Profilbild von GrueneRonja

GrueneRonja

Lesejury Star
offline

GrueneRonja ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit GrueneRonja über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.02.2022

Langweilige Handlung und blutrünstige Protagonistin

Cursed - Die Auserwählte
0

Ronja von Oceanlovers Rezension dieses Buches hat mich so mitgerissen, daß ich neugierig darauf wurde und es auf meine Wunschliste setzte. Die Serie kenne ich nicht und habe auch nicht vor, sie mir anzuschauen, ...

Ronja von Oceanlovers Rezension dieses Buches hat mich so mitgerissen, daß ich neugierig darauf wurde und es auf meine Wunschliste setzte. Die Serie kenne ich nicht und habe auch nicht vor, sie mir anzuschauen, denn ich habe mich von Anfang an durch Cursed gequält.
Zu Beginn war ich von der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse und anschließend von der Protagonistin Nimue verwirrt. Nimue gehört zum Volk der Himmelsmenschen, eine Unterart der Fey. Zu den Fey gehören unterschiedliche Völker mit auffälligen oder unauffälligen Eigenschaften, wie zum Beispiel Geweihen, doch sie alle beten in irgendeiner Weise die Alten Götter an. Bei den Himmelsmenschen heißen diese Götter die Verborgenen und Nimue ist von ihnen in Form von Visionen gezeichnet. In ihrem eigenen Dorf ist sie eine Außenseiterin und Hexe, obwohl ihre Mutter die Erzdruidin ist und hohes Ansehen genießt.
Gleich zu Beginn wird Nimues Dorf von den Roten Paladinen abgebrannt und die Dorfältesten an Kreuzen hingerichtet. Nimue gelingt nur durch das Opfer ihrer Mutter die Flucht, mit einem ihr unbekannten Schwert in der Hand und dem Auftrag, es zu Merlin zu bringen. Mit Mühe und Not entkommt sie nicht nur den Roten Paladinen, sondern auch einem Rudel Wölfe. Geholfen hat ihr dabei das Schwert, obwohl sie nie gelernt hat, damit zu kämpfen. Fortan wird sie die Wolfbluthexe genannt und von den Roten Paladinen gejagt.

Nimue handelt kopflos, folgt manchmal ihrem Bauchgefühl oder den Eingebungen durch die Verborgenen, und lässt sich von Menschen und Fey beeinflussen, die sie nicht kennt. Sie wird durch die Macht des Schwertes berauscht, von der Trauer über den Tod ihrer Mutter und der Auslöschung ihres Dorfes verblendet und ist meistens planlos. Ihr Charakter, ihr Verhalten und ihre Moral sind fragwürdig, wie auch die Menschen und Fey an ihrer Seite.
Nur das Treffen mit Merlin hat etwas Hoffnung geweckt, wurde aber direkt wieder begraben. Daß sie Merlin nicht vertraut, obwohl er zu ihr ehrlich war und das Schwer weder für sich noch für seinen König haben wollte, hat sie ihm nicht geglaubt und damit ging alles bergab.
Mich hat die Handlung gelangweilt, weil sie nicht ihr Fahrt gekommen ist, und Nimue empfinde ich als blutrünstig und wenig nachvollziehbar.

Als wäre das alles nicht genug, haben mich auch die Illustrationen abgeschreckt. Weder farbig noch in schwarz-weiß sind sie besonders ansprechend; die Menschen haben kantige, grobe Züge, die Lippen sehen aus wie aufgespritzt und es fehlt an Tiefe/ Schattierungen. In schwarz-weiß sehen die Bilder aus wie aus einem Ausmalbuch, nur wesentlich unübersichtlicher. Die farbigen Illustrationen haben nicht zu der Stelle der Geschichte gepasst, während die farblosen sich mehr oder weniger in das Geschehen integriert haben.
Wäre die Handlung von Cursed nur etwas spannender gewesen und die Hauptfigur weniger blutrünstig, hätte ich über die Zeichnungen hinweg sehen können. So war dies leider auf ganzer Linie ein Fehlkauf.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.09.2021

Es fehlt der Antrieb

DIE FAHRT DER STEAMPUNK QUEEN
0

Ich habe dieses Buch als eBook bei einer Leserunde bei lovelybooks gewonnen, wo es zu jeder Episode einen Austausch mit anderen Lesern und den Autoren gab.

