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Veröffentlicht am 30.08.2024

Am Puls der Zeit

Slough House
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Mit Spionageromanen ist das zugegebenermaßen so eine Sache. Oft finde ich die detailreich beschriebenen Aktionen der Agenten ziemlich ermüdend. Mein Interesse ist allerdings sofort geweckt, wenn es Verbindungen ...

Mit Spionageromanen ist das zugegebenermaßen so eine Sache. Oft finde ich die detailreich beschriebenen Aktionen der Agenten ziemlich ermüdend. Mein Interesse ist allerdings sofort geweckt, wenn es Verbindungen zu aktuellen Geschehnissen gibt. Und wessen Romane wären dazu besser geeignet als die von Mick Herron, Autor der „Slow Horses“ Reihe, der es wie kein anderer versteht, Bezüge zu dem politischen Tagesgeschäft in GB mit einer gehörigen Portion Sarkasmus herzustellen. So auch in „Slough House“; Band 7 der Reihe.

Nach dem Du-weißt-schon-was hat sich die politische Landschaft in GB verändert. Gelbwesten-Protestler bevölkern die Straßen und lösen bei den Politikern Schnappatmung aus, fragwürdige Nachrichten buhlen in den Kanälen eines solventen Medienmoguls um Aufmerksamkeit, ein russischer Agent wird ermordet. Und das ist nur die Spitze des „Eisbergs der schmutzigen Geschäfte“, die Diana Tavener und Peter Judd, beide hinlänglich aus den Vorgängern bekannt, einmal mehr am Laufen haben.

Es zeigt sich, dass im Regent’s Park das Tagesgeschäft noch immer nach den gleichen alten Regeln abläuft, à la auch wenn es nicht immer hasenrein vonstattengeht, sieh zu, dass du den größtmöglichen persönlichen Vorteil aus deinen Aktionen ziehst. Und wenn dabei Menschenleben geopfert werden müssen, sind das lediglich Kollateralschäden, die dir keine schlaflosen Nächte bereiten sollten.

Wie gewohnt jongliert Herron mit diversen Handlungssträngen, die alle direkt oder indirekt Lambs Truppe betreffen. Warum wurden die persönlichen Daten der Slow Horses aus den Regierungscomputern gelöscht? Wer ist für den Tod seiner beiden ehemaligen Joes verantwortlich? Und wenn die Einschläge näher kommen, ist dann etwa die gesamte Truppe in Lebensgefahr? Üblicherweise ist Jackson Lamb ja gegenüber allem und jedem absolut gleichgültig, aber wehe, es hat jemand auf seine Joes abgesehen, dann ist Schluss mit lustig, denn das lässt sich mit seinem Ehr- und Verantwortungsgefühl nicht vereinbaren.

Im Original 2021 erschienen, liegen die realen Ereignisse, die den Hintergrund für die Story bilden, doch schon etwas zurück. Aber mit Sicherheit sind die Meldungen noch in den Köpfen der Leser/Leserinnen präsent, haben sie doch über einen längeren Zeitraum Nachrichten und Titelseiten diverser Zeitschriften beherrscht d.h. die Vorbilder aus Politik und Öffentlichkeit sind unschwer zu erkennen. Allerdings hätte ich mir eine etwas mutigere Interpretation der Geschehnisse seitens Herron gewünscht, denn hier bedient er leider dann doch nur die gängigen Narrative. Aber das ist Mäkeln auf hohem Niveau, meine Begeisterung für die Ergänzung dieser außergewöhnlich unterhaltsamen Reihe wird dadurch nicht angetastet.

Aber was ja überhaupt nicht geht, ist dieser fiese Cliffhanger am Schluss. Müssen wir jetzt wirklich ein Jahr auf die Auflösung warten?

Veröffentlicht am 26.08.2024

Schaler Aufguss

Ein mysteriöser Gast
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Molly Gray ist zurück, das Zimmermädchen mit dem besonderen Blick auf das, was sich in ihrem Umfeld ereignet. Mittlerweile dank ihrer Liebe zum Detail zum Chefzimmermädchen im 5-Sterne-Boutique-Hotel Regency ...

