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Veröffentlicht am 07.10.2024

Vom untergehen – und Luft zum Atmen finden

A Study in Drowning
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Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk. Die gestalterischen Entscheidungen von Ava Reid greifen nahtlos ineinander, schaffen zusammen etwas, was größer ist als die Summe seiner Teile.

Da wären die Charaktere. ...

Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk. Die gestalterischen Entscheidungen von Ava Reid greifen nahtlos ineinander, schaffen zusammen etwas, was größer ist als die Summe seiner Teile.

Da wären die Charaktere. Natürlich, die Hauptperson, Effy. Eine junge Frau, Architekturstudentin, obwohl ihr nichts mehr bedeutet als das Hauptwerk ihres Lieblingsautors, Myrddin, erfüllt von Sehnsucht danach dieses in Literatur studieren zu dürfen. Effy, die in ihrem Leben gelernt hat sich selber zu misstrauen und sich trotzdem versucht zu weigern genau das zu tun. Als sie eingeladen wird, den Bauplan für das Haus des Nachlasses ihres Lieblingsautors zu erstellen trifft sie Preston, unsere zweite Hauptperson, einen Literaturstudenten, der seine ganz eigene Vermutung über Myrddin untersuchen will. Die Zahl der Charaktere ist insgesamt sehr aufs Wesentliche reduziert, der Fokus liegt auf der Qualität, nicht der Quantität, denn diese Charaktere haben Tiefe und Vielschichtigkeit und eine ungewöhnliche Realität. Der Gedanke sie als Archetypen zu lesen verbietet sich an ihrer Menschlichkeit, die wiederum die ultimative Einladung ist sich selber in ihnen zu finden.
Wie eine Einladung, oder eher, eine neckende Herausforderung, lasen sich für mich manche der Stilistischen Mittel. Ein Buch über ein Buch. Mit der Zeit verschwammen für mich das eine Buch und das andere, verwob sich die Welt um mich herum mit der in „a study in drowning“, spiegelte mein Leseerlebnis den Rechercheprozess von Effy und Preston. Die wortgewaltigen, poetischen Beschreibungen des Meers imitieren in ihrer Funktion das Meer selber und tragen diese Erzählung. Die magisch-mythischen Elemente und das Ringen um Wahrheit haben für mich einen großen Reiz an diesem Buch ausgemacht. In der dritten Person, aber dennoch aus Effys Sicht, lernen wir diese Welt kennen. Werden mit dem konfrontiert, was für sie wichtig ist und dem, was sich an Gewohnheit in ihr Leben geschlichen hat und vielleicht jetzt erst wichtig für sie wird.

Es ist ein feministisches Buch, ja. Es ist ein Buch über unsere Natur, über Naturgewalt. Es ist ein Buch über Verrücktheit. Es ist ein Buch, in dem es auf allen Ebenen und in allen nur möglichen Arten ums „Ertrinken“ geht, der Titel ist wunderbar treffend. Es ist aber gleichzeitig nicht ein Buch nur über etwas. Es ist ein Buch, dass Nuancen mitnimmt und, bei aller Aussagenstärke, offen bleibt für jede einzelne lesende Person. Ein Buch das uns mitnimmt, mitunter wohl auch mitreißt. Ein Buch, dass alles in seiner Macht stehende tut um uns zu helfen am Ende auch wieder aufzutauchen. Es ist nicht so, dass Preston mit Effys Wunden alles richtig macht, immer das Richtige sagt. Er sagt mitunter genau die Sätze, die sicherlich auch für viele Lesende Wunden sind. Aber Ava Reid schafft es, dass es am Ende doch Balsam ist, dass all das schmerzhafte der Heilung dient. Vielleicht sind manche Szenen gerade in dieser Unperfektion zu Perfekt, die Reflexionsfähigkeit von Effy und Preston und ihr Umgang miteinander unglaubwürdig schön. Aber es ist eben schön und warm, in einem Buch, was sich nicht scheut bis in die dunkelsten und kältesten Winkel dessen zu gehen, was nunmal, nunja, nicht schön ist, wie soll ich diesem Buch das also vorhalten?

