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Veröffentlicht am 27.03.2024

Einblicke in die jüdische Glaubenswelt

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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Nach ihrer Hochzeit sind Chani und Baruch nach Jerusalem gezogen, wo Baruch für seine Zukunft als Rabbiner den Talmud studiert und Chani in einem Blumenladen arbeitet. Ihr Glück wäre vollkommen, wenn sich ...

Nach ihrer Hochzeit sind Chani und Baruch nach Jerusalem gezogen, wo Baruch für seine Zukunft als Rabbiner den Talmud studiert und Chani in einem Blumenladen arbeitet. Ihr Glück wäre vollkommen, wenn sich endlich Nachwuchs ankündigen würde, doch leider waren bisher alle Bemühungen diesbezüglich vergebens. Als die Erwartungen von außen immer mehr zunehmen, entschließt sich das Paar, mit finanzieller Unterstützung von Baruchs wohlhabenden Eltern, in London eine Klinik für Kinderwunsch aufzusuchen. Der Befund lässt wenig Hoffnung, den Chanis fruchtbare Tage fallen genau in die Zeit, in der nach den strengen jüdischen Gesetzen das Paar sexuell enthaltsam sein sollte. Zufällig trifft Chani ihre einstige Brauthelferin Rivka Zilberman, die sich inzwischen von ihrem Ehemann Chaim getrennt hat und versucht, sich außerhalb der jüdischen Konventionen ein eigenes Leben aufzubauen. Wird Rivka eine Lösung für Chanis und Baruchs Problem finden? …

Eve Harris ist eine britische Schriftstellerin und wurde 1973 in London als Tochter polnisch-israelischer Eltern geboren. Sie arbeitete zwölf Jahre als Lehrerin für Englisch an katholischen und jüdisch-orthodoxen Mädchenschulen in London und Tel Aviv. Ihr erster Roman „Die Hochzeit der Chani Kaufman“ stand 2013 auf der Longlist des Man Booker Prize. Eve Harris lebt mit Mann und zwei Kindern in London.

Mit viel Feingefühl und Toleranz schildert die Autorin die für Außenstehende kaum verständlichen Bräuche und Rituale der jüdischen Religion. Dabei stellt sie nicht die Religion selbst oder gar Gott infrage, sondern prangert die teils unmenschlichen Gebote und Verbote an, die alte Männer vor hunderten von Jahren erlassen haben und auf deren Einhaltung engstirnige religiöse Eiferer auch heute noch bestehen. Dass diese mit List und einigen Tricks auch umgangen werden können, liest man mit vergnüglichem Schmunzeln.

Der Schreibstil ist angenehm schnörkellos und lässt sich gut lesen, lediglich die zahlreichen speziellen jüdischen Ausdrücke (im Anhang befindet sich ein Glossar) stören etwas den Lesefluss. Die wichtigsten Figuren kommen kapitelweise zu Wort, so dass man ihnen sehr nahe kommt und ihre Art zu handeln etwas besser versteht. Auch die Schauplätze wechseln zwischen Jerusalem, Tel Aviv und Golders Green, einem Stadtteil Londons, in dem hauptsächlich orthodoxe Juden wohnen. Trotz dem Bemühen der Autorin mangelt es mir an Verständnis und Toleranz für die mannigfachen Rituale und Regeln in der jüdischen Glaubenswelt.

Fazit: Interessante und spannende Einblicke in die Welt des jüdischen Glaubens wie man sie nicht alle Tage zu lesen bekommt – und gleichzeitig eine einfühlsame Liebesgeschichte.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Einsam, ausgegrenzt und gemieden

Kindheit
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Als Tochter eines Heizers und seiner Frau wächst Tove in den 1920er Jahren in einem Kopenhagener Arbeiterviertel in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihre Kindheit ist nicht einfach, die Familienverhältnisse ...