„Die Person, der das Schiff gehört, stirbt und ...

Ich habe dieses Buch als eBook bei einer Leserunde bei lovelybooks gewonnen, wo es zu jeder Episode einen Austausch mit anderen Lesern und den Autoren gab.

„Die Person, der das Schiff gehört, stirbt und niemanden scheint das groß zu interessieren.“ (S. 145)

Die Fahrt der Steampunk Queen ist eine Kurzgeschichtensammlung, die zu einer zusammenhängenden Geschichte wird. In der gebundenen Ausgabe dieses Buches finden sich farbige Illustrationen zu den einzelnen Episoden. So gibt es zu Beginn einen Reiseplan, der stimmig ins Konzept passt und Ich kann mir gut vorstellen, wie jeder Reisegast diesen Plan bei Betreten der Steampunk Queen in die Hand gedrückt bekommt.
Die anderen Bilder untermalten die einzelnen Kurgeschichten, passen aber farblich nicht so gut in das Buch. Wie beim Cover, fehlen mir die typischen Steampunk-Farben. Einige wenige Bilder sind stimmig, doch die meisten sind zu knallig und wirken nach einer Geschichte wie ein Fremdkörper. Am Ende des Buches gibt es eine bildhafte Auflistung der Besatzungsmitglieder und Passagiere.

„Ich glaube nicht, dass so etwas wie die Seele existiert […]. Sie ist nichts weiter als ein Konstrukt, erdacht von jenen, deren Arroganz sie dazu verleitet hat, sich selbst mehr Bedeutung beizumessen, als ihnen gebührt.“ (S. 95)

Zwölf Autoren, Dreizehn Geschichten, und das einzige, was sie wirklich verbindet ist der Ort des Geschehens: der Dampfer Steampunk Queen. Gleich in der ersten Geschichte von Gerd Scherm: Die Vorgeschichte zur Fahrt der Steampunk Queen erfährt der Leser, wie das Schiff zu dem Namen gekommen ist, „das nach Wunsch von Lord Summer Steampunk Queen heißen sollte.“ (S.12) Dabei kommt die Frage auf, warum ein Brigadier der britischen Armee und Lord zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Schiff „Steampunk“ nennen sollte, da dies doch die Bezeichnung des Genres der Kurzgeschichten ist und „Punk“ eher abwertend genutzt wurde. Im Mittelalter hat sich auch niemand als „mittelalterlicher Priester“ bezeichnet, sondern einfach als Priester.
Obwohl es dampfbetriebene Maschinen und Wunderwerke gibt, sind sie nicht so alltäglich wie in anderen Geschichten aus diesem Genre. Sie fallen wie Fremdkörper auf und werden von anderen Menschen seltsam begutachtet. Besonders steampunkig ist keine Geschichte und mit ihren fabelhaften Wesen wie Elfen, Vampire und Geister erinnern sie eher an das Fantasy-Genre. Hinzu kommen die gleichen historischen Ereignisse (Aufstände der italienischen Faschisten) und politischen Richtungen (Kommunisten), wie sie in unserer Welt existieren, was der Illusion einer dampfbetriebene, besseren Welt den Antrieb nimmt.
Die Passagiere und Besatzungsmitglieder sind so unterschiedlich, wie sie zahlreich sind. Unter ihnen Archäologen, Ermittler, Vampire, einedampfbetriebener Androiden, eine schwarze Sängerin, Erfinder und Menschen mit magischen Begabungen, ein Heizer mit einem Splitter im Kopf, der das Flüstern der Maschinen hört, und eine Frau, die gedanklich Maschinen reparieren kann.
Neben dem Ort des Geschehens, finden sich zuweilen kleine Anspielungen auf andere Geschehnisse, die die Kurzgeschichten verbinden. So hat der Androide die Vermutung, jemand wäre in seine Kabine eingebrochen, während ein paar Geschichten später ein Passagier genau dies in seinem Wahn tut. Obwohl bereits zu Beginn eine Leiche erwähnt wird, fragt man sich bis zur Vorletzten Episode, wie es dazu gekommen und was aus dem Mörder geworden ist.
Vielleicht liegt es an meinen Erwartungen, denn der Text in der Leserunde ließ auf Ermittlungen und Abenteuer schließen.
„Kommt mit auf die Reise der Steampunk Queen, einem Schaufelraddampfer auf Jungfernfahrt. Eine illustre Gesellschaft hat sich gefunden, aber es gibt auch Reisende der zweiten und dritten Klasse. Noch bevor die Fahrt beginnt, gibt es eine Tote und bei der wird es nicht bleiben. Immer wieder verschwinden Menschen spurlos. Was hat es wohl damit auf sich?“ (https://www.lovelybooks.de/autor/Marianne-Labisch/DIE-FAHRT-DER-STEAMPUNK-QUEEN-2928721538-w/leserunde/3133138302/3133142276/#thread)