Ich werde dieses Buch, glaube ich, noch öfter lesen. Ich habe ein Stück von mir darin gefunden und auch ein Stück von mir darin verloren. Bücher wie dieses bleiben lange lebendig.

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Veröffentlicht am 02.10.2024

ein Liebes-Märchen

A thousand heartbeats - Der Ruf des Schicksals
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Die Erzählung der Geschichte von Annika und Lennox besticht durch ihre ruhige, aber bestimmte Entfaltung. Alles zu seiner Zeit, hin zu einem zwar vorhersehbaren, dadurch aber nicht weniger passenden und ...

Die Erzählung der Geschichte von Annika und Lennox besticht durch ihre ruhige, aber bestimmte Entfaltung. Alles zu seiner Zeit, hin zu einem zwar vorhersehbaren, dadurch aber nicht weniger passenden und bedeutungsvollen Ziel. Zunächst lernen wir die beiden Hauptcharaktere in ihrem jeweiligen Alltag kennen, schließen sie unabhängig voneinander ins Herz, so feinfühlig wie Kiera Cass die Nuancen ihrer Sehnsüchte und Ängste beschreibt. Mit der Zeit kommen die Spannungen, was die beiden miteinander verbindet und ob diese Verbindung nicht das Gegenteil eines miteinander heißt.

Der Schreibstil ist beständig, das Tempo insgesamt gemächlich, für mich wurde die Erzählung aber keineswegs langweilig oder eintönig. Vielmehr ist in diesem Buch der Weg das Ziel. Es fühlt sich wie eine Ehre an, die Entwicklungen der Charaktere zu verfolgen. Da sind ernste Momente und Schwermut genauso wie Witz und gestohlene Momente der Hoffnung. Annika und Lennox dabei zu zusehen, wie sie ihr Potential ausschöpfen und ihre starren Regeln und Rollen als Prinzessin und Soldat hinterfragen und ihr Schicksal formen macht Freude.

Dabei fehlt es der Erzählung nie an den richtigen Details um lebendig zu werden. Die Art wie wir in kleinen Erlebnissen statt ausufernden Beschreibungen am Worldbuilding teilhaben unterstreicht perfekt den Fortgang der Geschichte. Die beiden Ich-Erzählperspektiven unterscheiden sich im Schreibstil nicht, sodass sie sich für mich im Laufe der Geschichte immer weiter verwoben haben. Kiera Cass weiß es dieses stilistische Mittel zu nutzen, zaubert aus parallelen Beschreibungen und dem Fakt, dass wir als Lesende immer mehr wissen als Annika und Lennox eine angenehme Spannung und Involviertheit. Auch wenn der Fokus durch die Erzählperspektiven klar gesetzt ist haben alle Charaktere eine ansprechende Tiefe.

Ich fand „a thousand heartbeats” flüssig und leicht zu lesen. Alle Aspekte der Erzählung konnten mich berühren und ich dieses Buch guten Gewissens weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 25.09.2024

Erfahrungen, die niemand so machen müssen sollte

Pflegers Struggle
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In „Pflegers Struggle“ legt Metin Dogru seine Sicht auf das Thema psychische Erkrankungen unter Pflegefachpersonen dar. Er schreibt konversational-plauderhaft und nahbar, ohne Fachwissen bei Lesenden voraus ...