Als Tochter eines Heizers und seiner Frau wächst Tove in den 1920er Jahren in einem Kopenhagener Arbeiterviertel in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihre Kindheit ist nicht einfach, die Familienverhältnisse bei Ditlevsens sind unterkühlt. Ihre Mutter gibt sich unnahbar, ihr vier Jahre älterer Bruder hat andere Interessen und mit ihrem Vater verbindet sie lediglich die gemeinsame Liebe zu Büchern. Als er dann arbeitslos wird, wird die häusliche Situation noch angespannter. Das Mädchen ist intelligent, aber aufs Gymnasium darf sie wegen Geldmangel nicht gehen. Sie schreibt heimlich Gedichte und wünscht sich sehnlichst Schriftstellerin zu werden, doch ihre Eltern beschließen, dass sie nach der Schule bei reichen Leuten im Haushalt arbeiten und Geld verdienen soll …

Tove Irma Margit Ditlevsen wurde 1917 in Kopenhagen geboren und starb dort 1976 durch Selbstmord. Sie war eine dänische Schriftstellerin von Prosa und Lyrik und war bekannt für ihre autofiktionale Frauenliteratur. Internationale Anerkennung erlangte sie erst nach ihrem Tod, als ihre Memoiren und Texte in andere Sprachen übersetzt wurden. Ihr Leben war überschattet von der schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung und geprägt von vier gescheiterten Ehen, was sich auch stark in ihrer Literatur widerspiegelt. „Kindheit“ ist der erste Band ihrer Kopenhagen-Trilogie, die jetzt erstmals komplett auf Deutsch erhältlich ist.

Von Anfang an beeindruckte mich die flotte und schnörkellose Schreibweise und die wohl mit Absicht „kindlich“ gehaltene Sprache, durch die man ihre triste Kindheit umso plastischer empfindet. Gefühle von Einsamkeit und Verlassenheit wechseln mit greifbarem Geschehen, immer vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Realität in den 1920er Jahren. Dieser erste Band der Trilogie war interessant und spannend zu lesen und weckt durchaus das Interesse, mehr aus dem Leben dieser Schriftstellerin zu erfahren.

Fazit: Ein Buch das berührt und traurig stimmt, gleichzeitig aber durch die Art und Weise des Erzählens fesselt.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Auguste >Gussie< Adenauer – ein Leben zwischen Glück und Leid

Gussie
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Im Februar 1948 liegt im Bonner Johannes-Hospital eine Frau, die nur noch einige Tage zu leben hat - es ist Auguste >Gussie< Adenauer. Ihre Gedanken schweifen zurück, sie erinnert sich: Gussie Zinsser ...

Im Februar 1948 liegt im Bonner Johannes-Hospital eine Frau, die nur noch einige Tage zu leben hat - es ist Auguste >Gussie< Adenauer. Ihre Gedanken schweifen zurück, sie erinnert sich: Gussie Zinsser ist 24 Jahre alt, als sie 1920 den beinahe 20 Jahre älteren Witwer und Vater dreier Kinder, Konrad Adenauer, heiratet. Der Ehe entspringen fünf Kinder, der Erstgeborene stirbt jedoch kurz nach der Geburt. Als Frau des Oberbürgermeisters von Köln begleitet sie ihren Mann oft zu Veranstaltungen, ist selbst aber auch politisch und sozial tätig. Ihr Leben ändert sich entscheidend, als Hitler 1933 die Macht übernimmt. Adenauer wird überwacht, enteignet, gefangen genommen und entgeht nur durch eine List dem Konzentrationslager. Jetzt muss er sich vor den Nazis verstecken und seine Familie allein ihrem Schicksal überlassen. Mit Mut und Kraft versucht Gussie, sich und die Kinder durch die schwierige Zeit zu bringen, bis eines Tages die Gestapo erscheint und sie zum Verhör mitnimmt …

Christoph Wortberg, geb. 1963 in Köln, studierte nach seinem Abitur Germanistik, Philosophie und Geschichte und absolvierte eine Ausbildung zum Schauspieler. Er ist Autor einiger preisgekrönter Jugendromane, mehrerer Kriminalromane und Verfasser zahlreicher Drehbücher für Fernsehproduktionen.