Molly Gray ist zurück, das Zimmermädchen mit dem besonderen Blick auf das, was sich in ihrem Umfeld ereignet. Mittlerweile dank ihrer Liebe zum Detail zum Chefzimmermädchen im 5-Sterne-Boutique-Hotel Regency Grand befördert. Und auch in dem zweiten Band der Reihe gilt es, den Mord an einem Hotelgast, dem vielfach preisgekrönten Bestsellerautor J. D. Grimthorpe aufzuklären. Molly fühlt sich in der Pflicht für Lily, ihre Auszubildende und Hauptverdächtige in diesem Mordfall, einzutreten und den Mörder zu entlarven. Nicht zuletzt, weil sie das Mordopfer kannte, denn in ihrer Kindheit hielt sie sich regelmäßig in seinem Anwesen auf, war doch ihre geliebte und mittlerweile verstorbene Granny als Haushaltshilfe des Autors tätig war und musste sie mangels Betreuungsmöglichkeit dorthin mitnehmen.

Konnte Nita Prose in dem Vorgänger „The Maid“ ihre Leserinnen noch mit dieser sympathischen und aus dem üblichen Rahmen fallenden Hauptfigur überraschen, kommt der Nachfolger „Ein mysteriöser Gast“ eher als schaler Aufguss daher. Daran ändern auch die unnötig in die Länge gezogenen und weitestgehend uninteressanten Rückblicke in Mollys Vergangenheit als Kind plus die ausführlichen Beschreibungen der Putzroutinen (ich sage nur Silber auf Hochglanz polieren) leider nichts.

Von Spannung keine Spur, im Gegenteil. Durch unzählige Redundanzen rückt der Kriminalfall zunehmend in den Hintergrund und wird eher zur Nebensache. Und die Auflösung ist eher so lala, denn wer zwischen den Zeilen lesen kann, merkt schon recht früh, wohin der Hase läuft.

Keine Frage, Molly ist, gerade auch durch ihre Naivität, eine liebenswerte Hauptfigur. Aber durch die sich wiederholenden Beschreibungen ihrer fraglos zwanghaften Persönlichkeitsstruktur schadet Prose ihrer Protagonistin, macht sie zu einer Kuriosität. Und das haben andere Autoren weitaus besser und mit mehr Fingerspitzengefühl gelöst, siehe Gil Ribeiro (=Holger Karsten Schmidt) mit seiner Leander Lost Reihe.

2,5 von 5 - aufgerundet

Veröffentlicht am 22.08.2024

Die Dogs auf dem Weg nach Calais

Winterwölfe
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Die Schlacht von Crécy ist geschlagen, die Truppen König Edwards III. haben über die Franzosen gesiegt. Aber nicht alle von Loveday FitzTalbots „Essex Dogs“ haben überlebt, waren sie anfangs noch zu zehnt, ...

Die Schlacht von Crécy ist geschlagen, die Truppen König Edwards III. haben über die Franzosen gesiegt. Aber nicht alle von Loveday FitzTalbots „Essex Dogs“ haben überlebt, waren sie anfangs noch zu zehnt, hat die Gruppe aus Engländern, Walisern und Schotten mittlerweile ihren engen Zusammenhalt verloren und ist auf sechs Männer zusammengeschrumpft. Und auch der erhoffte Reichtum aus dem Feldzug ist ausgeblieben. Die Zahlmeister des Königs, von denen sie ihren wohlverdienten Lohn erhalten sollten, sind spurlos verschwunden oder tot, und alles, was sie an Wertvollem von den Toten auf dem Schlachtfeld erbeuten, müssen sie auf Anordnung des Königs abliefern. Und da sie nicht mit leeren Händen heimkehren wollen, fügen sie sich dessen Befehl und machen sich auf den Weg Richtung Calais, um die gut gesicherte Hafenstadt einzunehmen. Wie erwartet wird dieser Marsch allerdings kein Spaziergang, sondern entwickelt sich zu einer Mission, die Leib und Leben bedroht und einmal mehr von Entbehrung, Erschöpfung und blutigen Auseinandersetzungen geprägt ist.