In „Pflegers Struggle“ legt Metin Dogru seine Sicht auf das Thema psychische Erkrankungen unter Pflegefachpersonen dar. Er schreibt konversational-plauderhaft und nahbar, ohne Fachwissen bei Lesenden voraus zu setzen. Auch die Fußnoten und Referenzen halten sich in Grenzen, nur ab und an werden Prävalenzangaben wiedergegeben. Immer wieder gibt es kleine Einschübe aus „Rabiatas Welt“, wie sie Inhalt eines Tiktok-Videos auf seinem Kanal sein könnten und vermutlich auch sind. Diese Einschübe lockern den Text auf, auch wenn sie inhaltlich nicht weiter eingeordnet werden und zum Teil etwas zusammenhangslos wirken. Der Autor gibt einige persönliche Einblicke, zu Beginn in die eigene Kindheit und Jugend, aber insbesondere in die eigene Erfahrung mit Depression als Pflegeschüler und dann Pflegefachperson. Ebenso persönliche Einblicke geben pseudonymisierte Pflegefachpersonen, mit denen der Autor im Gespräch war. Es ist ein Buch, was sich in seiner Aussage wesentlich auf diese Erfahrungen stützt. Die anekdotische Erzählweise verbindet sich mit den Interpretationen und Überlegungen des Autors zu einem flüssig, gut lesbaren Buch.

Die in der Inhaltsangabe vorgestellte Gliederung konnte ich dem Inhalt leider nicht wirklich entnehmen, eine sich über den Fortlauf aufbauende Argumentation mit einem klaren Fazit kann ich nicht erkennen. Vielmehr werden die Kernaussagen regelmäßig wiederholt und mit neuen Beispielen ausgeführt. Auf diese Weise dargestellt hat die Krise des Gesundheitswesen einen gewissen Unterhaltungswert und das Buch einige dramatische, möglicherweise entrüstend schockierende Momente. Die Nuance zwischen Verhalten erklären und Verhalten entschuldigen hat der Autor meiner Meinung nach allerdings oft nicht ganz getroffen. An einigen Stellen wird dem Leiden von Pflegefachpersonen (und auch Patient*innen) mit deutlichen Worten Ausdruck verliehen. Die ableistische Grundhaltung im Gesundheitssystem kommt deutlich raus, wird allerdings nicht als solche eingeordnet oder auf der Systemebene reflektiert. Auch wenn sich der Autor gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen positioniert tauchen einige eher verallgemeinernde und stigmatisierende Aussagen über psychiatrisch behandelte Menschen auf.

Ich habe mich beim Lesen gefragt, wer eigentlich die Zielgruppe dieses Buches ist. Und ich hätte mir, als Person die keine Pflegefachkraft ist, eine Idee gewünscht, wie ich zu einer Verbesserung der Situation beitragen kann, denn diesen Wunsch weckt der Autor.

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Veröffentlicht am 19.09.2024

einzigartiger Stil

Ich fürchte, Ihr habt Drachen
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Der Erzählstil ist einzigartig. Die Kombination aus gestelzt-altertümlicher und derbe-direkter Sprache, das Spiel mit Märchen-Tropes und Erwartungen und eine gelungene Situationskomik sorgen für ein kurzweiliges, ...

Der Erzählstil ist einzigartig. Die Kombination aus gestelzt-altertümlicher und derbe-direkter Sprache, das Spiel mit Märchen-Tropes und Erwartungen und eine gelungene Situationskomik sorgen für ein kurzweiliges, amüsantes Leseerlebnis. Die Charakterisierung der Figuren ist lebendig und mit leichtem Hang zur Karikatur. Dennoch wird immer wieder die Tiefe der Charaktere deutlich, fast schon meisterhaft der Umgang mit dem nur-beinahe-gesagtem. Auch Nebencharaktere treten mit deutlichen Zügen hervor und hätten zum Teil für meinen Geschmack gerne größere Rollen bekommen dürfen.

Und natürlich die Drachen! Sind sie wirklich Ungeziefer und Beute statt der imposanten, weisen und gefährlichen Tiere, die wir aus dem Fantasy-Genre gewohnt sind? Sie sind es auch, die neben Prinzessin und Prinz, unseren dritten Hauptcharakter Robert mit ins Spiel bringen, der ist nämlich Drachenjäger und beherbergt eine Reihe Jungdrachen in seinem Zuhause. Insgesamt wirken die drei, Prinzessin Cerise, Prinz Reginald und Robert, als Schicksalsgemeinschaft eher zusammengewürfelt und ihre Dynamik zwischendurch immer wieder holprig bis unverständlich. So wirklich intuitiv erschließt sich der Plot nicht, ich bin ihm mit einer Menge schulterzucken gefolgt, insbesondere nach der ersten Hälfte. Das Ende fühlt sich dann auch unbefriedigend an, manches dauert episch lange, andere Handlungsstränge verschwinden beinahe und was mir diese Auflösung jetzt sagen soll, weiß ich schlichtweg nicht. Aber, der Weg ist das Ziel?