Marianne Labischs: Das Tagebuch der Laura März ist eine Zusammenfassung der Ereignisse auf der Steampunk Queen und sucht die Lösung der vielen Vermissten und Toten. Gerd Scherms: Der Bericht des Kapitäns beendet die Jungfernfahrt. Beide Geschichten haben mir von der Idee her gut gefallen, jedoch erscheint die Erzählweise der letzten Episode wie ein schnelles Abarbeiten der Geschehnisse. Diese Wirkung hatte schon die Einführung in das Buch vom gleichen Autor: Die Vorgeschichte zur Fahrt der Steampunk Queen. Dort hatte ich den Eindruck eines Referats vor einer Schulklasse, in der alle Fakten möglichst kompakt vorgetragen werden, wobei der Vorträger nervös ist und besonders schnell redet.

Ein paar Geschichten haben mich auf Grund ihrer Melancholie (Christian Künne: Thalassas salzige Tränen), des alles durchdringenden Wahns (Sascha Dinse: Eidolon) oder des überraschenden Endes (Arno Endler: Das Scheitern des Erfinders) angesprochen. Die Mehrzahl jedoch war nicht sehr fesselnd, spannungsgeladen oder überragend. Insgesamt hat mir Die Fahrt der Steampunk Queen nicht gefallen und ich habe das Ende herbeigesehnt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2021

langweiliger Beginn einer Saga

Die Saga von Whalea / Whalea
0

„Ben konnte es kaum glauben. Diese schrullige Alte hatte ihn vorgeführt. Und sein Auto demoliert. Einfach so, vor allen Leuten. Am Ende hatte sie ihn stehen lassen wie einen Deppen.“ (S. 23)

Niemand weiß, ...

„Ben konnte es kaum glauben. Diese schrullige Alte hatte ihn vorgeführt. Und sein Auto demoliert. Einfach so, vor allen Leuten. Am Ende hatte sie ihn stehen lassen wie einen Deppen.“ (S. 23)

Niemand weiß, worum es geht, aber alle machen mit. Als Ben durch unglückliche Umstände nach Whalea gezogen wird, bemüht sich die Wächterin Rosa, ihn zurück in die Menschenwelt zu bringen. Dafür spinnt sie Intrigen und zieht nicht nur ihre Freunde in diese heikle Geschichte, weil sie der Meinung ist: „Ich habe eine Schuld zu begleichen […]“ (S. 61).

Whalea liegt in einer anderen Dimension und ist ein fruchtbares, grünes, wundervolles Land voller Hexen, Drachen, Trollen und allerlei Elfen. Es war einst mit der Menschenwelt verbunden, wurde aber in der Großen Segregation zur Zeit der Hexenverbrennungen von ihr getrennt. Seitdem ist Menschen der Zutritt in diese Dimension verboten.