Wie bereits in „Essex Dogs“ behält der Historiker Dan Jones die verbürgten Fakten im Blick und nutzt sie als Hintergrund für seine Trilogie, in der es nicht, wie leider viel so oft in historischen Romanen darum geht, höfische Pracht und ritterliche Gefühle zu feiern. Jones konzentriert sich auf die Schicksale derjenigen, die ganz am Ende der Nahrungskette stehen, die aus welchen Gründen auch immer ihr Leben in die Waagschale werfen, um ihr Auskommen zu sichern. Sie werden zu beliebig ersetzbaren Schachfiguren für die Könige und Feldherren. Allerdings sollte man auch deren Abhängigkeit von den Geldgebern nicht außer Acht lassen, die, sofern sie nicht über die nötigen Mittel verfügen, ihre Kriege finanzieren und im Hintergrund nicht nur Intrigen spinnen, sondern auch ihre Profitinteressen nicht aus dem Blick verlieren.

Aus dieser Verbindung von Fakten (am Ende des Buchs gibt es die zehnseitigen Anmerkungen des Historikers plus Literatur-Liste) und Fiktion entsteht so ein unterhaltsamer und fesselnder historischer Roman über eine von kriegerischen Auseinandersetzung geprägte Epoche des dunklen Mittelalters, der die Vorfreude auf den abschließenden Band der Trilogie schürt.

Veröffentlicht am 21.08.2024

Innenansichten

Der Ire
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Die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs. Berlin liegt in Trümmern. Unter diesen tauchen zwei Schriftstücke auf, in deren Zentrum der Ire steht.

Frank Pike aka Finn McCool, irischer Doppelagent. Adrian ...

Die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs. Berlin liegt in Trümmern. Unter diesen tauchen zwei Schriftstücke auf, in deren Zentrum der Ire steht.

Frank Pike aka Finn McCool, irischer Doppelagent. Adrian de Groot aka Johann Grotius, deutscher Führungsoffizier. Der Eine ein schillernder Hansdampf in allen Gassen, der Andere ein intellektueller Denker, miteinander verbunden seit der Befreiung des Einen durch den Anderen aus dem spanischen Gefängnis. Doch nichts ist umsonst, vor allem nicht die Freiheit, denn Pike muss sich verpflichten, sich in die Dienste der Nationalsozialisten zu stellen.

Zwei, die sich ähnlich sind, sich anziehen. Pike, der Mutige und süchtig nach Leben, nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. De Groot, der Grübler, dessen persönliche Geheimnisse ihn seine Reputation, im schlimmsten Fall sogar das Leben kosten könnten. Immer bemüht, den Schein zu wahren, bis er sich entschließt, seinen Freund bei einer waghalsigen Aktion zu unterstützen.

Ein historischer Roman, den ich mangels Spannung nicht wirklich als Thriller bezeichnen möchte, legt der Autor doch mehr Wert auf die Beschreibung des Innenlebens der Protagonisten als auf die der äußeren Umstände. Das führt leider dazu, dass sich die Story stellenweise dann doch sehr in die Länge zieht und ich mehrmals das Buch zur Seite gelegt habe. Dazu dann noch der unzuverlässige Erzähler, ein Kniff, den ich so überhaupt nicht mag. Wer damit kein Problem hat…

Ergo, kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 20.08.2024

Heiße Eisen

Paradise City
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In seinen Thrillern nimmt sich Jens Lapidus immer wieder gesellschaftlich relevanter Themen an, die aktueller nicht sein könnten. So auch in „Paradise City“, seinem neuesten Buch, in dem er ein düsteres ...

In seinen Thrillern nimmt sich Jens Lapidus immer wieder gesellschaftlich relevanter Themen an, die aktueller nicht sein könnten. So auch in „Paradise City“, seinem neuesten Buch, in dem er ein düsteres Bild von Schwedens Zukunft zeichnet. Allerdings könnte aber auch aus naheliegenden Gründen diese dystopische Story in einem x-beliebigen westeuropäischen Land verortet sein, sind doch die Herausforderungen, vor denen Politik und Gesellschaft aktuell stehen, überall nahezu gleich.