Auguste "Gussie" Amalie Julie Adenauer (geb. Zinsser)
geboren 07.12.1895 in Köln - † gestorben 03.03.1948 in Bonn

Sorgfältige Recherche um größtmögliche geschichtliche Genauigkeit zeichnet diesen biografischen Roman aus. Auf unterhaltsame Weise erleben wir hier ein Stück Zeitgeschichte, flüssig geschrieben und ansprechend aufbereitet. Kurze Kapitel, denen jeweils ein kurzer Auszug aus dem Briefwechsel zwischen Gussie und ihrem Vater bzw. zwischen ihr und Adenauer vorangestellt ist, sowie sehr gut ausgearbeitete Charaktere sind weitere Pluspunkte, die das Lesen dieses Buches zu einem angenehmen Erlebnis machen.

Fazit:* Ein Buch, das ohne zu belehren geschichtliches Wissen vermittelt – sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Ein Tag im Jahr

Wir sehen uns im August
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Wie in jedem Jahr am 16. August, so setzt auch Ana Magdalena Bach diesmal wieder mit der Fähre auf eine Karibikinsel über, um das Grab ihrer verstorbenen Mutter zu besuchen. An deren Todestag legt sie ...

Wie in jedem Jahr am 16. August, so setzt auch Ana Magdalena Bach diesmal wieder mit der Fähre auf eine Karibikinsel über, um das Grab ihrer verstorbenen Mutter zu besuchen. An deren Todestag legt sie dort immer einen Strauß Gladiolen nieder und berichtet der Verstorbenen von ihren Sorgen und Nöten. Ana Magdalena ist 46 Jahre alt und seit 27 Jahren glücklich mit dem 54jährigen Doménico, dem Direktor des Konservatoriums, verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder, einen zweiundzwanzig Jahre alten Sohn und eine 18jährige Tochter. Wie jedes Jahr übernachtet sie in einem Touristenhotel an der Lagune und nimmt abends an der Bar eine Kleinigkeit zu sich. Diesmal wird sie von einem fremden Mann angesprochen, der sie zu einem Drink einlädt. Sie geht auf seine Flirtversuche ein und nimmt ihn mit auf ihr Zimmer. Dieses Ereignis hat sie so verändert, dass sie fortan das Abenteuer sucht und nicht nur auf die Insel fährt, um auf das Grab der Mutter Blumen zu legen …

Gabriel García Márquez, (geb. 1927 in Kolumbien – gest. 2014 in Mexiko) war ein kolumbianischer Schriftsteller und Journalist. Er schrieb Drehbücher, Kolumnen, Reportagen, Kurzgeschichten, Erzählungen, Romane und Memoiren. Bevor er sich dem Schreiben zuwandte, studierte er zunächst Jura an der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá. Zu dieser Zeit lernte er auch seine spätere Ehefrau Mercedes kennen, die 2020 im Alter von 87 Jahren starb. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Sein Durchbruch als Schriftsteller gelang Márquez 1967 mit dem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“, der sich mehr als 30 Millionen Mal verkaufte. 1982 wurde Gabriel García Márquez mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt.

Zehn Jahre nach dem Tod des Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez erscheint dessen letzter Roman, unvollendet. Seine Söhne hatten beschlossen, das Buch zu veröffentlichen.

„Wir sehen uns im August“ heißt der Roman, der vom Umfang her eher eine Novelle ist, und nun weltweit auf den Markt gekommen ist. Nach dem Willen des Autors sollte er eigentlich nicht gedruckt sondern vernichtet werden, weil er seiner Meinung nach nichts tauge. Seine Söhne sahen das anders, zum Glück für uns Leser. Eine Sensation ist es sicherlich nicht, dennoch eine recht unterhaltsame Geschichte mit teils deftigen Sexszenen. Dass der Autor den Text nicht mehr überarbeiten konnte ist daran zu merken, dass einige Stellen (zumindest auf Deutsch) doch etwas unrund und holprig rüberkommen und gefühlte Lücken vorhanden sind. Das mindert jedoch keineswegs die Lesefreude, zumal der Schluss mit einer gut gelungenen Pointe überrascht. Schade, dass dem Autor keine Zeit mehr geblieben ist, diese kurze Geschichte zu einem großen Werk zu vollenden.