„Das Alter hatte sie schrumpfen lassen, ihr Rücken war ein wenig gebeugt, die langen, grauen Haare hatte sie streng zurückgekämmt und hochgesteckt.“ (S.18) Rosa ist gebürtige Whaleanerin und Wächterin über ein Portal in die Menschenwelt. Sie ist griesgrämig, streitlustig, herrisch, mürrisch, eigen und trotzdem eine gute Freundin für die Wesen in ihrem Zuhause. „Sein Leben hatte er nur dem Umstand zu verdanken, dass Rosa ihn gefunden und wieder zusammengeschustert hatte.“ (S. 90) Als sie auf Ben in der Menschenwelt trifft, ringt sie um Fassung, denn „Ein einziger Augenblick hatte einen gnadenlosen Krieg in ihr entfesselt, den sie im Traum nicht für möglich gehalten hätte. Grausam und ohne Mitleid kämpfte sie das nieder, was die Erinnerung ihr in diesem Moment zurückgeben wollte.“ (S.22)

Ben von Thalau ist in seinen Mittdreißigern, Banker und besitzt ein hübsches, schnelles Auto, als er Rosa fast anfährt. Diese will ihm eine Lektion erteilen und „stellt sich vor seinen Wagen und verharrte einen Augenblick, bevor ihre gebeugte Gestalt mächtig ausholte und mit aller Kraft die Handtasche wütend auf die hochglanzpolierte Motorhaube donnerte.“ (S. 22) Kurz entschlossen lässt Ben sein Auto am Straßenrand stehen und verfolgt die alte Frau, um sich den Schaden bezahlen zu lassen. Insgesamt ist Ben von Thalau ein flacher Charakter, der bis zum Ende keine nennenswerte Entwicklung durchmacht und eher einem Stein in einem See gleich, der große Wellen schlägt und dann versinkt.

Obwohl die erste Begegnung zwischen Rosa und Ben in einem unterhaltsamen Streit entspringt, ist diese Situation nicht nachvollziehbar. Zuerst befindet sich Rosa auf einem Zebrastreifen, womit sie im Recht gewesen wäre und Ben der Übeltäter. Der weist sie allerdings auf die rote Ampel hin, womit er im Recht wäre. Ihre Reaktion ist übertrieben, doch die wichtigste Frage ist: Was befindet sich in ihrer Handtasche, daß sie einen so großen Schaden anrichtet, den ein reicher Banker nicht in der nächsten Werkstatt ausbessern lassen könnte und sich stattdessen entschließt, die Verfolgung aufzunehmen?

So landet Ben also unverhofft in Whalea in Rosas Haus und sieht sich seltsamen Gestalten gegenüber. Der Weg zurück durch ihr persönliches Portal ist im verwehrt, weil die Tür in der Menschenwelt offen steht und von Whalea aus nicht geschlossen werden kann.
Obwohl Rosa und ihre Gefährten fieberhaft einen Weg zurück suchen, behält sie ihre wahren Beweggründe, dem obersten Hexenmeister Bens Anwesenheit zu verschweigen, für sich. Es folgt ein Rückblick in Rosas Vergangenheit von 1744, die eine an den Haaren herbeigezogene Schuld produziert.
Vor der Großen Segregation hat Rosa eine Zeit in der Menschenwelt als Frau von Benjamin von Thalau verbracht, dem der Ben der heutigen Zeit sehr ähnlich sieht. Sie beobachtet monatelang, wie ihr Mann der Aufmerksamkeit einer Magd erliegt und diese anschließend sein Kind austrägt. Aus Rache spinnt Rosa ein Geflecht aus Intrigen und Lügen, um die Magd als Hexe verbrennen zu lassen und nimmt ihr vorher das Kind weg, um es ihrem Mann als Beweis, daß sie von seinem Fehltritt weiß, in die Arme zu legen und ihn zu verlassen. Ihr gesamtes Verhalten, von den Beobachtungen bis zu ihrem Lügengeflecht, sind ein unsinniger Grund für eine spätere Schuld.