Es ist eine nette Geschichte, die sich durch ihren ungewöhnlichen und Genre-untypischen Stil hervorhebt. Nach einer sehr vielversprechenden ersten Hälfte wurde das Buch leider immer schwächer, auch weil besagter Stil etwas zurückgenommen wurde. Meiner Meinung nach gab es hier viel nicht ausgeschöpftes Potential, andererseits ist dieses Buch Geschmacksache wie es selten ein Buch ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dieses Buch nochmal zu lesen und würde es vermutlich auch nicht weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 09.09.2024

ganz nett

Die Abschaffung des Todes
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Bei einem neuen Thriller von Eschbach sind meine Erwartungen hoch, schließlich hat er mit manch früherem Buch sein Können bewiesen. Dass ich von „die Abschaffung des Todes“ nicht begeistert bin, liegt ...

Bei einem neuen Thriller von Eschbach sind meine Erwartungen hoch, schließlich hat er mit manch früherem Buch sein Können bewiesen. Dass ich von „die Abschaffung des Todes“ nicht begeistert bin, liegt allerdings nicht nur an zu hohen Erwartungen. Für mich war dieses Buch schlichtweg kein Thriller. Es ist eher ein philosophisch-wissenschaftlicher Entwicklungsroman mit Action-Einlage. Dieser Versuch das Buch zu beschreiben deutet schon dessen größte Schwäche an, von allem ein bisschen, aber nichts durchgehend, gleichzeitig zu viel und zu wenig.

Unsere Hauptperson James Windover ist durchaus interessant, seine Selbstironie bereichert so manche Szene. Die Idee seiner „objektiven“ Zeitung gefällt mir und die kleinen Momente der Medienkritik im Buch hätten Zeug zu etwas größerem gehabt. Stattdessen wurschtelt sich die Erzählung um die Youvatar Firma herum. Windover steht eine große Zahl individueller bis kauziger Nebenfiguren zur Seite, die leider regelmäßig nach ihrem Dienst zum Plot auf nimmerwiedersehen verschwinden. In der zt kurzen Zeit in der sie dabei sind werden sie aber vom Ich-Erzähler wohlwollend humorvoll charakterisiert, so dass jede Einzelne von ihnen eine Bereicherung des Leseerlebnis für mich war. Mit Anahit Kevorkian bekommen wir sogar eine, zwar -natürlich- an ihrer Heilung interessierte, ansonsten aber intelligente, selbstbewusste, erfolgreiche behinderte Frau vorgestellt, die durchaus eine willkommen Abwechslung zu Behinderungsklischees darstellt. Auf ihren Auftrag hin beginnt James Windover sich mit youvatar auseinander zu setzen.

Die wissenschaftlichen Abhandlungen waren mir in diesem Roman zu ausufernd und die gesellschaftlich-philosophischen Überlegungen, für die Eschbach bekannt ist, zu platt. Es war einfach nichts wirklich neues, nichts wirklich erstaunendes dabei. Die Action Einlage hat dann auch eher Slapstick-Charakter bis am Ende der Entwicklungsroman überhand gewinnt. Alles für sich genommen durchaus lesenswert, in der Mischung aber doch etwas befremdlich. Auf so vielen Seite so gar keinen roten Faden drin zu haben ist auf Dauer eher anstrengend.

Nichtsdestoweniger ist das Hauptthema interessant und das Buch birgt einiges an Diskussionsanstößen. Insgesamt für mich weder Flop noch Highlight, sondern einfach nette Lektüre.

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