Worum geht es? In Stockholm nimmt die Kriminalität rasant zu, was im Wesentlichen der sozialen Ungleichheit und der wachsenden Zahl der Migranten zugeschrieben wird. Bandenkriege, Drogenhandel und Schießereien gehören zum Alltag, die Polizei richtet Sonderzonen ein, was allerdings nicht den gewünschten Effekt hat. Es bilden sich Parallelgesellschaften, die Gewalt eskaliert weiter, also zieht man, um die Bevölkerung zu schützen, hohe Mauern um diese Gebiete, deren Bewohner sie zukünftig nur noch nach intensiven Sicherheitskontrollen verlassen oder betreten dürfen. Zusätzlich werden strafverschärfende Maßnahmen eingeleitet. Nach drei Verurteilungen erhält der Bewohner eines sozialen Brennpunkts den Status eines BOP, was bedeutet, dass er zum einen den Anspruch auf die Sozialleistungen wie z.B. Krankenversicherung verliert, zum anderen nach dem vierten Verstoß lebenslänglich weggesperrt wird.

Eine dieser Sonderzonen ist Järva, Paradise City genannt, und ausgerechnet dort will die Innenministerin eine Wahlkampfveranstaltung abhalten. Natürlich kommt es, wie es kommen muss. Es gibt Tumulte, Handgemenge, Ausschreitungen, Verhaftungen. Schüsse fallen, und die Ministerin wird entführt, nicht zuletzt, weil ihre Personenschützerin sich an die Vorschriften des Regelwerks gehalten und nicht der Situation angemessen reagiert hat. So sehen es zumindest ihre Vorgesetzten.

Es steht außer Frage, dass man alles tun muss, um die Ministerin zu befreien. Fakt ist allerdings, dass die Offiziellen, in diesem Fall Sondereinheit und SÄPO, um Leib und Leben fürchten und sich nicht ins Innere von Paradise City trauen.

Unter den Verhafteten ist auch Emir, ehemaliger Mixed Martial Arts Kämpfer, mittlerweile bereits dreimal verurteilt, nierenkrank und auf regelmäßige Dialyse angewiesen. Um diese zu finanzieren treibt er Schulden ein und begeht mit Isak, seinem Freund aus Kindertagen, in Järva Raubüberfälle, bei denen reichlich Geld zu holen ist. Das war auch an diesem Tag geplant, hat aber in einer Katastrophe geendet. In dem Tumult trifft Emirs Kugel versehentlich den Kopf seines Freundes, Emir selbst wird verhaftet, inhaftiert und wartet nun auf seinen Prozess. Ihn guckt man sich für die Befreiungsaktion aus.

Hat er denn eine Wahl? Nein, zumal damit gedroht wird, Isak die notwendige Behandlung zu verweigern, was einem Todesurteil gleichkommt. Emir würde begnadigt, sein Status revidiert, was auch seine finanziellen Probleme lösen würde. Fünf Tage bleiben bis zur nächsten Dialyse, in diesem Zeitraum muss die Aktion abgeschlossen und die Ministerin befreit sein, andernfalls wird nicht nur Emir an Nierenversagen sterben.

„Paradise City“ ist ein dystopischer Thriller mit jeder Menge Action, der aber zugleich auch einiges an Denkanstößen durch die Fokussierung auf Themen bietet, die aktuell für unsere westlichen Gesellschaften relevant sind. Natürlich bleibt das eine oder andere Klischee nicht aus, vor allem dann, wenn es darum geht, die Verantwortlichen für die Entführung zu entlarven und zur Rechenschaft zu ziehen. Häufige Szenenwechsel sorgen für hohes Tempo und halten die Spannung auf einem konstant hohen Level. Auch wenn die Ähnlichkeiten von Ausgangslage, Setting und Hauptfigur mit John Carpenters Film „Die Klapperschlange“ kaum zu übersehen sind…ich habe Emir gerne auf seiner Mission begleitet, ihm die Daumen für einen erfolgreichen Abschluss gedrückt und mich über seine persönliche Entwicklung gefreut. Daumen hoch!