Obwohl die Dimension Whalea durch die verschiedenen Wesen und deren Geschichte und Politik vielseitig und durchwachsen klingt, ist der Start in die Saga von Whalea ein langweiliger. Die Protagonisten sind leer oder unsympathisch, nur die Nebencharaktere sind unterhaltsam. Rosas Reise in ihre Vergangenheit lässt sie nur noch intriganter und giftiger erscheinen, als bei der ersten Begegnung mit Ben. Durch ihr herrisches Auftreten erweckt sie eher den Eindruck einer strengen Gouvernante, statt einer hilfsbereiten Freundin.
Whalea hat mich nicht verzaubert und ich werde weitere Teile dieser Saga meiden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.05.2021

Warum die Angst männlich ist ...

Winterseele. Kissed by Fear
0

„Er will mich wieder provozieren. Meine Grenzen austesten. Die Leere in meiner Seele durchdringen.“ (S. 5)

Gefühle und Elemente treten in menschlicher Form auf und beeinflussen die Menschen durch ihre ...

„Er will mich wieder provozieren. Meine Grenzen austesten. Die Leere in meiner Seele durchdringen.“ (S. 5)

Gefühle und Elemente treten in menschlicher Form auf und beeinflussen die Menschen durch ihre Gegenwart. Nur Elizabeth kann sie in dieser Gestalt sehen, obwohl deren Einfluss nicht auf sie wirkt. Denn in Elizabeth ist nur eine große schwarze Leere. Sie versucht den Menschen gegenüber normal zu sein, doch wissen sie alle ganz genau, daß etwas mit ihr nicht stimmt. Ihre Mutter hat Angst vor ihr, ihr Vater schlägt sie, und die Kinder in der Schule nennen sie „Freak“.

Winterseele ist einer gefühlsleeren Umsetzung zum Opfer gefallen. Obwohl es in dem Buch hauptsächlich um Emotionen geht, konnten diese beim Lesen nicht geweckt werden. Elizabeth agiert durch Beobachtung, wie andere sich verhalten, und versucht dieses Verhalten zu kopieren. Meistens durchdenkt sie Situationen und entscheidet, wie sie zu reagieren hat. Manchmal reagiert sie jedoch entgegen der logischen Folgerungen und macht viele Situationen nicht nachvollziehbar.
Eine Beziehung zu ihren Eltern ist im Prinzip nicht existent. Wenn sie von ihnen spricht, nutzt sie hauptsächlich ihre Vornamen, wodurch eine Distanz zum Ausdruck gebracht wird. Ihre Mutter hat offensichtlich Angst vor ihr, mehr noch als vor dem betrunkenen, gewalttätigen Ehemann. Dieser lässt seinen Frust auch an Elizabeth aus und trotzdem erzählt sie der Schulpsychologin, daß sie von einer Kuh getreten wurde. Dieses Verhalten würde für Angst vor dem Vater oder ein Schutzbedürfnis für die Mutter sprechen und ist damit widersprüchlich zu der großen schwarzen Leere.
Bei der ersten offenen Begegnung mit dem Gegenspieler, kommt so viel Spannung und Mitfiebern auf, wie Elizabeth Gefühle hat. Dabei wurde durch das Verhalten der anderen Emotionen ein furchteinflößendes Bild geschaffen, welches den Erwartungen nicht gerecht wurde.

Alle Emotionen und Elemente, die auftreten, haben deutsche Namen. Nur Fear nicht. Vermutlich macht es im Deutschen keinen Sinn, daß die Angst ein gutaussehender Mann ist. „Mut – Fears Bruder und natürlicher Feind – musterte mich von oben bis unten.“ (S. 39)

Winterseele – Kissed bei Fear ist eine Enttäuschung. Die Liebesgeschichte wirkt aufgesetzt, Elizabeth unecht und ihr Verhalten mit ihren Eltern künstlich, um einen weiteren Konflikt heraufzubeschwören. Dabei geht die eigentliche Geschichte um Elizabeths Leere unter und der Gegenspieler wirkt längst nicht so furchteinflößend, wie er sollte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.03.2021

Zu viele Themen

Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan
0

„Das Leben ist wie barfuß laufen. Manchmal habe ich frisches, kühles Gras unter den Füßen. Manchmal weiche Tannennadeln, warm von der Sonne und federnd bei jedem Schritt. Aber die meiste Zeit stolpere ...

