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Veröffentlicht am 10.02.2023

Bis wir uns wiedersehen

Das Buch der verschollenen Namen
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»Dieser religiöse Text«, hat Kühn dem Reporter erzählt, »ist mein Lieblingsbuch unter den zahlreichen Geheimnissen, die in unseren Regalen schlummern. 1732 in Paris erschienen, ist es ein sehr seltenes ...

»Dieser religiöse Text«, hat Kühn dem Reporter erzählt, »ist mein Lieblingsbuch unter den zahlreichen Geheimnissen, die in unseren Regalen schlummern. 1732 in Paris erschienen, ist es ein sehr seltenes Buch, aber das ist nicht, was es so außergewöhnlich macht. Es ist einzigartig, weil wir darin ein faszinierendes Rätsel finden: eine Art Code. Wem hat es gehört? Was hat der Code zu bedeuten? Wie kamen die Deutschen während des Kriegs in seinen Besitz? Das sind die Fragen, die mich verfolgen.«

Im Jahr 2005 begegnet der Leser einer resoluten und überaus rüstigen Eva Abrams. Mit 86 Jahren arbeitet sie noch immer in einer nahe gelegenen Bibliothek und scheut auch vor einer spontanen Reise nach Berlin nicht zurück, nachdem sie in einer Zeitung ihr verloren geglaubten Buch aus Kriegszeiten entdeckt hat. Ihre Familie betrachtet sie als "Heimchen am Herd", da Eva ihnen ihre Vergangenheit verschwiegen hat...

Frankreich 1942: die jüdische Eva Traube, Tochter polnischer Einwanderer, strebt im Alter von 23 Jahren einen Doktortitel in englischer Literatur an. Als ihr Vater mitten im der Nacht von der deutschen Polizei abgeholt wird, ist es an Eva, ihre Mutter und sich selbst zu retten. Doch dann trifft sie Rémy...

Ich freue mich immer auf die Bücher von Kristin Harmel (vor allem jene, die auf zwei Zeitebenen spielen). Spätestens seit "Heute fängt der Himmel an" zählt sie zu meinen Lieblingsautoren und ich greife bei Neuerscheinungen quasi blind zu. Obwohl ich wenig Lust auf einen weiteren Abstecher ins besetzte Frankreich hatte, wurde ich schnell eines Besseren belehrt. In jeder Geschichte der Autorin findet sich etwas Neues, Unerwartetes.

Eva war mir vom ersten Moment an sympathisch und ich habe sie gern auf ihrem Lebensweg begleitet. Die Protagonisten sind glaubwürdig und gut charakterisiert, allerdings konnte ich das fordernde Verhalten von Eva's Mutter nicht immer nachvollziehen und empfand dies als recht anstrengend. Das Ende hätte hingegen gern ein wenig ausführlicher sein dürfen.

Interessant fand ich außerdem die "stillen Helden": ein hochaktuelles Thema - wenn auch in anderem Kontext unserer Gesellschaft - welchem für mein Dafürhalten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

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Veröffentlicht am 10.02.2023

"Es liegt nicht allein der Schatten des Berges über dem Dorf"

Talberg 1935
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Als eher zurückhaltender Leser von Krimis, habe ich mich sehr auf das Überraschungsbuch gefreut, versprach der Klappentext doch spannende Unterhaltung.

66 Kapitel verteilen sich auf 400 Seiten: auf den ...

Als eher zurückhaltender Leser von Krimis, habe ich mich sehr auf das Überraschungsbuch gefreut, versprach der Klappentext doch spannende Unterhaltung.

66 Kapitel verteilen sich auf 400 Seiten: auf den Prolog folgen Buch Elisabeth und Buch Johannes. Der Perspektivwechsel sorgt für neue Einblicke, obwohl der Erzählstil in der 3. Person beibehalten wird. Daher wirken die ohne minimal charakterisierten Protagonisten jedoch distanziert. Gerade zu Beginn hat man den Eindruck als reihen sich verschiedenen Episoden aneinander. In Kombination mit dem abschweifenden Erzählstil ergibt sich eine gewöhnungsbedürftige Mischung. Mit fortschreitender Handlung wird ein roter Faden erkennbar und auch die mystischen Aspekte werden vollständig geklärt. Das Cover passt in dieser Hinsicht sehr gut zum Inhalt des Buches. Vor allem der erste Teil erinnert entfernt an ein Kammerspiel mit klassischer Suche nach dem Mörder. Dem Klappentext habe ich nichts hinzuzufügen, außer dass die Thematik in Bezug auf Individualität einzelner Personen hochaktuell ist. (Ausgrenzung aus der Gesellschaft aufgrund vom allgemeinen Unverständnis anders zu sein)