Fazit: Ein dünnes Buch mit vielen schönen ausdrucksstarken Passagen und einem großartigen Schluss – lesenswert trotz kleiner Mängel.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Erinnerungen

Das kleine Haus am Sonnenhang
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In den Neunzigerjahren, er war damals Journalist und noch kein Schriftsteller, verbrachte Alex Capus eine längere Zeit in seinem kleinen Haus am Sonnenhang in einem Tal im Piemont, das er als junger Mann ...

In den Neunzigerjahren, er war damals Journalist und noch kein Schriftsteller, verbrachte Alex Capus eine längere Zeit in seinem kleinen Haus am Sonnenhang in einem Tal im Piemont, das er als junger Mann sehr billig erworben hatte. Er hatte sich vorgenommen, dort seinen ersten Roman zu schreiben. Während der Sommermonate war nicht nur seine Freundin Nadja, die heute seine Frau ist, bei ihm, es waren auch viele Freunde zu Besuch. Ab September, als alle zurück in die Schweiz fuhren, war Alex Capus allein mit seiner Schreibmaschine und konnte an seinem Roman arbeiten. Die Tage verliefen in ruhiger Gleichförmigkeit, doch gelegentlich fuhr er mit seinem alten Fahrrad in die drei Kilometer entfernte Kleinstadt um mit Nadja zu telefonieren, danach in die Bar Da Pierluigi, um einige Einheimische zu treffen und ein paar Gläser Wein zu trinken. Es waren immer dieselben Gäste, alles Männer, mit denen er zusammen saß, Giuseppe, Mauro, Sergio, Roberto und natürlich der Wirt Pierluigi, die alle etwas Gesellschaft suchten. Es wird viel geraucht, viel getrunken und nur das Nötigste geredet. Die Abende vergingen meist ereignislos, doch einmal herrschte Aufregung. In der Kirche wurde der Opferstock aufgebrochen, die Polizei kommt auch in Pierluigis Bar …

Der Autor Alex Capus wurde 1961 in Frankreich geboren und lebt heute in Olten im Schweizer Kanton Solothurn. Er ist verheiratet mit Nadja, die im vorliegenden Buch erwähnt wird. Das Paar hat fünf Söhne. Capus studierte Geschichte, Philosophie und Ethnologie und arbeitete während und nach seinem Studium als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Schweizer Zeitungen. 1994 veröffentlichte er seinen ersten Erzählband. Sein Debütroman ist „Munzinger Pascha“, der 1997 erschien und dessen Entstehung Grundlage dieses Romans ist. Mehrere Kurzgeschichten, historische Reportagen und Romane folgten, für die er zahlreiche Preise erhielt. Sorgfältig recherchierte und geschichtlich überlieferte Tatsachen verknüpft Capus gerne mit fiktiven Geschichten, die überwiegend in der Schweiz spielen.

Jetzt, dreißig Jahre später, erzählt uns Alex Capus, der inzwischen ein gefeierter Schriftsteller ist, von der Entstehung seines ersten Romans „Munzinger Pascha“ während seines Aufenthalts im kleinen Haus am Sonnenhang. Er entführt uns in eine Zeit in der keiner ein Handy besaß, Mitteilungen noch per Post befördert wurden und man an Tankstellen von einem Tankwart bedient wurde. In seinem gewohnt flüssigen und gut verständlichen Schreibstil, in dem ab und zu eine gute Portion Humor durchblitzt, erzählt er von alltäglichen Ereignissen. Es geschieht nicht viel, sein Leben dort ist ruhig und von Routine geprägt, dennoch ist die Geschichte sehr unterhaltsam. Großartig sind seine Gedanken über das Leben, über Kunst und Literatur und über die italienische Polizei, die damals bei Diebstahl ihre eigene Methode hatte. Zum Schmunzeln ist auch sein Kampf mit dem Siebenschläfer, der sich auf dem Dachboden einquartiert hat, für Stromausfälle sorgt und ihn nachts durch sein Getrappel wach hält.

Fazit: Eine solide Geschichte aus dem Leben des Autors, die mir unterhaltsame und kurzweilige Lesestunden beschert hat.

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