Freiheit durch ihre Armut Grenzen gesetzt sind und sie dadurch bald zum Spielball in den Händen ihrer Vorgesetzten wird. Später wird sie durch Androhungen eingeschränkt. Sie strebt nicht nur danach, im eigenen Ermessen gehen zu können, wohin immer sie will, sondern sie wünscht sich auch, dass ihre inneren Werte von anderen erkannt werden.

„Sing, wilder Vogel, sing“ ist ein Roman voller Drama, aber mit dem Flair des Abenteuers. Die irische Autorin Jacqueline O
Mahony schreibt berührend und aufwühlend. Sie bleibt nah am Charakter ihrer Protagonistin, die mit Hartnäckigkeit und Hoffnung im Herzen nach Eigenständigkeit im Leben sucht und sich dabei weiterentwickelt. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.11.2024

Unsichtbare Heldinnen der Geschichte ans Licht gebracht

Beklaute Frauen
0

In ihrem Buch „Beklaute Frauen“ schreibt Leonie Schöler über unsichtbare Heldinnen der Geschichte in verschiedensten Bereichen. Dabei bezieht sie gelegentlich auch andere benachteiligte Personengruppen ...

In ihrem Buch „Beklaute Frauen“ schreibt Leonie Schöler über unsichtbare Heldinnen der Geschichte in verschiedensten Bereichen. Dabei bezieht sie gelegentlich auch andere benachteiligte Personengruppen mit ein. Sie hat mich mit ihrer Darstellung der Fakten beeindruckt. Ich mochte ihren Schreibstil, der flüssig lesbar ist. Sie versteht es, am Beginn der Kapitel Einleitungen zu schreiben, die mich neugierig machten und schafft dadurch eine fast spielerische Wissensvermittlung. Natürlich hatte ich bereits gelegentlich von benachteiligten Frauen in unserer Geschichte gelesen, aber die ausgewählten Beispiele im Buch ließen mich immer wieder staunen.

Auf über vierzig Seiten finden sich im Anhang Anmerkungen mit Belegen zu den Beschreibungen der Geschehnisse. Leonie Schöler wählt Frauen der Geschichte aus, die berühmte Ehemänner, Väter oder Kollegen haben. Die Einstellungen dieser prominenten Männer zu Frauen stimmte mich nachdenklich. Es sind Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Kämpferinnen, die im Schatten von Männern standen, die wie selbstverständlich für ihre eigenen Leistungen Ruhm und Ehre erwarteten. Die Auswahl konnte nur beispielhaft erfolgen, denn die Liste der beklauten Frauen in der Geschichte der letzten 200 Jahre, auf der die Betrachtungen im Buch fokussieren, würde den Rahmen des Buchs sprengen. Im letzten Kapitel beschreibt die Autorin, dass Künstliche Intelligenzen geschlechtsspezifische Vorurteile haben. Das Problem ist bekannt, aber bei der Entwicklung gegen diesen Trend hapert es immer noch. Ich empfehle die faszinierende Lektüre uneingeschränkt weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.11.2024

Eine Auswahl von dreizehn Märchen aus aller Welt

Die Froschprinzessin. Märchen aus aller Welt
0

Das Buch „Die Froschprinzessin“ aus dem Verlag Fischer Sauerländer beinhaltet eine Sammlung von Märchen aus aller Welt. Die bekannte deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke hat die Geschichten ...

Das Buch „Die Froschprinzessin“ aus dem Verlag Fischer Sauerländer beinhaltet eine Sammlung von Märchen aus aller Welt. Die bekannte deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke hat die Geschichten kuratiert. Mit beeindruckenden Farbillustrationen wurden sie von Julia Plath versehen, die beim Projekt für Künstler:innen von Cornelia Funke zu den Resident:innen in der Toskana gehört.

Der vorliegende Band von nicht ganz 200 Seiten umfasst Erzählungen aus verschiedenen Kulturkreisen, die nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene interessant sind. Neben einigen aus Europa, sind Erzählungen aus Russland, Vietnam und Japan vertreten. Die Konzeptionistin verweist in einem Kommentar darauf, dass asiatische Märchen nicht wie fast jedes westliche mit einem Erfolg endet, was an den unterschiedlichen sozialen Konventionen liegt.