Ich breche selten und ungern Bücher ab - hier habe ich mehrfach zu Beginn darüber nachgedacht. Nach knapp 50 Seiten hat sich das Durchhalten gelohnt und der Lesefluss samt Handlung nahm am Fahrt auf. (Vor allem nachdem die Schachtelsätze und endlosen Aufzählungen weniger wurden.) Den Schauplatz konnte ich mir aufgrund der zeitgemäßen und regionalen Sprache sehr gut in Bayern vorstellen. Insgesamt war mir die Geschichte zu düster und konnte aufgrund der Distanz zu den Protagonisten nur mäßig mein Interesse aufrechterhalten. Die Handlung verliert sich in detaillierten Beschreibungen von Nebensächlichkeiten, was zu Längen führt. Allerdings handelt es sich laut Cover, um einen Roman und keinen Krimi, daher ist vielleicht nicht von durchgehender Spannung und einem anderen Erzähltempo auszugehen. Im Nachwort erwähnt der Autor jedoch ausdrücklich, dass es sich eine „Thriller-Reihe" handelt – davon habe ich nichts bemerkt… Die Fortsetzung werde ich wohl eher nicht lesen.

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Veröffentlicht am 10.02.2023

Ekel, Scham, Angst & Stolz

Man kann Müttern nicht trauen
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Als pragmatische, kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch Abwechslung beim Lesen und habe mich bewusst auf meine erste Monografie ...

Als pragmatische, kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch Abwechslung beim Lesen und habe mich bewusst auf meine erste Monografie eingelassen. Diese Romanform definiert sich als eine umfassende, in sich vollständige Abhandlung eines bestimmten Themas, Problems bzw. einer Person. Im Nachhinein würde ich den Debütroman von Andrea Roedig als eine Art Retrospektive einordnen, einen Versuch zu verstehen...

Der Einstieg in die Geschichte ist mir nicht leicht gefallen. Trotz des emotionalen Auftaktkapitels hatte ich Schwierigkeiten mit dem Stil von Andrea Roedig. In überwiegend chronologischen Episoden werden die Lebenswege fremder Frauen nachgezeichnet: von Oma Gertrud, Mutter Lilo bis hin zur Autorin selbst. Die distanzierten Verhältnisse spiegeln sich auch sprachlich wider: es braucht etwas Zeit sich an die Erzählperspektive zu gewöhnen. Zitate aus Tagebüchern beeinträchtigen den Lesefluss ebenso wie gezielte häufige Wortwiederholungen. Durch längere Aufzählungen und Schachtelsätze mit vielen Einschüben wirkt der Text abgehackt. Hier ein Beispiel: „In den einzeilig auf Rechenpapier beschriebenen Zeilen meines Tagebuchs, in den unendlichen Fluten der Buchstaben, ganz am Ende eines langen Eintrags, in dem ich mich darüber auslasse, wie eingefangen ich mich fühle und dass ich so sehr hoffe, mit der Freundin Simone zum Düsseldorfer Rosenmontagszug gehen zu können, wenn sie doch nur anriefe, steht dieser Satz: »Gestern sagte Oma mir, dass Mami angerufen hatte.«

In einem Interview fasst die Autorin ihr Werk treffend zusammen: "Das Buch erzählt in autofiktionaler Weise die Geschichte meiner Mutter, die die Familie verließ, als ich 12 Jahre alt war. Es ist eine persön­liche Auseinandersetzung mit der Frage, wer diese Frau war, die mir zeitlebens fremd geblieben ist, und zugleich erzählt das Buch über ein Frauenleben in den 60er- und 70er-Jahren, über Wünsche, Hoffnungen und Befreiungsversuche."

Ich habe mich letztendlich für eine neutrale Bewertung mit drei Sternen entschieden. Es fällt mir schwer ein solch persönliches Werk zu beurteilen, zumal die Handlung überwiegend einseitig geschildert wird. Teilweise fließen Vermutungen in die Verhaltensanalyse ein. In wie weit erfolgt eine Differenzierung von Selbst- & Fremdwahrnehmung der ambivalenten familiären Beziehungen? Entscheiden Sie selbst!

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Veröffentlicht am 10.02.2023

"Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt."

Das verschlossene Zimmer
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Marie ist 2 Jahre alt als ihre Mutter die Familie verlässt. Als junge Frau begibt sie sich auf die Suche nach der Wahrheit... Was ist vor 15 Jahren geschehen? Warum kennt Marie den Namen ihrer eigenen ...

Marie ist 2 Jahre alt als ihre Mutter die Familie verlässt. Als junge Frau begibt sie sich auf die Suche nach der Wahrheit... Was ist vor 15 Jahren geschehen? Warum kennt Marie den Namen ihrer eigenen Mutter nicht?

Krakau, 1939: Dominik Karski ist Facharzt für Chirurgie und Spezialist für die neu aufgekommene Forschung mit Bakterien und Infektionen. Während der Abwesenheit der Mutter hat er ein inniges Verhältnis zu seiner einzigen Tochter Marie aufgebaut. Nichtsdestotrotz erscheint die Beziehung ein wenig distanziert als Marie auf der Suche nach einem Hinweis zum Verbleib ihrer Mutter, in das titelgebende Schlafzimmer ihres Vaters eindringt und ein verstecktes Kästchen entdeckt... Als kurz darauf Dominik Karski die Leitung der Klinik angeboten wird, drängen die Ereignisse der Vergangenheit ans Licht...

"Das verschlossene Zimmer" bietet zur Abwechslung eine andere Sichtweise auf die Zeit des Nationalsozialismus und sticht aus der Vielzahl der Romane mit ähnlicher Thematik heraus. Die Hauptprotagonisten, allen voran der ambivalente Dominik Karski, werden glaubhaft charakterisiert. Die Episode der Rettung eines kleinen Jungen weckt Hoffnung und hat mich emotional berührt. Dank Klappentext und umfangreicher Leseprobe war mein Interesse bereits im Vorfeld geweckt, allerdings entwickelte sich die Geschichte anders als erwartet. Maries' Verhalten war für mich z.B. nicht immer nachvollziehbar. Positiv hingegen habe ich die Einblicke in die jüdischen Sitten & Gebräuche sowie die Informationen aus Chemie und Medizin wahrgenommen. Auch der Zeitgeist wird passend widergespiegelt. Hier und da hätte ich mir noch ein wenig mehr Tiefgang gewünscht.

Fazit: ein guter Familienroman, welcher mehrere Zeitebenen des 20. Jahrhunderts umfasst und mit Spannungselementen aufwarten kann.

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Veröffentlicht am 10.02.2023

"Es gibt einen Unterschied zwischen fallen und springen"

Das Fundbüro der verlorenen Träume
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Nachdem mich der Klappentext der Neuerscheinung neugierig machte, habe ich sofort die Leseprobe heruntergeladen. Ich war allerdings recht überrascht, da ich mir aufgrund der originellen Idee eine gänzlich ...

Nachdem mich der Klappentext der Neuerscheinung neugierig machte, habe ich sofort die Leseprobe heruntergeladen. Ich war allerdings recht überrascht, da ich mir aufgrund der originellen Idee eine gänzlich andere Hauptprotagonistin vorgestellt hatte…

"Das ganze Fundbüro hat etwas aus der Zeit Gefallenes an sich, wie ein Museum, ein Archiv der Erinnerungen, eine Bibliothek des Verlusts. Ich glaube, deswegen habe ich mich hier immer zu Hause gefühlt."

Ich-Erzählerin Dot wirkt zu Beginn sehr korrekt, jedoch etwas weltfremd. Die Aussage „Wir hatten alle mal Träume“ ließ auf Enttäuschung schließen – hat sie mehr vom Leben erwartet?

Trotz der angedeuteten Entwicklung, was Dot und Mr. Appleby finden würden, war ich unschlüssig, ob ich die beiden auf ihrem Weg begleiten wollte. Zumindest diese Frage klärte sich als ich das Buch geschenkt bekam._

Über 368 Seiten enthüllt sich langsam Dot's Vergangenheit. Sie ist schon länger Single und arbeitet seit knapp 10 Jahren im titelgebenden Fundbüro. Nachdem ihre Mutter ins Pflegeheim kommt, droht nicht nur der Verkauf der gemeinsamen Wohnung...

Über weite Strecken wirkt die Geschichte trostlos. Nach etwa einem Drittel ändert sich der Ton: Dot wirkt nahbarer. Ich empfinde sie als glaubhaften Charakter, auch wenn ich ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen kann. Der Klappentext beschreibt nicht die Kernthemen des Romans. Daher war der Handlungsverlauf jedoch nicht absehbar.

Die abschweifende, detaillierte Erzählweise empfand ich teilweise als anstrengend, obwohl ich den Schreibstil der Autorin ansonsten als angenehm empfunden habe und die prosaische Sprache die Handlung unterstreicht. Am meisten hat mir über weite Strecken ein wenig Optimismus gefehlt. Allerdings behandelt der Roman auch ernsthafte Themen wie Demenz, Schuld, Schicksalsschläge und Verantwortung.

Neben dem ansprechenden Cover sticht auf jeden Fall der Aufbau hervor: jedem Kapitel ist die Beschreibung eines bestimmten Fundstücks vorangestellt. London ist ein geeigneter Schauplatz für die Geschichte.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat, welches die Essenz des Romans beschreibt: "Das Leben hat so viel zu bieten...glückliche Zufälle, Aufregendes, Hoffnung. Doch durch alles zieht sich auch der Verlust. Wollte man diesen einen Faden heraus ziehen, würde sich das ganze Gewebe auflösen. Verlust ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen."

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