Enttäuschend!
Tiere"Tiere" gehört zu Simon Becketts Erstlingswerken und wurde, wie zuvor weitere frühe Romane des Autors, nun in diesem Monat neu aufgelegt. Wer nun als Leser erwartet, dass diese etwas dünneren Büchlein ...
"Tiere" gehört zu Simon Becketts Erstlingswerken und wurde, wie zuvor weitere frühe Romane des Autors, nun in diesem Monat neu aufgelegt. Wer nun als Leser erwartet, dass diese etwas dünneren Büchlein im Stile der David Hunter Reihe geschrieben sind, wird sicherlich enttäuscht sein, denn obwohl man auch hier schon Becketts Stärke, nämlich den Leser mit unterschwelligem Grusel unterhalten zu können, wahrnehmen kann, reichen sie meiner Meinung nach qualitativ nicht an die neueren Werke heran, sind jedoch, um die Beckett Sammlung komplettieren zu können, eine nette Ergänzung im Bücherregal, zumal ich die Covergestaltung als sehr gelungen betrachte.
Im Fokus der Geschichte steht diesmal Nigel, ein junger, minderbemittelter Mann und Sonderling, der nach dem Tod seiner Eltern nun allein in einem stillgelegten Pub lebt und eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben ist. Er ist ein TV-Junkie; liebt vor allem harmlose Kinderfilme wie Bambi und seine Umwelt nimmt ihn als eher harmlosen und schüchternen Zeitgenossen zur Kenntnis.
Was jedoch keiner ahnt, ist, dass Nigel auch eine dunkle Seite besitzt- er hält in seinem Keller, in seinen Augen lediglich menschlicher Abschaum; Prostituierte und alkoholkranke Obdachlose wie Tiere in Käfigen gefangen und füttert sie mit Hundefutter. Der Grund seines seltsamen Verhaltens offenbart sich dem Leser nur Stück für Stück, etwa wenn Nigel selbst in kindlich naiv gestalteten Rückblenden aus seinem Leben erzählt.
(Kleine Anmerkung: Der Roman ist insgesamt in Ich Form aus Nigels Sicht geschrieben und verlangt dem Leser einiges an Durchhaltevermögen ab, was aus Sicht des Autors wohl witzig wirken soll, rief in mir eher das Gegenteil hervor, da es nicht in meiner Natur liegt, über Menschen zu lachen, die geistig minderbemittelt sind)
Ein wenig erinnert Nigel an eine "böse Forrest Gump Version", doch was in dem Film funktionierte, schlägt hier meiner Meinung nach völlig fehl, da das gewisse Fingerspitzengefühl für manche Situationen hier völlig fehlt. )
Der Stein kommt jedoch erst ins Rollen, als Nigel eines Tages Besuch von zwei Arbeitskolleginnen und einem Freund von diesen bekommt. In eine von den beiden Frauen ist der geistig etwas zurückgebliebene Mann verliebt und seine Angebetete scheint diese Liebe sogar zu erwidern, doch was wird sie tun, wenn sie von seinen sprichwörtlichen "Leichen im Keller" erfährt?
Obwohl dieser Roman als Thriller deklariert ist, fehlen fast sämtliche Zutaten, die einen solchen normalerweise ausmachen. Weder kommt Spannung auf, noch entwickelt man Sympathie für den Romanhelden- wenigstens mir ging es so. Statt wie im Vorwort angekündigt über diverse Szenen zu stolpern, die mit einer Prise schwarzem Humor gewürzt waren, empfand ich im Grunde fast nur Mitleid für den Romanhelden der einfach zu minderbemittelt war, um diverse Scherze, die seine Mitmenschen über ihn machten, überhaupt verstehen zu können und der nicht aus Rache an ihnen zum "Tierhalter" wird, sondern einfach aus mehreren traumatischen Begebenheiten aus seiner Kindheit und Jugend heraus plötzlich zum "Untier" wird.
Man erfährt in diesem 284 Seiten langem Roman sehr viel über Nigels Seelenleben, was jedoch auf die Dauer ein wenig eintönig wird und mich dazu verleitete manche Passagen schneller zu überfliegen. Jedoch gewinnt die Story dann 100 Seiten vor Ende des Romans dann wieder etwas an Fahrt, als Nigels Besuch vor der Tür steht.
Allerdings enttäuschte mich auch diesmal die recht unspannend umgesetzte Szenerie aus der man viel mehr hätte machen können. Außer anzüglichen "Zoten" vom Besuch ausgesprochen, die den Helden, der sich im Grunde seines Herzens doch wünscht, normal zu sein und Freunde zu haben, in Verlegenheit bringen sollen, geschieht lange Zeit nichts. Auch die zärtliche Annäherung zu einer der beiden Frauen ist dann nur noch belanglos zu nennen und langweilt.
Es ist sicherlich kein Roman der fesselnde Spannung vermitteln kann. Man bleibt eigentlich nur als Leser "dran", weil man wissen will, ob Nigels Doppelleben am Ende doch aufgedeckt wird und ob die Menschen im Keller überleben werden.
Lediglich für den dennoch unterhaltsamen Schreibstil vergebe ich 2 Sterne, wobei es sicherlich einige Leser geben wird, die einen völlig anderen Lesegeschmack haben als ich und den Roman vielleicht ganz anders bewerten- schließlich gewann "Tiere" bereits einen Preis für den besten Kriminalroman.