„Das Leben ist wie barfuß laufen. Manchmal habe ich frisches, kühles Gras unter den Füßen. Manchmal weiche Tannennadeln, warm von der Sonne und federnd bei jedem Schritt. Aber die meiste Zeit stolpere ich über spitzen, harten Kies, mit zusammengebissenen Zähnen, und versuche nicht zu schreien.“ (S. 153)

Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan reißt zu viele Themen an, die irgendwie Platz in der Geschichte finden müssen: Trauer, Ärger mit der Mutter, Sanna, Timo und der christliche Glauben, Frau Möller und Prinz Eugen, und ein Brief von Tallys verstorbenem Vater.
Tallys Trauer und ihr daraus resultierendes Verhalten sind für mich nicht nachvollziehbar, da sie besonders empfindlich und teilweise überreagierend erscheint, sodaß ich sie nicht ernst nehmen kann. Einerseits zieht sie sich in sich selbst zurück, vergleicht das mit einer einsamen Insel, andererseits sehnt sie sich nach körperlicher Nähe und Verständnis, aber weder von ihrer besten Freundin Sanna, noch von ihrer Mutter. Mit der Trauer treten die Teenager-Hormone zu Tage, denn sie möchte von starken, männlichen Armen gehalten werden, am besten denen von Mr.Wow.
Nur bei der betagten Frau Möller fühlt sich Tally leicht und ruhig, denn Frau Möller erwartet nichts von ihr und erfreut sich an der Gesellschaft. Als sie ein Foto von ihrem verstorbenen Onkel Eugen zeigt, ist es für Tally „Liebe auf den ersten Blick“ (S. 69) und sie beschließt, eine alternative Geschichte über ihn zu schreiben, in der sie ihre romantischen Phantasien ausleben kann. Diese Geschichte hebt sich in kursiv vom Rest des Geschehens ab.

Talitha Kramer, genannt Tally, erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive. Sie beginnt mit der Beerdigung ihres Vaters und mit der unendlichen Trauer einer verlorenen Tochter. Mir ist bewusst, daß jeder anders trauert, einige besser damit umgehen können als andere, manche sich zurückziehen oder alles hinausschreien. Trotzdem ist Tallys Fluchtinstinkt in sich selbst und aus Situationen, die ihr unangenehm sind, unverständlich, sogar für sie selbst.

Der Ärger mit der Mutter kommen wie typische Teenagerprobleme vor. Ihre aufgeflammte Liebesbeziehung zu ihrem ehemaligen Chef erscheint nicht nur für Tally übereilt. Es wirkt, als hätte die Mutter schon vor dem Tod von Tallys Vater eine Beziehung zu diesem Mann gehabt, was unnötig mehr Probleme zwischen Tally und ihrer Mutter forciert.

Neben der Trauer, der erdachten Liebesgeschichte, dem Ärger mit der Mutter, gibt es noch Tallys eigene Liebesgeschichte. Dabei kommt das Gefühl auf, die Autorin möchte nicht nur Tally vom christlichen Glauben überzeugen, die bis dahin überzeugte Nichtgläubige, aber von der Gemeinde um Sanna und Timo fasziniert ist. Niemand ist so hilfsbereit in einer anonymen Großstadt, wie diese christliche Gemeinde.
Vielleicht sollen die Gespräche über Gott und den christlichen Glauben der oberflächlichen Beziehung zwischen Mr. Wow und Tally mehr Tiefe geben. Dies verdrängt sogar den Missmut über das „Gendern“ in Tallys Gedanken: „Ich finde, das sollte »Versorgungsbeauftragte*r heißen.“ (S. 137). Man zeige mir einen 16jährigen Teenager, der in Gedanken den Gender-Stern verwendet!

Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan ist ein übervolles Buch, was vor allem den Geschmack von Marzipan vermissen lässt, da Tally keines isst.

„Vergiss nie, dass es immer etwas geben wird, was du noch nicht weißt. Das macht die Sache spannend, verstehst du?“ (S. 333)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere