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Veröffentlicht am 15.09.2016

»Sie können Ihre Gefühle trainieren wie Muskeln.«

Das Herz, unser Glücksmuskel
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Beate Pracht hat sich mit ihrem Buch einen wirklichen Herzenswunsch in Erfüllung gehen lassen. Das Wohlergehen ihrer Mitmenschen, die emotionale und geistige Gesundheit von uns allen war ihr immer schon ...

Beate Pracht hat sich mit ihrem Buch einen wirklichen Herzenswunsch in Erfüllung gehen lassen. Das Wohlergehen ihrer Mitmenschen, die emotionale und geistige Gesundheit von uns allen war ihr immer schon ein großes Anliegen. In Das Herz, unser Glücksmuskel widmet sich die Autorin nun vor allem dem Herzen. Beate Pracht weiß, dass unser Herz so viel mehr ist, so viel mehr Funktion hat, als das "einfache" Blut-durch-den-Körper-pumpen. Das Herz und unsere Gefühle und somit auch die Zufriedenheit und das Glück hängen eng miteinander zusammen.

~ Doch wer einen Weg geht, der ihm selbst nicht mehr entspricht, entfernt sich von sich selbst - und damit vom Leben. ~
(S. 22)

Mir selbst war Vieles aus dem Buch noch gar nicht so bewusst, wie ich erst gedacht habe und deshalb fand ich das Lesen dieser Lektüre äußerst aufschlussreich.
Gespickt ist das Ganze mit einigen Übungen (mit einfacher Anleitung) zum Nachmachen. - Es steht jedes Mal dabei, worum es bei der Übung genau geht, was man damit positiv beeinflussen kann, was man dafür benötigt, die Anleitung selbst und zum Schluss noch diverse Tipps und Tricks. So kann zum Beispiel mit der Herzatmung, die auch immer wieder an den verschiedensten Stellen im Buch erwähnt wird, gearbeitet werden, um sein Bewusstsein zu schärfen und für alles um sich herum eine gewisse Achtsamkeit zu entwickeln.

Ganz besonders interessant waren für mich die Textstellen, in denen es um das Wahrnehmen von Gefühlen geht und wie Emotionen uns heilen können, wenn wir zu verstehen lernen, wie wir sie optimal beeinflussen und steuern können.
Aber auch die Abschnitte über den natürlichen und künstlichen (bzw. fremdbestimmten) Lebensrhythmus fand ich persönlich sehr wertvoll und erkenntnisreich. - Denn interessanterweise habe ich mich kurz vor dem Lesen dieser Informationen damit sogar ein wenig beschäftigt, sodass dieses Kapitel im genau richtigen Moment den Weg zu mir gefunden hat. (Was ich selbst ja immer wieder verblüffend finde, wie das Leben immer so spielt ...)

~ Die Einsicht, die Menschen durch Krankheit erlangen, ist schmerzhaft. Und jeder wünscht sich, er hätte es nicht so weit kommen lassen. ~
(S. 29)

Die Autorin arbeitet auch sehr gerne mit Tieren zusammen. Sie ist ein sehr tier- und naturverbundener Mensch, was ich persönlich höchst sympathisch finde.
Vor allem sind es Lamas, die eine große Faszination auf Beate Pracht ausüben und ihr Freude bereiten.
Durch ihre sehr lesenswerten Beschreibungen von diesen Tieren habe ich selbst total Lust bekommen, solch ein Wesen einmal kennenzulernen und in natura zu erleben. Ich wäre wirklich gespannt, ob Lamas tatsächlich die Fähigkeit besitzen, einen Menschen zur Ruhe zu bringen und ihn die Umwelt bewusster wahrnehmen zu lassen. - Ja! Die Vorstellung, Bekanntschaft mit einem Lama zu machen und/oder an einer der sogenannten Lamawanderungen teilzunehmen, um von den Tieren zu lernen, würde mich schon ziemlich reizen.

~ Angst ist etwas, was im Kopf entsteht. Man fürchtet sich nicht vor einer realen Bedrohung, also einer akuten Gefahr für Leib und Leben, sondern vor einer Vorstellung von Bedrohung. ~
(S. 79/80)

Also für gesundheitsbewusste Menschen, die gestresst sind, ruhig werden und/oder Achtsamkeit erlernen wollen, ist dieses Buch ein wahrer Schatz! Auch die vielen wertvollen Informationen über die Kommunikation, den gemeinsamen Umgang miteinander und über andere wichtige zwischenmenschliche Vorgänge, sind Dinge, die, wenn man sie in sein Leben integrieren mag, dem persönlichen Wachstum auf alle Fälle enorm zugute kommen können.
Eine unbedingte Leseempfehlung für diese bereichernde Lektüre!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unterhaltung auf ganzer Linie. - Ich bin begeistert!

Die Vergolderin
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Mir ist es so leicht gefallen, von Anfang an in die Geschichte einzutauchen, da ich vor ein paar Jahren bereits die Leseprobe via vorablesen dazu gelesen habe und mich von damals noch gut erinnern konnte, ...

Mir ist es so leicht gefallen, von Anfang an in die Geschichte einzutauchen, da ich vor ein paar Jahren bereits die Leseprobe via vorablesen dazu gelesen habe und mich von damals noch gut erinnern konnte, was zu Beginn geschehen ist.

Schon der Einstieg fesselt enorm, da es mit Elisabeths Flucht und dem Verstecken vor den Plünderern losgeht. Und genau genommen geht es auch genauso spannend weiter, denn in Elisabeths Leben gibt es sowieso kaum Ruhe, geschweige denn Langeweile. Aufregung, Hass und Wut, unter anderem bedingt durch ihre Schwester, dem Großvater und den teilweise brutalen Gildemännern, die es auf sie abgesehen haben, dominieren Elisabeths Alltag. Lediglich ihr Bruder Christian und der eine oder andere 'nette' Mann erhellen ihr Leben ein wenig.

~ Die Vergangenheit ist Ton, der gebrannt wurde. Nur die Zukunft lässt sich formen. ~
(S. 77)

Tatsächlich kann ich sagen, dass es hier keinen einzigen Lesemoment gab, der langweilig oder gar zum Abschweifen gewesen wäre, nein. Die fesselnde Handlung zieht sich wirklich durch das gesamte Buch - bis zum Schluss!

Wer (sehr) zart besaitet ist, ist mit den paar blutigen und gewaltvoll grausigen Szenen im Buch vielleicht nicht ganz so gut bedient. Mich persönlich hat das aber weniger gestört, damit bin ich zurecht gekommen, nicht zuletzt, weil ich auch stark annehme, und das konnte man aus dem Text so auch herauslesen, dass zur damaligen Zeit Folter, Gewalt und schneller Mord gang und gäbe bzw. nichts allzu Außergewöhnliches war ...

~ »Schönheit ist ein nichtiges Ding. Du fällst drauf rein, Elias, und jeder andere Mann auch. Aber wer kein Augenlicht hat, ist gefeit. Der sieht ins Herz.« ~
(S. 140)

Obwohl das Lesen meines letzten historischen Romans schon ein Weilchen her ist, fand ich, dass hier alles sehr authentisch beschrieben und dargestellt wurde. Auch das Denken und Handeln der Protagonisten war teilweise sehr altertümlich und für mich somit absolut glaubwürdig.

Die Hauptprotagonistin Elisabeth ist eine mutige, junge Frau, die für ihre Freiheit, ihr Glück und ein unbeschwertes Leben kämpft. Genau diese Merkmale fand ich an ihr besonders bewundernswert, da zur damaligen Zeit ja ausschließlich Männer das Sagen hatten und Frauen wirklich Schwierigkeiten bekommen konnten, wenn sie es gewagt haben, ihren Mund aufzumachen, oder gar zu widersprechen ...
Elisabeth ist eben eine völlig ungewöhnliche Frau - und daher rühren auch die Schwierigkeiten mit ihrer Schwester Marga, dem Großvater und den mächtigen Männern in der Stadt. Durch Elisabeths Wesen findet man hier also wahrlich eine Menge fesselnden Lesestoff!

~ Blindheit, wenn sie nicht in Zorn und Bitterkeit mündete, lehrte Geduld. ~
(S. 300)

Ich bin äußerst angenehm von diesem historischen Roman überrascht. Ich hätte anfangs nicht erwartet, dass ich mich so sehr in diese Geschichte fallen lassen könnte. - Aber ja, genau das ist geschehen. Durch die rasante Handlung war ich eigentlich dauergefesselt, wenn man das so ausdrücken kann.
Dieses Buch schafft es einfach auf ganzer Linie zu unterhalten. - Ein klarer 5-Sterne-Fall!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Und der Wahnsinn geht weiter!

After truth
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Von der Sogwirkung, die mich im kürzlich gelesenen Band 1 (After passion) so eingenommen hat, war ich richtig fasziniert, sodass ich schon ganz bald Band 2 lesen musste. Auch hier ist diese Sogkraft wieder ...

Von der Sogwirkung, die mich im kürzlich gelesenen Band 1 (After passion) so eingenommen hat, war ich richtig fasziniert, sodass ich schon ganz bald Band 2 lesen musste. Auch hier ist diese Sogkraft wieder enorm spürbar. - Aber was ist das eigentlich? Wie lässt sich diese Wirkung auf den Leser erklären? - Ich habe diesmal versucht, ganz genau darauf zu achten, wann ich immer in den "Leseflow" gekommen bin ...

»Ich habe zugelassen, dass er mir alles nimmt. Früher war mein Leben einfach, geregelt und klar. Jetzt ... nach ihm, nach der Wahrheit ... ist alles ... ganz anders.«
(S. 18)

Also zum einen liegt es ganz bestimmt an dem einfachen und wirklich schnell und flüssig zu lesenden Schreibstil, der mich nur so durch die Seiten fliegen hat lassen. Die knackig kurzen Kapitel haben aber ebenso zu diesem Umstand beigetragen. (Hier zeigt sich auch gerne der "Nur-noch-das-eine-Kapitel-Effekt".)
Und vom Inhalt her, sind es zum anderen die Szenen, in denen es zwischen Tessa und Hardin streitmäßig richtig zur Sache geht, die mich gebannt haben. Man fiebert so sehr mit den beiden mit, man hofft ständig auf eine dauerhafte Versöhnung zwischen ihnen. Aber tatsächlich ist es bei Tessa und Hardin so, dass erstens deren Stimmung extrem schnell kippen kann (vor allem bei Hardin ist die Stimmung unberechenbar) und sie zweitens beide auf eine gewisse Weise ziemlich impulsiv, aber auch eifersüchtig sein können, was (immer wieder) zu Streit, Trennung, Gewaltausbrüchen und verletzenden-Dingen-an-den-Kopf-werfen führt. Und ja klar, wenn man sich auf die Buchcharaktere völlig einlässt (was ich ja immer versuche), ist es nur verständlich, wenn mir das Gefühlstohuwabohu von Tessa und Hardin nahe geht und ich deswegen von den Geschehnissen so gefesselt bin ...

»Ich weiß nicht mehr, wer ich ohne dich bin.«
(S. 37)

Die größte charakterliche Entwicklung hat in diesem Buch eindeutig Hardin durchgemacht. Wenn ich an den Beginn von Band 1 denke, dann ist das ein enorm positiver Weg, den er da (mit Tessa) gegangen ist. Hardin ist zwar immer noch sehr impulsiv, zornig und teilweise gewalttätig, aber trotzdem kein Vergleich mehr zu dem Zeitpunkt, als Tessa ihn gerade erst kennengelernt hat. Durch, oder besser gesagt für, Tessa will Hardin zu einem besseren Menschen werden und ich persönlich finde, dass er sich, wenn einem seine schreckliche Vergangenheit bekannt ist, wirklich große Mühe gibt, um an sich zu arbeiten. Mittlerweile kommt mir Hardin sehr viel freundlicher, viel weniger stur, viel mehr bemüht und um einiges offener vor, als noch ganz am Anfang. Und das will was heißen!

Auch Tessa hat sich verändert, aber eigentlich nur in dem Sinne, dass sie sich von Hardin nicht mehr alles gefallen lässt, also nun selbstbestimmter ist, und sie in meinen Augen auch nicht mehr so ganz das klassische "good girl" darstellt.

Ich erwarte nicht, dass er sich entschuldigt, aber ich will ihn trotzdem gern sehen.
Das ist die Wurzel meines Problems: dass ich trotz der schrecklichen Dinge, die er zu mir sagt, immer noch mit ihm im Bett liegen will.

(S. 501)

In After truth tun sich auch wieder eine Menge neue Themen auf, die erhebliches Konfliktpotenzial für Tessa und Hardin beinhalten. Ein paar davon sind hier ja schon zum Teil thematisiert worden, aber ich bin mir sicher, dass die in Band 3 (After love) wieder Raum bekommen, sodass das Bangen, wie die zwei Wahnsinnigen ihr gemeinsames Leben gestalten werden, beim Leser weitergehen kann.

Band 2 steht Band 1 in nichts nach. Ich bin wieder ausgesprochen gut unterhalten worden, was ziemlich sicher auch der Sogkraft, die von Hardins und Tessas Zwistigkeiten ausgeht, geschuldet war. Ich werde die beiden letzten Bände also garantiert ebenso bald verschlingen, denn ja ... das Hessa-Fieber hat mich wahrlich gepackt!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Aufwühlende Thematik: Holocaust

Bis ans Ende der Geschichte
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Ja, Jodi Picoult hat es wieder getan: einen Roman geschrieben, der wegen seiner brisanten Thematik aufwühlt und sehr nachdenklich stimmt.
Es geht darin um die Judenverfolgung in der Zeit des zweiten Weltkriegs ...

Ja, Jodi Picoult hat es wieder getan: einen Roman geschrieben, der wegen seiner brisanten Thematik aufwühlt und sehr nachdenklich stimmt.
Es geht darin um die Judenverfolgung in der Zeit des zweiten Weltkriegs und um die Tatsache, Macht über jemandes Leben und Sterben zu haben. Rache und Zorn werden hier ebenso thematisiert, wie Mitleid und Vergebung ...

»Gute Menschen und schlechte Menschen. Als wäre das so einfach. Jeder ist beides zugleich.«
(S. 56)

Sage ist eine Protagonistin, für die ich bis zum Schluss, obwohl sie eine nennenswerte Entwicklung durchgemacht hat, keine Sympathie entwickelt habe. Ihre anfängliche Lebensführung (die Beziehung zu einem verheirateten Mann und ihr sich-vor-der-Welt-Verstecken, bedingt durch ihr geringes Selbstwertgefühl, weil sie meint, im Gesicht entstellt zu sein) und ganz allgemein ihre emotionslose Art, haben sie nicht zu meinem Lieblingscharakter gemacht.
Und warum ist sie mir dann im Laufe der Geschichte, trotz enormer Wandlung, nicht sympathischer geworden? - Weil diese Entwicklung viel zu schnell vonstatten gegangen ist und somit ziemlich unglaubwürdig war. Man kann nicht innerhalb kürzester Zeit selbstbewusst werden, aus sich herausgehen und sich attraktiv und schön finden, wenn dies vor kurzem noch überhaupt nicht so war. Eine derartige Umstellung passiert in meinen Augen eher schleichend und nicht so plötzlich wie es bei Sage der Fall war. Das ging mir wahrlich zu schnell.
Und rachedurstige und lügende Menschen konnte ich noch nie besonders gut leiden. Sages letzte Handlungen haben sich für mich eben sehr rachedurstig gelesen, was ich absolut abstoßend fand ...

»Machen Sie es sich nicht ein bisschen einfach, wenn Sie sagen, Sie hätten das Schreckliche getan, weil jemand Sie dazu anstiftete?«, wende ich ein. »Das ändert doch nichts daran, dass es falsch war. Egal, wie viele Menschen einem sagen, dass man von einer Brücke springen soll, man hat doch immer noch die Option, sich umzudrehen und wegzugehen.«
(S. 153)

Dann gibt es hier auch noch den 95-jährigen Josef, der einer der Hauptcharaktere war. Was ich von diesem Mann halten soll, weiß ich bis jetzt nicht ... Seine Erzählungen/Beichten über seine Vergangenheit als SS-Mann im KZ Auschwitz waren für mich alles andere als leichte Kost. Die Gräueltaten, die er und die anderen Soldaten begangen haben, klingen heftig und gefühllos und als seine Erzählung davon beendet war, musste ich erst mal ganz tief durchatmen.

Ebenso sehr mitgenommen hat mich Minkas (Großmutter von Sage) Geschichte. Minka hat im Ghetto gelebt und wurde anschließend in Todeslager nach Auschwitz gebracht. Und was sie darüber alles zu berichten hat, ist zutiefst berührend, aufwühlend und hat mich wahnsinnig traurig gestimmt. Diese 200 Seiten über Minkas Vergangenheit fand ich am besten an dem ganzen Buch!

»Sie können mir mein Zuhause wegnehmen«, sagte er. »Und mein Geld und meine Frau und mein Kind. Sie können mir meine Lebensgrundlage und mein Essen wegnehmen und« - hier setzte seine Stimme aus - »meinen Enkelsohn. Aber meine Träume können sie mir nicht nehmen.«
(S. 330)

Ganz allgemein kann ich sagen, dass es mir hier aber einfach zu viele verschiedene Erzählstränge gegeben hat. Ich fand den ständigen Perspektivenwechsel ermüdend und deswegen ist es mir auch so schwergefallen, mich ordentlich in die Charaktere hineinzuversetzen bzw. sie zu verstehen. Den Mittelteil des Buches mit Minka, in dem auf 200 Seiten kein Wechsel stattgefunden hat, fand ich deshalb am mitreißendsten.

Ich fand das Buch wirklich nicht schlecht, aber umgehauen (wie beispielsweise Neunzehn Minuten) hat es mich leider auch nicht.
Lesenswert sind in meinen Augen hier vor allem die Passagen über den Holocaust und Josefs grauenvolle Beschreibungen über seine Arbeit als SS-Mann, da dies bei mir die aufwühlendsten Gefühle hervorgerufen hat.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Sklavenbefreier auf fanatischer Mission

Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford
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›Verrückt‹ ist ein gutes Stichwort, mit dem ich beginnen möchte, denn verrückt sind sie wirklich: Henry Shacklefords Tage bei den Abolitionisten. Allen voran John Brown - oder auch: der Alte Mann - ist ...

›Verrückt‹ ist ein gutes Stichwort, mit dem ich beginnen möchte, denn verrückt sind sie wirklich: Henry Shacklefords Tage bei den Abolitionisten. Allen voran John Brown - oder auch: der Alte Mann - ist ein irrer Kauz. Mit seinem Fanatismus, alle Sklaven in die Freiheit führen zu wollen, und seiner fast schon wahnsinnigen Art, immer und überall zu beten oder von Gott zu referieren, ist er mir ganz besonders in Erinnerung geblieben.
Old John Brown brennt für diese eine Sache und nichts und niemand kann sich ihm in den Weg stellen. Deswegen war der Alte Mann auch weitestgehend so gefürchtet: mit seiner zielgerichteten und überzeugten Art hat ihn eine unerschütterliche Aura umgeben.

Der Alte Mann klatschte in die Hände und nickte mit dem Kopf. Was seine Begeisterung für die Freiheit anging, war er nicht zu stoppen.
(S. 235)

Und wo ist Henry bei der ganzen Sache? - Während John Brown daran arbeitet, im Namen Gottes, eine "Armee" auf die Beine zu stellen und den ultimativen Sklavenbefreiungs- und Kampfplan auszuhecken, überlegt Henry immer mal wieder, ob und wie er abhauen soll, denn eigentlich ist es ihm als Sklave bei seinem Master ja gar nicht so schlecht gegangen. Zumindest Hungerleiden musste er nicht. Denn seit er ein befreiter Sklave ist, so sagt er selbst, wisse er erst, was richtig-Hunger-haben bedeutet ...

Klingt schon alles ein bisschen irrwitzig und zum Schmunzeln, nicht? Nun, das ist es auch. Es fängt ja schon damit an, dass alle Henry für ein Mädchen halten und er deswegen von Zeit zu Zeit in Situationen kommt, die sich als sehr lustig gestalten.
Auch Henrys Spitzname, die kleine Zwiebel, begleitet uns durchs gesamte Buch, weil ihn fast jeder so nennt, seitdem John Brown ihm (bzw. ihr) diesen Namen gegeben hat.
Die Dümmlichkeit so mancher Charaktere und Old John Browns Wesen sind ebenfalls Dinge, die das Lesevergnügen erheblich vergrößern. - Also, der Spaß kommt hier definitiv nicht zu kurz.

»Nun«, sagte er, »den Neger gibt es in allen Farben. Dunkel. Schwarz. Schwärzer. Am schwärzesten. Schwärzer als die Nacht. Schwarz wie die Hölle. Schwarz wie Teer. Weiß. Hell. Heller. Am hellsten. Heller als Licht. Weiß wie die Sonne. Und fast weiß. Nimm mich zum Beispiel. Ich habe einen braunen Ton. Du dagegen bist fast weiß und anmutig, und das ist eine schreckliche Zwickmühle, oder?«
(S. 249)

Sehr gut hat mir auch die Atmosphäre, die die Geschichte hervorgerufen hat, gefallen. Ich musste beim Lesen immer an den Wilden Westen aus diesen typisch amerikanischen Filmen denken. - Kopfkino pur!

Dass dieses Buch jedoch keine völlig frei erfundene Geschichte ist, sondern es zumindest den gottesfürchtigen Abolitionisten John Brown gegeben hat, wusste ich aber erst, als ich nach dem Beenden des Buches seinen Namen gegoogelt habe. Da hätte ich mir doch gerne noch eine Anmerkung vom Autor gewünscht, wenigstens am Ende eine kurze.

Mal ehrlich, alle versklavten Neger waren ganz natürliche Lügner, denn kein Geknechteter hatte je was davon gehabt, dem Master zu sagen, was er wirklich dachte. Vieles im Leben eines Farbigen war reines Schauspiel, und die Neger, die ruhig ihr Holz sägten und die Klappe hielten, lebten am längsten.
(S. 38)

Ein wenig anstrengend fand ich die Mundart der meisten Charaktere. Oft wurde einfach das "t" am Ende eines Wortes weggelassen oder zwei Wörter mit "’n" abgekürzt (z. B.: "Du wirs’ dir da keine Sorgen machen müssen ..." und "... war rumgekommen und hatte’n bisschen was gesehen."). Diese Tatsache hat meinen Lesefluss leider negativ beeinflusst, aber ansonsten kann ich nichts nennenswert Negatives über dieses Buch sagen.

Ob John Browns Plan, die Sklaven zu befreien, geglückt ist und ob Henry es doch irgendwann geschafft hat, sein wahres Geschlecht zu offenbaren, werde ich jetzt hier nicht vorwegnehmen, aber ich kann euch versichern, dass ihr das Kennenlernen dieser verrückten Charaktere bestimmt nicht bereuen werdet.