Obwohl Cornelia Funke im Vorwort bekennt, dass sie keine Anhängerin von Märchen ist, besitzt sie eine umfassende Sammlung. Die Erzählungen sind bereits 2018 in englischer Sprache erschienen. In ihren Kommentaren zu den jeweiligen Geschichten stellt die Kuratorin mehrfach Bezug zu ihrem Roman „Reckless“ her, für den sie ebenfalls viele Märchen gelesen hat.

Bei ihrer Auswahl der insgesamt dreizehn Märchen hat Cornelia Funke nach solchen gesucht, die ihr eher unbekannt erschienen und deren Held oder Heldin ihr rebellischer vorkam als in anderen Erzählungen, die hauptsächlich die Werte patriarchaler Gesellschaften zu festigen versuchen. Die im Buch befindlichen lösen sich aus dieser Tradition nicht vollständig. Letztlich hat aber die Neugier der Kuratorin und der Zufall Feder geführt bei der Zusammenstellung der Sammlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.11.2024

Ein Roman über Freundschaft, Wahlverwandte, Trauer und Einsamkeit mit einem Schuss Hoffnung

Ich komme nicht zurück
0

Im ihrem Roman „Ich komme nicht zurück“ erzählt Rasha Khayat von gewählten Familienmitgliedern und einer tiefen Freundschaft zwischen den Hauptfiguren Hanna, Cem und Zeyna. Der Titel des Buchs lässt von ...

Im ihrem Roman „Ich komme nicht zurück“ erzählt Rasha Khayat von gewählten Familienmitgliedern und einer tiefen Freundschaft zwischen den Hauptfiguren Hanna, Cem und Zeyna. Der Titel des Buchs lässt von Beginn an vermuten, dass die enge Verbindung der drei gestört wird.

Hanna lebt Ende der 1980er Jahre bei ihren Großeltern in einer Zechensiedlung am Rand einer großen Stadt im Ruhrgebiet. Cems Eltern, die in der Türkei geboren wurden, besitzen dort einen Lebensmittelhandel, weswegen er gerne bei Hanna zu Gast ist. Als die gleichaltrige Zeyna mit ihrem Vater aus dem Libanon in den Kohlenpott zieht, entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft. Nicht nur Hanna und Cem kümmern sich um die beiden Geflüchteten, sondern auch Hannas Großeltern ummanteln sie mit ihrer Zuneigung, was vor allem Zeyna zugutekommt, die ihre Mutter verloren hat.

Die Freundschaft erhält in der Zeit nach den Terroranschlägen des Jahres 2001 Risse, weil Zeyna und Cem aufgrund ihres dunklen Teints Hass und Wut zu spüren bekommen, oft von Personen die sie gar nicht kennen. Hanna und ihre Großeltern haben immer mit Interesse die kulturellen Unterschiede ihrer Freunde wahrgenommen und sich im großen Kreis als Gemeinschaft gefühlt. Doch ihre Freundlichkeit kann die zunehmend aggressive Stimmung im Umfeld nicht stoppen.

Nach dem Tod der Großeltern zieht Hanna, die jahrelang in einer anderen Stadt gelebt hat, zurück in deren Wohnung in der inzwischen in die Jahre gekommenen Siedlung. Während die Erinnerungen sie zu erdrücken scheinen, versucht sie, die Freundschaft zu Cem und Zeyna wieder aufzunehmen. Von Beginn an liegt über allem ein großes Fragezeichen, denn damals ist etwas geschehen, dass einen Bruch zwischen Hanna und ihrer Freundin bewirkt hat. Deutlich spürbar ist die Einsamkeit der Protagonistin, die nicht nur mit Verlusten klarkommen muss, sondern auch mit den Einschränkungen der Pandemie.

Der Sprachstil von Rasha Khayat trifft ohne Ausschweifungen den Kern der aufgeworfenen Probleme auf den Punkt und ist gerade dadurch tief berührend. Hanna verhält sich in ihrer Traurigkeit nachvollziehbar. Die Autorin kennt das Umfeld einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet aus eigener Erfahrung. Sie hat einige Jahre in Arabien gewohnt, auch weil ihr Vater von dort gebürtig ist, und sicherlich die aufgeheizte Gemütslage ab den ersten Jahres des neuen Jahrtausends selbst erlebt. Diese beiden Welten vereinen sich in ihrem Roman und verleihen ihm eine starke Authentizität.

„Ich kehre nie zurück“ ist eine Geschichte über Freundschaft, Wahlverwandtschaften, Trauer und Einsamkeit, bringt aber einen eine gehörige Portion Hoffnung mit sich, dass sich einiges zum Guten wenden lässt. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere